Ein echtes Original in jeder Hinsicht! Das Menü des Bonvivant ist eine Ode an die vegetarische Küche: delikat, präzise und wunderschön präsentiert. Auch für Veganer gibt es eine eigene, genauso raffinierte Menüoption. Und der Name “Bonvivant Cocktail Bistro” verrät es schon: Hier erwarten euch nicht nur erstklassige Speisen, sondern auch kreative und durchdachte Drinks. In einer entspannten Atmosphäre erklärt euch das junge und engagierte Serviceteam jeden Gang und die dazu passenden Getränke ausführlich – ein Konzept, das einfach überzeugt!
Es ist Freitag, und ich befinde mich mit meiner Begleitung im Berliner Bezirk Schöneberg. Normalerweise verschlägt es mich kulinarisch nicht hierher. Umso mehr wird mich der Ausgang des Abends positiv überraschen. Es geht an diesem Abend in das besternte Restaurant Bonvivant, das mit fortschreitender Zeit auf die Vergabe des Guide Michelin Ende März blicken wird. Denn im letzten Jahr haben sie zum ersten Mal den begehrten Stern erhalten.
Vom Charme her erinnert mich das Restaurant sehr an das Bricole im Kiez von Prenzlauer Berg. Denn auch dieses Restaurant stand vor der Herausforderung, selbst mit dem Stern noch ein nahbares Lokal zu sein. Gerade weil dieses Lokal von Jules Winnfield und The Anh Nguyen auch zum Lunch einlädt und eben kein Restaurant mit der klassischen, formalen Attitüde sein soll.
Das Bonvivant gibt sich offen und transparent. Das beginnt beim Bartresen, an dem jeder Gast dem Service beim Mixen der Drinks zuschauen kann. Aber auch die Küche ist hinter einer Glasscheibe einsehbar. Dort zeigt sich das Treiben am sogenannten Pass, an dem Chefkoch Niko Berger mit seinem Team Teller für Teller anrichtet und vom Service an den Tisch bringen lässt.
Und dieser ist so wunderbar herzlich und nahbar, dass das großartige Essen auf dem Teller fast in den Hintergrund gerät. Denn hier zählt nicht nur das kulinarische Ereignis – es ist das Gesamterlebnis. Dafür sorgt vor allem Hannah, die uns durch den Abend führt.
Von außen lässt die Fassade des historischen Kachelhauses in der Goltzstraße nur schwer erahnen, welches farbenfrohe Interior sich darin verbirgt. Die sehr elegante, aber dennoch wohnliche Atmosphäre im vorderen Bereich mit einer zentralen Bar im Mondrian-Stil, Mamorelementen und grün-, senf- und roséfarbenen Samt-Polstergarnituren nebst türkisen Wänden wird abgelöst von einem Dinnerbereich mit braunen Holztischen und nicht weniger farbigen Farbkreisen an den Wänden. Wir fühlen uns hier sehr wohl. Alles wirkt harmonisch und gekonnt ausbalanciert – genauso werden wir die Küche und die begleitenden Drinks kennenlernen.
Amuse Bouche – Rote Bete
Den Start vorweg macht eine Snack-Attack von Roter Bete in Form einer Schaumsuppe und Tartelettes. Diese füllt Niko mit einer Senfcreme und setzt darauf ein Tatar von gedörrter Roter Bete und Rosenblättern.
Der Wasserentzug durch das Dörren wirkt sich bei jedem Produkt mit einer Geschmacksverstärkung aus. So auch hier, denn das knusprige Tartelette schmeckt schön kräftig und intensiv. Bei den noch kalten Tagen in Berlin ist das ein gelungener Einstieg.
Kohlrabi vom Bioland-Hof Zielke
Überraschend frühlingshaft ging es bereits bei der Vorspeise zu. Knackige Kohlrabiwürfel, die mit Holunderblütenessig und Leindotteröl mariniert wurden. Darauf thront auf einer in Holunderblütensirup eingelegten Kohlrabischeibe je eine kleine Nocke von frischem Fichtennadeljoghurt, dessen Nadeln vom Team selbst im Gleisdreieck gesammelt wurden, und einer Crème von verbranntem Apfel. Abgerundet wird die Vorspeise von einer Vinaigrette von Fichtennadel und Ponzu.
