Das Cookies Cream ist schon seit längerer Zeit eine Instanz, wenn es darum geht, fleischlosen Genuss aufs Porzellan zu bringen. 2018 war es das erste vegetarische Restaurant Deutschlands, das mit einem Stern im Guide Michelin ausgezeichnet wurde. Zu diesem Zeitpunkt war es bereits 10 Jahre als Adresse für gehobene Küche bekannt. Damals zeichnete sich noch Küchenchef Stephan Hentschel für die Kulinarik verantwortlich. Nach insgesamt 15 Jahren hat er sich 2023 dafür entschieden, sich neuen Projekten zu widmen. Seitdem ist Nicholas Hahn der neue Küchenchef. Unter ihm soll das Thema Nachhaltigkeit noch stärker beachtet und umgesetzt werden. Ich habe mir das neue Menü genauer angeschaut.
Cookies Cream – Vegetarische Sternstunden
Dieses Restaurant steht für eine der besten Küchen der Stadt. Vor dem Genuss muss der Gast vor dem das Restaurant zuerst jedoch noch finden. Denn der Weg dorthin führt durch die Hintergasse des Westin Grand Berlin, bei dem man sich erst an Mülltonnen und Abluftanlagen vorbeischlängeln muss. Wir waren beim ersten Anlauf irritiert – die grün gepunktete Linie am Boden gibt jedoch Sicherheit.
Nachhaltigkeit und Saisonalität im Fokus
Das neue Cookies Cream mit dem Küchenchef Nicholas Hahn steht für ein Mehr an Nachhaltigkeit und Saisonalität. Beispielhaft dafür steht der Anbau von eigenem, saisonalem Gemüse im Brandenburger Krielow, während in den Wintermonaten das Team mit fermentierten Winterwurzeln und Produkten aus biologischem Anbau überbrückt.
Nicholas kann auf eine Erfahrung von mehr als 23 Jahren in der Gastronomie zurückblicken. Seine Art zu Kochen liegt unter anderem, und das ist sehr leicht zu erkennen, in kunstvoll angerichteten Speisen, die dem Team auf der letzten Meile beim Anrichten eine Menge Handgriffe abverlangen.
Amuse Bouche: Onsen Ei & Kaviar
Das sieht man bereits beim Amuse Bouche, bei dem goldene Eierschalen eine Füllung aus Onsen Ei, Crème fraîche, Sauerteig-Croutons und Algen Kaviar enthalten. Knusprig, cremig, salzig – das wäre der sensorische Dreiklang, der sich im Mund wohlwollend entfaltet.
Kohlrabi, Erbse und Tomate
Der erste Gang des Menüs mit dem Namen „Die glorreichen 7“ ist ein sehr filigran angerichtetes Gericht, bei dem zwei Rollen aus Kohlrabischeiben unterschiedlich gefüllt sind. Auf der einen Seite besteht der Kern aus angemachten Tomaten des Vorjahres, während die zweite Version aus einer Kohlrabimasse zubereitet ist. Am Tisch wird vom Service noch ein knackiges Erbsenragout mit Buttermilchvinaigrette samt Basilikum und Minze mittig platziert.
Das Zusammenspiel des Kohlrabis mit den Tomaten und der säuerlich angemachten Erbsen wird durch die handverlesenen Kräuter, die auf beiden Rollen thronen, noch komplettiert. Ein herrlicher Start, wie wir finden.
Paprika, Jalapeño, Kapern
Bei jedem Menü gibt es ja den einen Gang, der besonders hervorsticht. Rückblickend auf dieses Erlebnis im Cookies Cream kann ich sagen, dass mir besonders diese Hommage an die Paprika sehr gefallen hat. Was recht unspektakulär aussieht, entpuppt sich als eine sehr komplexe Darbietung. Als Sockel richtet Nicholas ein Paprikatatar von geschmorter und getrockneter Paprika an. Bei der Marinade geht er mit Zutaten wie Ketchup, Senf, Schnittlauch, Salz, Pfeffer und Schalotte recht klassisch nach der Vorlage aus der Fleischwelt vor.
Auf dem Tatar sitzt eine Sorbetnocke von geschmorter Paprika mit einem knusprigen Paprikachip, der mit Puder von getrockneter Paprikahaut bestäubt wurde. Final wird es am Tisch noch mit einem tiefroten Sud aus Jalapeño und Paprika angegossen. Dieses Paprikaensemble ist feurig, rauchig und schafft mit dem cremigen Eis und dem knusprigen Chip eine Komplexität, die einfach nur Freude bereitet. Das ist ein Gang, dessen Genuss den Nachbestellreflex bei mir auslöst. Mehr davon!
