Dieses Restaurant bildet in einem Jahr die größtmögliche Vielfalt an mannigfaltigen Kochphilosophien ab, die man sich nur vorstellen kann. Das Team um Eckart Witzigmann und Martin Klein luden sich nun schon zum 13. Male in den vergangen 12 Monaten aus 5 unterschiedlichen Kontinenten insgesamt 11 Gastköche ins eigene Restaurant Ikarus im Hangar-7 in Salzburg ein. Das Konzept ist jedes Mal das gleiche. Präsentiert wird ein großes Menü, welchem vorab noch mindestens 4 verschiedene Amuse bouches gereicht wird. Auch wird der Gast noch hinterher mit wunderbar aufgemachten Petit fours, quasi als Reiseproviant, ausgestattet. Hier wird es an nichts fehlen.
„Die Weltköche zu Gast im Ikarus“
Martin Klein
Photographie: Helge Kirchberger
Pantauro
2015, Salzburg
312 S., gebunden, 49,95 €
ISBN: 978-3-7105-0007-7
Dass dieses Vorhaben nicht allzu schnell langweilig wird, ist garantiert. Für die individuelle Gestaltung des monatlichen Angebotes sorgen die von E. Witzigmann und M. Klein ausgesuchten Starköche, die zudem aus allen Ecken dieser Welt eingeflogen werden. In der Saison von 2014/15 luden sie sich folgende Talente ein:
Kobe Desramaults • „In de Wulf“ • Heuvelland – Belgien
Hans Neuner • „Vila Vita Parc, Restaurant Ocean“ • Porches – Portugal
Virgilio Martínez • „Central Restaurante“ • Lima – Peru
Vineet Bhatia • „Rasoi Restaurant“ • London – England
Gert de Mangeleer • „Restaurant Hertog Jan“ • Zedelgem – Belgien
Harald Wohlfahrt • „Schwarzwaldstube, Hotel Traube Tonbach“ • Baiersbronn – Deutschland
Tomislav Gretić • “Hotel Monte Mulini, Wine Vault Restaurant“ • Rovinj – Kroatien
Esben Holmboe Bang • „Maaemo“ • Oslo – Norwegen
Luke Dale- Roberts • „The Test Kitchen“ • Kapstadt – Südafrika
Ben Greeno • „Momofuku Seiōbo” • Sydney – Australien
Richard van Oostenbrugge • “De L`Europe, Bord´Eau“ • Amsterdam – Niederlande
Christopher Kostow • „The Restaurant at Meadowood“ • Napa Valley – USA
Dieses Line-up versprach schon so einiges. Für die Organisatoren und alle Beteiligten war das vergangene Jahr wieder ein voller Erfolg, der nicht zuletzt auch mit einem zweiten Band in der Reihe „Die Weltköche zu Gast im Ikarus“ eine angemessene Würdigung findet. Wieder erschien es im Pantauro- Verlag und wirkt auf den ersten Blick abermals genauso erhaben wie der Vorgänger. Dieser Eindruck sollte auch nicht enttäuscht werden, ganz im Gegenteil.
Im einleitenden Vorwort von Eckart Witzigmann selbst, wird der Leser auf diesen einzigartigen Ort eingestimmt. Dietrich Mateschitz, der Mitbegründer von Red Bull, bietet hier Jahr für Jahr den Köchen die Bühne auf der sie ihr Menü inszenieren können. Die Bedingungen sind derart optimal, dass man sich es als normaler Koch kaum vorstellen kann. Sei es die Technik, das Porzellan oder eben auch die personelle Unterstützung. Kein Wunsch wird dem Gastkoch hier unerfüllt bleiben. In den vergangenen Monaten gab es auch Trends, die sich bei allen Köchen mehr in den Vordergrund gespielt haben. So lagen diese auf jeden Fall im Bereich des Räucherns als auch der Zubereitungsform des Fermentierens.
Bevor die Köche im Hangar-7 einkehren, besucht Martin Klein sie direkt in ihrem eigenen Restaurant, um so sich besser in deren Kochphilosophie hineinzuversetzen zu können. Erst danach wird der jeweilige Gastkoch für drei Tage in Salzburg einkehren, um am ersten Tag die Vorbereitungen zu vollenden und um anschließend zwei Service im Restaurant Ikarus zu begleiten. Die restlichen Zeit bis zum nächsten Weltkoch wird das Team um Martin Klein in eigener Verantwortung aber dennoch mit der höchsten Präzision schicken. Für Eckart Witzigmann gibt es für dieses gesamte Unternehmen, welches der absoluten Perfektion unterworfen ist, nur einen Ausdruck. Das Hangar-7 ist für ihn das „Opernhaus für die großen Köche der Welt“ und damit hat er nicht zu hochgestapelt, wie mir die folgenden Seiten zeigen mögen.