Als wäre das noch nicht genug Kohlrabi, gibt es in einem kleinen Becher ein wunderbares Beispiel für die Vermeidung von Food Waste. Hier wurde aus den Kohlrabiblättern ein Schaumsüppchen gezaubert. Dieses Entrée wirkt auf seine unscheinbare Weise lange nicht so komplex, wie es am Ende wirklich ist. Im Gaumen entfaltet sich ein herrliches, frisches Zusammenspiel zwischen knackigen, cremigen und öligen Texturen. Auch gefällt der Temperaturakkord zwischen der eher kühlen Vorspeise und der warmen Suppe sehr.
Sellerie von der Domäne Dahlem
Wir kommen bereits jetzt zu meinem Höhepunkt, was nicht heißt, dass es von hier an nur noch bergab geht. Vielmehr ist dieser von allen Gängen mein Favorit. Warum, das möchte ich euch gerne erklären.
Bei diesem Gericht gefällt mir das Zusammenspiel des gebackenen und abgeflämmten Selleries, der durch diese Zubereitung ein wunderbares Raucharoma samt faseriger Textur erhält, mit der samtigen Weizengrasmayonnaise und der frisch gehobelten Belper Knolle ganz wunderbar.
Ergänzt wird das kreisrunde Ensemble mit einer am Tisch angegossenen Holzkohlebutter. Rauch, Kräuter und Käse – was will man mehr?
Pausenbrot
Ich muss mich wohl ein wenig bei meinen Eltern beschweren. Denn solch ein schönes Pausenbrot hatte ich nie erhalten. Ich möchte behaupten, hier gibt es wohl Berlins bestes Pausenbrot. Mit dieser Premiumversion eines Brotgangs serviert das Team, neben einem süffigen Knärzjie Kellerbier aus der Flasche, Scheiben von Sauerteigbrot aus der Johann-Bäckerei, hausgemachte Leinsaatchips und einen lauwarmen Sauerteig-Dinkel-Langosch. Das alles ist entweder in der Misobutter mit Sonnenblumenkernen oder der Cashewcrème mit Schnittlauch samt Öl gedippt.
Funfact am Rande: Das Bier ist im Übrigen aus dem überschüssigen Knus, Knust, Kniest, Knistchen, Kniezchen, Knüppchen bzw. Knaus hergestellt. Je nachdem, woher ihr kommt, müsst ihr euch die korrekte Bezeichnung heraussuchen.
Daneben gesellt sich als Food Pairing ein Roséwein mit Kräuteressenz und Rote-Bete-Saft. Wer sein Menü lieber alkoholfrei genießen möchte, ist hier genau richtig. Solche Varianten werden ebenfalls angeboten.
Erdäpfelkas vom Ökodorf Brodowin
Für die Extra-Dopaminausschüttung sorgt das mit Bergkäse angemachte Kartoffelpüree, welches die Küche mit einem gegrillten, wilden Brokkoli, Perlzwiebelsegmenten und den drei knusprigen Hefechips serviert. Für das Mehr an Umami sorgt die am Tisch hinzugefügte Hefesauce. Jeder, der von euch bereits veganen Parmesan hergestellt hat, weiß, welch toller, vollmundiger Geschmack von den Hefeflocken ausgeht. Dieses, sowie alle anderen Gerichte, wurden uns sehr charmant von Hannah erklärt.
Laubporling von der Magdeburger Pilzmanufaktur
Der Hauptgang setzt wohl den Pilz der Stunde in Szene. Es dreht sich alles um den Laubporling. Dieser Pilz wird wie kaum ein anderer, sieht man vom Trüffel einmal ab, derzeit gefeiert. Nikos Laubporling wird mariniert und gebraten. Dazu gibt es marinierte Brunnenkresse, gebratenen Eiszapfen, gepickelte Senfsaat, eine Dijonnaise und getrockneten Meerrettich. Daneben wird fast beiläufig ein in Butter gebratener Brioche mit schwarzem Trüffel serviert. Zu guter Letzt wird der Trendpilz noch mit einer cremigen Shiitake-Velouté angegossen.