Spargelessenz, Bärlauch, Blüten
Rein optisch setzt Nicholas die Protagonisten der jeweiligen Gerichte äußerst beeindruckend in Szene. Das passiert unter anderem mit vielen Elementen, unterschiedlichsten Farbkontrasten oder etwa auch Darbietungen von Produkten, deren Anblick so kaum noch an das Grundprodukt erinnern lässt. Das trifft zum Beispiel bei der Spargelessenz zu, deren Hauptdarsteller in seiner gefächerten Form kaum wiederzuerkennen ist. Auf ihm richtet er eine Blütenvariation an. Auch hier wird am Tisch die Essenz aus reinem Spargelsaft mit Bärlauchöl angegossen.
Zusätzlich wird die vegane Kaltschale noch mit Tropfen von Tomaten- und Safranöl abgerundet. Und wieder muss ich für die Beschreibung dieser Speise den Superlativ bemühen. Es ist und bleibt vermutlich mein Spargelgericht des Jahres. Die Essenz ist Spargel pur und kommt ohne zusätzliche Zugabe von Wasser aus. Was übrig bleibt, ist purer Spargelgeschmack, der mit den Nuancen von mildem Bärlauch genau meinen Geschmack trifft. Solltet ihr also diese Spargelsaison noch nutzen wollen, um die intensive Spargelessenz von Nicholas genießen zu können, müsst ihr schnell sein.
Spitzkohl, Koshihikari Reis, Krause Glucke
„Dopamin zum Löffeln“ könnte der Titel für den nächsten Streich von Nicholas sein. Wenn du dich ein wenig mit Nahrungsmitteln beschäftigt hast, wirst du längst wissen, dass wir alle knusprigen Lebensmittel lieben. Ein Cracker oder eine knusprige Pommes Frites wirkt bei uns beruhigend und sorgt manchmal sogar für eine Dopaminausschüttung, die uns wiederum Glücksgefühle beschert.
Im Cookies Cream ist die Ursache allen Glücks eine knusprige Krause Glucke, der laut Speisekarte nur eine Nebenrolle zuteilwird. Der Hauptdarsteller liegt unter dem ausgebackenen Pilz. Dort liegt eine Rolle von fermentiertem Spitzkohl, der mit Koshihikari Reis gefüllt ist.
Die Brücke zwischen dem mit einem würzigen Hefe-Kimchi-Pulver bestäubten Pilz und der Spitzkohlrolle schlägt die grasgrüne Frühlingslauch Beurre Blanc. Was mein Gegenüber am Tisch mit einem überzeugten „Hmmmmm“ erwidert, möchte ich euch als eine maximale Knusprigkeit beschreiben. Auch in diesem Gericht wird sehr gekonnt mit den unterschiedlichen Texturen gespielt.
Sellerie, Macadamia, Yuzu
Umami is your best friend. Insbesondere bei vegetarischen oder veganen Restaurantkonzepten suchen die Küchenchefs sehr häufig unter den Gemüsesorten gerne einen Vertreter, der den Fleischgeschmack in sich trägt. Dieser findet sich vor allen Dingen in Tomaten, Pilzen, Karotten, Zwiebeln, Kartoffeln, grünen Bohnen und eben dem Sellerie. Genau dieser wurde im Ganzen gebacken und mit einer Macadamiasauce und schwarzem Sesam umhüllt. Daneben gesellt sich eine Nocke Blutorangen-Yuzu-Chutney, Zitronenschalencreme und eine sehr geschmeidige Selleriecreme mit Raucharoma.
Der sehr dekorative Selleriechip in Blattform rundet das Ensemble der 50 Shades of Celery ab. Mir gefällt der in sich sehr intensive Umamigeschmack, der mit den Säurespitzen der Zitrone bzw. Blutorange in sich sehr stimmig wirkt. Kann man eigentlich einen zweiten Gang zum Lieblingsgang ernennen?
Morchel, Kartoffel, Trüffel
Wenn ich neben dem Trüffel einen Pilz liebe, dann ist es die Morchel. Sie hat einen für mich unnachahmlichen, erdigen Geschmack. Zudem sieht sie in ihrer Form sehr majestätisch aus. Im Cookies Cream gibt man der Morchel beim derzeitigen Hauptgang die große Bühne. Sie wird hier mit Kartoffelcreme gefüllt und anschließend gedämpft. Neben zwei recht großdimensionierten Prachtexemplaren richtet Nicholas einen Kartoffel-Gnoccho an. Dieser ist mit einer Parmesancreme gefüllt. Gegenüber des Gnoccho setzt er eine Trüffelcreme.
Die mittig angerichtete Trüffeljus aus geschmortem Gemüse und schwarzem Trüffel ist zum Niederknien und legt sich elegant über jede Beilage. Wenngleich ich großer Fan von angebratenen Morcheln bin, kann mich diese gedämpfte Version schnell überzeugen.