“Große Oper am Salzburger Flughafen”
Dort findet man zu jedem aufgeführten Protagonisten ein sehr persönliches und visuell sehr ansprechend aufgemachtes Kurzporträt samt Menübesprechung. Der Koch wird samt Restaurant vorgestellt, das Menü und dessen Aufbau erklärt. Signifikante Zitate und Statements zu gastronomischen Themen schließen dieses Bild ab und leiten nahtlos zum Menü über. Die Appetitanreger werden ebenso wie die anschließenden Gänge mit einem Rezept und dem Abbild des Ganges gezeigt.
Sofort fällt einem beim Blättern wieder die absolut spitzenmäßige Fotografie auf, welche so präzise und farbenfroh wie immer aber dennoch irgendwie lebendiger als in den vergangenen Jahren wirkt. Das liegt mitunter vermutlich daran, dass man anstelle der üblichen glatten und steril wirkenden Unterlage, dieses mal auf Strukturen setzt. So kommt bei dem Menü von Kobe Desramault jeder Teller auf einen Heuhaufen. Hans Neuner, ein Küchenchef aus Portugal, zeigt sein angerichtetes Porzellan auf einem Sandstrand, so dass einem fast die Urlaubsstimmung wieder aufkommt. Eine sehr aberwitzige Idee, vor allen Dingen beim Menü von Ben Greeno, das gänzlich auf Wasser angerichtet ist.
Die Rezepte sind dabei stets übersichtlich und selbsterklärend aufgebaut. Die hier aufspielenden Köche geben sich aber auch in Sachen Technik nicht die Blöße. Hier wird alles ausgereizt. Der Pacojet gehört wie die Isi- Flasche oder der Vakuumierer zum Standardrepertoire. Besser ist es auch, wenn man vielleicht eine kleine Räucherkammer, Thermomix oder einen Dörrofen sein eigen nennt. Man kann natürlich hier und da improvisieren.
Ebenso dürfte natürlich das ein oder andere Produkt schwer zu besorgen sein, ganz unabhängig davon ob es sich auf der einen Seite um die Kaufkraft (Trüffel, Wachtel, Jakobsmuschel) oder zum anderen die regionale Verfügbarkeit (Isco- Kartoffeln, Algarrobina- Sirup, Mangalika- Schwein) dreht. Aber darum geht es auch sicherlich nicht. Das Buch ist ein wunderbarer Rückblick über die verschiedenen hochklassigen und einzigartigen Menüs, welche im vergangenen Jahr Tag für Tag immer wieder mit höchster Hingabe offeriert worden sind und obendrein schafft es mit seiner kraftvollen Bildsprache Raum für eigene neue Ideen, die auf den hier gezeigten Kompositionen, welche obendrein komplett durch rezeptiert sind, aufbauen.
Neben den Gerichten wird noch ein typischer Tagesablauf in der Ikarus- Küche detailliert protokolliert. Diese Sichtweise stellt noch einmal sehr veranschaulichend dar, unter welcher Belastung doch das Team im Service und in der Küche stehen.
Sie sehen gerade einen Platzhalterinhalt von Standard. Um auf den eigentlichen Inhalt zuzugreifen, klicken Sie auf den Button unten. Bitte beachten Sie, dass dabei Daten an Drittanbieter weitergegeben werden.
Fazit
Die meisten dieser Rezepte gelingen sicherlich nur mit viel Erfahrung oder großem Sachverstand. Würde man aber ein Kochbuch herausbringen, welches die meisten Leser nachkochen könnten, wäre es wohl sehr beliebig geworden. So aber ist es für mich ein Meilenstein in meiner Kochbuchsammlung, welches mit Sicherheit sehr oft aus dem Regal gezogen wird. Für jeden Profi ein absolutes „Must have“, jedem ambitionierten Herdkünstler am heimischen Gerät würde ich dieses Buch ebenso wärmstens empfehlen. Gerade der für meine Begriffe unschlagbare Preis, welcher die Wertigkeit des Inhaltes in keinster Weise widerspiegelt, ist ein Kaufargument.