Ich hasse mich schon jetzt für jedes Eselsohr, jede noch so kleine Ecke oder Makel, die ich diesem Buch einmal aus Unachtsamkeit antun werde. Ganz sicher werde ich damit auch nicht an den Herd gehen um munter aus dem Buch zu kochen. Es werden also die Stoffhandschuhe gezückt…
„Quay – natured based cuisine“
Peter Gilmore
Gestaltung: Murdoch Books Pty Limited
Fotografie: Anson Smart
Matthaes Verlags GmbH, 2012
288 Seiten, gebunden, 69,90 EUR
ISBN: 978-3-87515-063-6
Dieses Buch ist mir schon bei dessen Originalversion in englischer Sprache aufgefallen. Es ist für mich derzeit das Werk, welches den Stil „organic food“ am besten darstellt und dabei sogar ungeahnte Standards setzt. Hier werden die Produkte Australiens mit den kreativ – genialen Kombinationen von Peter Gilmore gekreuzt und dies ergibt fast eine Art des Kochens „wie von einem anderen Stern“. Teilweise nicht wieder zu erkennende Zutaten, aber dennoch einfach in den einzelnen Schritten der Herstellung.
Um den Werdegang eines solchen Herdhelden zu verstehen, teilt P. Gilmore dem Leser zu Anfang mit, wie er den Weg bis zu seinem aktuellen Restaurant, welches den gleichen Namen, wie das Buch hat. „Quay“.
Auch für ihn bildet das klassische Basiswissen das Fundament für seine „natured- based cuisine“, welche für ihn bedeutet, dass Freiheit beim Kochen darin besteht, sich nicht an Traditionen und festen Vorstellungen festzuhalten zu müssen um somit die maximale Bandbreite an möglichen Kombinationen und Kreationen zu erreichen. Begleitet wird seine Einleitung mit einem Vorwort von keinem Geringeren als Thomas Keller, Chefkoch des legendären „Per Se“ in New York und „The French Laundry“ in Kalifornien.
Viele Köche verschreiben sich ja dem aktuellen Trend des „organic food“, was immer das auch für jeden Einzelnen heißen mag. Bei ihm habe ich schon allein wegen der Bilder und dem Stil, den er durch die Anrichteweise der entsprechenden Produkte offenbart, das Gefühl, er verstehe das Gleiche darunter, wie ich. Eine möglichst naturbelassene, unaufgesetzte & harmonische Art des Kochens. Eine der ersten Vorspeisen ist gleich ein sehr geeignetes Beispiel hierfür.
Verschiedenste Tomatensorten, dessen Name mir teilweise noch nicht bekannt waren, paart er mit Ziegenkäse & Schafsmilchjoghurt, ligurischen Oliven und Kräutern auf höchst italienische Art und macht zudem sofort begreiflich, dass er sich nicht nur auf die Traditionen seiner eigenen Insel beschränkt.
Die Gerichte lesen sich zudem alle sehr simpel und geben das Gefühl, als wären diese sehr leicht reproduzierbar. So sind hier zudem Salate aus dem Bereich „Garten“ rezeptiert, welche sich so lesen: „Weißer Spargel, Frischkäse mit Comté aromatisiert, geröstete Haselnüsse und Kräuterblüten“ oder „Gartenerbsen, Trüffelcrème, Consommé mit Trüffeln und ziegelroten Schwefelkopf“.
Mit Sicherheit kommt man hier und da als Europäer an die Grenzen des Besorgbaren, wenn man im nachfolgenden Kapitel namens „Das Meer“ liest, dass zur Zubereitungen Abalonen, Mangrovenkrabben, Tiefseeskallops oder Murray- Dorsch eingekauft werden muss. Doch das soll die Laune nicht trüben, es finden sich trotzdem allerhand realisierbare Zusammenstellungen, und P. Gilmore merkte zudem nicht ohne Grund zu Anfang an, dass man die Gerichte nach seinem eigenen Gusto zusammenstellen und frei kombinieren kann.
„Das Land“ verblüfft erwartungsgemäß mit Speisen vom Milchlamm, Wagyu Rindern oder Schweinebacken. Was bei anderen Kochkünstlern dann und wann auf der Strecke bleibt, ist aufgrund der tollen Foodaufnahmen und natürlich wegen der gelungenen Präsentation durchgehend sehr appetitanregend, so dass das Buch schnell den Antrieb erweckt mit dem Kochen loslegen zu wollen. Es wirkt bei jedem Gericht so, als sei es wirklich „yummie“, und das will was heißen.
Zuletzt erhebt P. Gilmore den Leser dann in den kulinarischen „Himmel“ und offeriert seine Desserts überaus ansehnlich. Seinem bombastischen „Schokoladendessert mit acht Texturen“ widmet er gleich 6 Seiten. 3 davon nur mit herrlichen Großaufnahmen. 15 Jahre hat dieses Dessert schon auf dem Buckel und das ist wohl eines seiner „Signature Dishes“, welche für jeden Koch, der Wert auf Wiedererkennung legt, unverzichtbar sind.
Kommen wir nun zu einem mir nicht unwichtigen Punkt, der Haptik und Food Fotografie. Dass die Bilder, geschossen vom Fotografen Anson Smart keinen Grund zur Beanstandung lassen, bestätigt ja allein schon der Umstand, dass einem ständig das Wasser im Munde zusammen läuft. Hat man das Buch ein paar Seiten geblättert, zeigen sich einige kleine Details, die man so sehr selten vorfindet. Das Buch hebt sich durch den Einsatz von einigen eingebundenen Pergamentseiten verschiedener Stärke ab. Sehr individuell und stimmig. Auch die Typographie fügt sich dem vorgegebenen Konzept und lenkt nicht zu sehr von den fantastischen Fotos ab.
Kürzlich fand ich im Portal Nowness ein wunderbares Beispiel, bei dem man sehen kann, wie aufwendig aber auch natürlich am Ende seine Teller anmuten.
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Peter Gilmore: Coral Garden on Nowness.com.
Dieses in allen Belangen hochwertige Buch darf einfach nicht im Regal des „ambitionierten Hobbykochs“ fehlen, es ist mit Sicherheit Quelle für viele Inspirationen und wird dann wahrscheinlich nicht nur zum Kochen herausgeholt.
Quellenangaben:
Copyright sämtlicher Bilder: Anson Smart
Video: www.nowness.com
Hinweis der Redaktion
Ein Teil der besprochenen Produkte wurden von Unternehmen zu Testzwecken zur Verfügung gestellt.
Der Bericht hat mich wirklich neugierig gemacht, ich denke das Buch muss ich auch haben. Danke für die Besprechung.
Ich hoffe, Dein Exemplar ist bald bei Dir und Du kannst die Diskussion weiterführen, ob man das Buch lieber mit der Pinzette anfässt oder es auch mal einen Fettspritzer neben dem Herd abbekommen darf. Ich bin mit da nicht so sicher!
Am liebsten würd ich mich jetzt in einen Flieger gen Sydney setzen…
Da wäre ich gern dabei. Sowas mal live zu erleben und das in dieser Stadt von Welt…