Mandel, Rhabarber, Kokos
Das vegane Dessert zeigt eine dreifache Deklination der Mandel, die in Form von Eis, einer Creme und Mandelschnee gezeigt wird. Dazwischen sitzt mit Kefir-Zitrone reduzierter Rhabarber und eine Kokosnusscreme. Diese Nachspeise ist bis zum Aufguss des roten Rhabarbersuds ein Ton-in-Ton gehaltenes Gericht, das einen herrlichen Abschluss eines gelungenen Menüs darstellt.
Zwetschge, Kokos, Shiso
Nach dem Motto „Unverhofft kommt oft“ baute uns das Team ein Extra-Dessert mit ein. Wir wurden mit einem Signature Dish aus der Klassikerkarte überrascht. Die Rede ist von einer mit Amazake und weißer Schokolade gefüllten Zwetschge. Dazu gibt es ein passendes Zwetschgensorbet mit Shiso. Live wird am Tisch noch ein Zwetschgensud mit Kirschkernöl aufgegossen. Dies ist bereits schon wegen der besonderen Zwetschgenkonsistenz ein besonderer Gang.
Die Zwetschgen werden dafür mit Kern in ein Kalksteinbad gelegt, woraufhin sich eine zweite Haut bildet. Danach werden diese Früchte für mehrere Stunden in Pflaumensaft und Pflaumenkerngeist gekocht. Aufgrund der Behandlung vorab zerfallen die Früchte nicht. So entsteht ein Dessert mit Seltenheitswert, das durch die unterschiedlichen Foodpairings uns auch später noch in Erinnerung bleiben wird. Die wohl dosierten Elemente fügen sich zu einem sehr gut proportionierten Gang zusammen, der einfach nur gefällt. Die Teller wirken allesamt nie überladen, sondern sind sehr gut durchdacht und umgesetzt. Nicholas weiß, was er kann, und will nie zu viel.
Exzellente Weinbegleitung und alkoholfreie Alternativen
Was uns noch viel mehr in Erinnerung bleiben wird, ist der exzellente Service, der im Cookies Cream vor allen Dingen angenehm locker, aber nicht nachlässig ist. Jeder einzelne Servicemitarbeiter war auf seine Weise sehr aufmerksam und vorausschauend.
Die Weine, die im Übrigen sensationell von Sommelier Jan Wienecke zusammengestellt und vom Team um Anne Cremer (Restaurant Manager) und Camille Darroux (Sommelier-Assistentin) vorgestellt wurden, hat uns der Service auf sehr charmante Art und Weise näher gebracht. Da ich mich für die alkoholfreien Getränke entschied, gab es auch dafür jede Menge interessante Infos zu den größtenteils selbst hergestellten Getränken.
Fazit des Besuchs im Cookies Cream
Das Konzept, des Cookies Cream, das mit Nicholas Hahn nun einen neuen Einschlag erfahren hat, gefällt mir sehr gut. Er lässt vor allen Dingen das Produkt sprechen, dessen natürlicher Geschmack durch sein präzises Handwerk enorm unterstützt oder gar verstärkt wird. Insgesamt ist das Cookies Cream mit dem kulinarischen Einfluss ein Stück weit auf dem Weg, eine neue Facette zu erhalten, unterscheidet sich doch seine Küche wesentlich von der bisherigen. Mir gefällt insbesondere der nach wie vor sehr reduzierte Ansatz, bei den Speisen und den Ansatz, die einzelnen Gerichte nicht einer Materialschlacht ausarten zu lassen.
Nicholas fokussiert sich auf das Wesentliche und reduziert gekonnt. Dabei herrscht im Service eine stets entspannte Atmosphäre, wenn man dem Küchenteam beim Kochen und Anrichten zuschaut. Das Restaurant ist an diesem Donnerstagabend fast vollständig ausgebucht und das Publikum ist ziemlich heterogen, was sehr für dieses Restaurant spricht. Ich war heute ganz gewiss nicht zum letzten Mal zu Besuch.
Funfacts zum Cookies Cream
Restaurant: | Cookies Cream |
Küchenchef/-in: | Nicholas Patrick Hahn |
Auszeichnungen: | 1 Stern Guide Michelin 3 Hauben Gault Millau 6+ Gusto Pfannen XXX Schlemmer Atlas “Spoons” FFF FEINSCHMECKER 88-89 Falstaff “Fork” HHH+ Großer Guide |
Adresse: | Behrenstraße 55 | 10115 Berlin |
Kontakt: | +49 30 680 730 448 | cream@cookiescream.com |
Datum des Besuchs: | April 2024 |