Die neu veröffentlichte deutsche Adaption des Buchtitels „El Celler de Can Roca“ aus dem Fackelträger Verlag ist nun auf den Markt gekommen. Von vornherein kann sicherlich unterstrichen werden: „Nicht zum Nachkochen in einer Otto-Normalverbraucherküche geeignet“. Denn dafür bedarf es allerhand Ausrüstung und viel Know-How. Fürs Letztere liefern die Gebrüder mit diesen 466 Seiten eine sehr umfangreiche Anleitung, die sich in Sachen Innovationskraft und Forscherdrang in jedem Fall mit dem Jahrhundertwerk von Ferran Adria messen kann.
Drei Brüder mit außergewöhnlichen Fähigkeiten
Die drei Brüder, Joan (Chefkoch), Joseph (Maître) und Jordi (Chef Patissier) kann man getrost zu den drei besten Handwerkern in Spanien zählen. Ihre Kreativität ist dermaßen überwältigend, dass sich die Kritiker im Loben gar überschlagen. Einzigartig ist dabei das familiäre Untereinander. Ca. eine Stunde nordöstlich von Barcelona in der kleinen Provinzstadt Girona in Katalonien kann man deren Restaurant „El Celler de Can Roca“ finden.
El Celler de Can Roca ist kein gewöhnliches Kochbuch
Weltweit gibt es nicht viele Küchen, die derart ausgiebig Einfluss auf die hiesige Gastronomie ausüben wie es diese Familie kann. Seit 2010 sind sie mit 3 Sternen im Guide Michelin ausgezeichnet und bereits zweimal (2013, 2015) wurden sie zum weltweit besten Restaurant ausgeschrieben. Was macht sie aber zu solchen Ausnahmetalenten?
„Es ist offensichtlich, dass sich [durch den dritten Stern] etwas ändert, denn wir gehören jetzt zum exklusiven Club der Häuser von herausragendem Niveau, das von vielen Gourmets auf der ganzen Welt anerkannt wird. Die Welt ist groß, und für alle, die dich nicht kennen, ist ein Stern so etwas wie eine ISP- Norm, ein internationales Gütesiegel.“ Joan Roca
Wer das begreifen möchte, ist wohl sehr gut mit der Recherche in diesem Kochbuch beraten. Hier hat man sich die Mühe gemacht, ihren Werdegang ausführlich aufzuarbeiten. Angefangen von Ihrer Kindheit bis hin zu den Lokaleröffnungen samt Planung der Innenausstattung lässt man wenig aus und nimmt sich ebenso ausreichend Raum.
Was die meisten Köche und ambitionierten Tüftler zu Hause wohl interessieren wird, ist die Quelle ihrer Inspiration. Diese teilen die Gebrüder in die sogenannte intrinsische als auch extrinsische Inspiration auf. Es sind zugleich die zwei wesentlichen Hauptkapitel in diesem Buch. Nach dieser sind alle Gerichte in die verschiedenen Unterarten der Eingebungen mit dazu passenden Gerichten unterfüttert.
Extrinsische Inspiration
- Tradition
- Erinnerung
- Akademische Kunst
- Produkt
- Landschaft
- Wein
- Chromatismo
- Süße
- Nonkonformität
- Parfum
- Innovation
Intrinsische Inspiration
- Poesie
- Freiheit
- Mut
- Magie
- Sinn für Humor
So stehen für Tradition Gerichte mit Produkten ihrer Region mit Rezepten, die sie im Laufe ihres Lebens gesammelt haben. Beispielhaft dafür steht eine Neuinterpretation der „Brandada de Bacalao“, welche sie zuerst 1980 im Restaurant „Bahia“ in Tossa genossen hatten. Die Modernität bei der Zubereitung des Stockfisches beeindruckte sie damals sehr.
Die folgenden Gerichte mit ihrer ursprünglichen Herkunft werden ebenfalls in einem kurzen Dreizeiler beschrieben. Im Gegensatz dazu ist man natürlich viel ausführlicher bei der Darstellung der Zubereitung. Hier untergliedert sich jede Speise in ihre Komponenten und derer Herstellung.
Die Feigen mit Foie Gras sind so in fünf Einzelrezepte zzgl. dem „Fertigstellen und Anrichten“ aufgeführt. Wie oben bereits erwähnt braucht man sich hinsichtlich des Equipments nicht der Illusion hingeben, dies sei so ohne Weiteres zu Hause zuzubereiten es sei denn man hat folgende Gerätschaften zur Hand:
Was man dafür braucht.