Wir folgen der Empfehlung von Hannah “Save the best for last” und heben uns den Brioche zum Aufsaugen der deliziösen Pilzvelouté bis zum Schluss auf. Zuvor genießen wir das schön erdige Aroma des Laubporling mit den leichten Schärfenoten der Brunnenkresse und der Dijonnaise, welche vollkommen im Einklang mit dem Eiszapfen und dem geriebenen Meerrettich stehen. Ein Gang, der zweifelsohne das Prädikat “fingerlicking good” verdient, wenn da nicht der Brioche wäre, welcher all den Trüffel buckeln muss. Wir zeigen uns gnädig und bereiten dem schnell genussvoll ein Ende. Somit muss das abschließende Urteil einfach “exzellent” lauten.
Gewürztagetes von Monk Garden
Der vorletzte Gang war der erste Süße. Niko inszeniert die sogenannten Tagetes, auch genannt Studentenblumen, und nutzt sie, um damit zu würzen und auch zu garnieren. Als Basis dient eine Quitte, welche gekocht und später mit veganer Butter zu einer Creme gemixt wurde. Stücke von pochierter Quitte, die im eigenen Fond mit Earl Grey Tee schonend gegart wurden, befinden sich dann später unter einer Haube von Earl Grey Schaum.
Darauf löffelt der Service ein Granité aus grünen Äpfeln, welches mit der oben beschriebenen Tagetes abgeschmeckt wird. Wir lieben diese sehr diverse Zusammenstellung von unterschiedlichen Texturen und hätten gerne noch Nachschlag bestellt.
Sonnenblumenwurzel vom Wolkensteiner Hof
Das zweite Dessert, bei dem Niko sich der Sonnenblumenwurzel voll und ganz widmet, steht sinnbildlich für die hohe Bandbreite eines jeden Gerichts. Dabei verliert er jedoch nie die Balance aus den Augen. Die eher erdigen Aromen kommen vorwiegend von der karamellisierten Wurzel, die im Kontrast zu dem Gel der grünen Sonnenblumentriebe als auch der Nocke Eis steht.
Deren Geschmack erinnert sehr an Sauerampfer, was mir sehr gefiel. Im Sommer gesammelte Mirabellen wurden nach der Ernte in Weißwein eingelegt und bilden auf dem Teller die eher fruchtige Komponente. Für die cremige Textur sorgt eine Nocke von Joghurt und weißer Schokolade. Ein Saft von Mirabelle und Sonnenblumentrieböl schlägt die Brücke und verbindet alles zu purem Genuss.
Fazit des Abends im Restaurant Bonvivant
In der Küche sagt man, wenn etwas sehr gut mundet, dass es rund schmeckt. Dann finden wir es ausgewogen – quasi perfekt. Und so haben wir den Abend im Bonvivant erlebt. Ein rundum runder Abend. Das Menü war so gut, dass wir es fast schon als Randnotiz wahrgenommen hatten, dass wir ein rein vegetarisches Dinner genossen. Dieser Umstand drängt sich im Bonvivant selten so subtil und unscheinbar auf, wie im Bonvivant. Umso besser, wenn der vegetarische Genuss immer öfter als selbstverständlich wahrgenommen wird. Das Gleiche gilt für die sehr alkoholfreie Begleitung. Auch sie lässt keine Wünsche offen.
Ein Besuch im Bonvivant ist nun wohl ein Muss. Von meiner Seite aus kann ich euch eine uneingeschränkte Empfehlung aussprechen.
Funfacts zum Bonvivant
Restaurant: | Bonvivant |
Küchenchef/-in: | Nikodemus Berger |
Auszeichnungen: | ✱ 1 Stern im Guide Michelin 2 Hauben Gault Millau 6 Gusto Pfannen XXX Schlemmer Atlas “Spoons” 90-92 Falstaff “Fork” HH+ Großer Guide |
Adresse: | GOLTZSTR. 32, 10781 BERLIN |
Kontakt: | +49 (176) 6172 2602 | info@bonvivant.berlin |
Datum des Besuchs: | Februar 2024 |