Sous Vide Garer
Stabmixer
Passiertuch
Eine umfassende Palette an Texturas wie zum Beispiel Agar-Agar, Xanthan, Iota-Carrageen, Calciumgluconolactat, Kappa- Carrageen, Calciumchlorid, Alginat, Kudzu- Verdickungsmittel, Glucosepulver, Phytoplanktonpulver
Invertzucker
Isomalt
Albuminpulver
Speiseglycerin
Dextrose
Flüssiger Stickstoff
Viele Dinge, welche nicht so als alltägliche Ingredienz durchgehen würde, kommen zum Einsatz. Es ist aber natürlich auch keine alltägliche Küche, ganz im Gegenteil. Die kulinarische Aufarbeitung dieser Impressionen sind genau genommen das, was so viele Köche Tag für Tag erledigen. Doch der auf diesen Seiten gezeigte Ideenreichtum ist schier unglaublich.
Ein Fußballspieler namens Messi als Inspirator
Lionel Messi, der berühmte spanische Fußballspieler wurde zum Beispiel aufs Korn genommen. Im Kapitel „Sinn für Humor“ wird die leichte und gewandte Spielweise dieses Talents mittels zitroniger Frische sowie einer Wolke aus Veilchen-Zucker dargestellt. So ergibt sich in der geschmacklichen Ebene ein Akkord aus Passionsfrucht mit Zitrone und Veilchen. Viel schöner kann man ein Kompliment an die Einzigartigkeit eines Fußballspielers kaum verpacken.
Parfum kommt auf den Teller
Doch am Spannendsten finde ich mit Abstand die Parfumabteilung. Ausgewählte Düfte geschmacklich darzustellen haben sich die drei zur Aufgabe gemacht. Es geht um das essbare Parfum.
„Dabei geht es darum, den Prozess der Synthese, der Akkumulation von Materie in einem einzigen Tropfen umzukehren. Stattdessen wird das Geheimnis aufgedeckt, sichtbar gemacht, damit etwas Greifbares entsteht. Das Parfum, das Konzentrat, zeigt in jedem Gericht seine Einzelteile, seine Ursprünge. Und nun das Wunder: In diesem Rekonstruktionsprozess geht die Synthese nicht verloren, sondern wird sogar noch verstärkt. Die Atmosphäre verdichtet sich, die einzelnen Puzzleteile ergeben zusammen das, was in einem Tropfen Parfum enthalten ist.“
25 verschiedene essbare Düfte
Deren erstes umgesetzte Parfum war „Eternity“ von Calvin Klein. Dort wurden die einzelnen Noten herausgearbeitet. Die Herausforderung bestand dabei für sie, inwiefern man überhaupt exakt die Übersetzung des Dufts in ein Geschmacksbild schaffen kann. Am Ende kam für sie die Erkenntnis, dass es prinzipiell bei der Sensorik des Schmeckens immer nur eine Annäherung, eine Andeutung, an den tatsächlichen Duft sein kann.
Trésor, Eternity und Polo Sport Woman
Es wird durch Jordi immer nur versucht eine Art vergängliche Adaption nicht in Form von Düften sondern mittels essbarer Materialien der ausgewählten Parfums zu schaffen. Bisher schuf er so über 25 verschiedene essbare Düfte, wie zum Beispiel „Trésor“ und „Mircacle“ von Lancôme, „Polo Sport Woman“ von Ralph Lauren, „L`eau d`Issey“ von Issey Miyake oder „Envy“ von Gucci.
Die Bilder der Parfum-Desserts sind besonders anschaulich.
Überhaupt ist diese Fotografie sehr hochwertig. Sie ist sehr exakt, aufs Wesentliche reduziert und lenkt nicht im Geringsten von den Gerichten ab. Mir gefällt das sehr.
Fazit
Für wen ist dieses Buch nun eigentlich gedacht? Ich denke, auch wenn hier die Darstellung und Umsetzung der Speisen immer höchst professionell von statten geht, so ist es beileibe nicht nur ein Buch für den Profi. Bereits der Werdegang eines Gerichts kann dem Laien bereits viele Erkenntnisse für den eigenen Umgang zu diesem Thema geben. Für mich ist es sicherlich ein Buch, welches immer wieder faszinieren wird.
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Gerade mit Blick auf die hier veröffentlichten Gänge, die bereits vor vielen Jahren ihre Geburtsstunde hatten und somit als wegweisend bezeichnet werden müssen, kann man das Genie eines jeden dieser drei Rocas kaum überschätzen. „El Celler de Can Roca“ wird als ein Ausnahmekochbuch einen Platz in meiner Kochbuchecke einnehmen.