Klaus Erfort: Drei Sterne - Zu Hause
55Pros
- Zwei Themenkomplexe unterschiedlicher Art
- Der Teil der Sterneküche überzeugt
- gute Qualität bei der Verarbeitung
- nützliche Lesebänder
- klasse Design und Textgestaltung
Contras
- Rezept- bzw. Fotozuordnung irritierend
- wenig Dessertrezepte
- teilweise hinter den Erwartungen bei den Rezepten
- der Teil Erfort@home überzeugt nur teilweise
Erneut erreicht uns ein Kochbuch der Eliteköche. Dieses Mal ist es Klaus Erfort, welcher sich der Leserschaft nähert, indem er Küche aus seinem 3-Sterne Restaurant als auch die Küche für Zu Hause in seinem Werk vereint. Ein Schritt, der sicherlich der Sache geschuldet ist, dass die großen Sterneköche mehr und mehr in der Kochbuchlandschaft verschwinden und dem Casual Dining Platz einräumen müssen. Wie dieses Buch auf mich wirkt und ob Klaus Erfort der große Wurf gelungen ist, erfahrt Ihr in dieser Review.
Fine Dining vs. Cooking @home
Die Zeit in der pro Jahr zig Kochbücher von den Sterneköchen hierzulande veröffentlicht werden ist längst vorbei. Dieser Markt hat sich zum Risikogeschäft für die Herausgeber entwickelt. Denn die Leserschaft, welche sich Kochbücher mit Rezepten zulegt, die zu Hause mitunter kaum realisierbar sind, weil zum einen die benötigten Zutaten à la Hummer, Gänseleber, Langustinen oder Wagyu Beef nicht eben mal um die Ecke angeboten werden, wurde immer kleiner.
Derartige Kochbücher von Spitzenköchen aus Deutschland wurden oft nicht mehr als 4.000- 6.000 mal verkauft bzw. überhaupt produziert. Vergleicht man diese Druckerzeugnisse mit denen eines Jamie Oliver, der rasch auf eine Auflage von 100.000 und mehr pro Buch kommt, muss man kein Mathematiker sein, um zu erkennen, wo sich der Aufwand mehr lohnt. Kochbücher deutscher Spitzenköche kann man häufig nur im deutschsprachigen Raum verkaufen, im Gegensatz zu Titeln à la Jamie, da er nun mal ein sehr prominenter Zeitgenosse ist und sich sein Image entsprechend aufgebaut hat.
Deutsche Köche haben es da schwer, einen Verlag zu finden und müssen zumeist selbst einen beträchtlichen Teil der Auflage vom Verlag abkaufen und eingenständig für den Vertrieb sorgen, um das Risiko für den Verlag zu minimieren.
Warum ist das so?
Weil viele Gastronomen leider das Storytelling nicht so gut beherrschen, bzw. mehr Wert darauf legen, sich über ausgefeilte und komplexe Gerichte und angewandte Techniken zu definieren. Mein Eindruck ist, dass sich immer noch zu viele Meister ihres Fachs einer Art „Show off“ ihres Könnens hingeben als endlich mal ein großartiges und auch brauchbares Kochbuch für den Mainstream hinzulegen.
Eine derartige Nische wird von aktuellen Sterneköchen meinem Empfinden nach kaum besetzt. Stattdessen gibt es eine Materialschlacht auf dem Teller, welche den Leser vermutlich verblufft und erstaunt zurücklässt aber leider nichts über den Werdegang, die Inspiration oder gar Hintergrundgeschichten/ Anekdoten zu der Arbeit offenbaren.
Eine Ausnahme dabei ist Tim Raue, dessen Kochbuch zum Teil schon fast wie eine Autobiographie aufgebaut ist und sich so gar nicht, wie ein klassisches Kochbuch liest. Es ist für mich eine sehr gelungene Umsetzung, wie man sich dem Kochbuchbegeisterten näheren kann.
Was soll sich ein Leser, welcher dann vor einem Kochbuch sitzt, wie es zum Beispiel Christian Bau veröffentlicht hat, Nützliches herausziehen, wenn er nicht ein professioneller Koch ist und dennoch an der Philosophie oder an der Art zu Kochen interessiert ist? Richtig, herzlich wenig.
Der große Unterschied zu den Kochbüchern von erfolgreichen Kochbuchautoren, die nicht zwingend Spitzenköche sind, und eben jenen Eliteköchen ist die Motivation, warum Kochbücher produziert werden. und die Distanz, welche final zwischen dem Leser und dem Autor liegt. Die einen schaffen ein Kochbuch mit Speisen, die speziell für die Leserschaft entwickelt worden sind, der Nutzen ist daher enorm hoch. Man ist ja generell mit dem Anspruch an die Sacher herangegangen, dass das Kochbuch auch zum Kochen eingesetzt wird.
Die zweite Gruppe sieht das eigene Kochbuch vielleicht eher als eine Art eigenes Denkmal an, eine kulinarische Momentaufnahme des eigenen Schaffens. Ohne den Anspruch, dass man diese Gerichte, welche zumeist nur in professioneller Umgebung gekocht werden können, überhaupt nachgekocht werden sollen. Die Distanz zum Leser ist hier viel größer und um so schwieriger, ihn auch abzuholen.
Klaus Erforts Kochbuch soll nun ein Spagat zwischen dem Kochen in einer Sterneküche und der Art des Kochens, welches zu Hause, oder wie es hier modern mit „Erfort@home“ umschrieben wird, zelebriert wird, sein. Gelingt ihm das? Teilweise.
Beim Herausnehmen des Kochbuchs von Klaus Erfort aus dem Schuber mit Prägedruck fällt auf, dass das Buch zweigeteilt ist. Man hält somit zwei Werke in einem in den Händen. Der erste Teil „Drei Sterne“ widmet sich der Sterneküche im Gästehaus von Erfort. „Erfort@home“ ist der Abschnitt, welcher die Meisterrezepte für zu Hause beinhaltet. Im Waschzettel wird von „genial, einfachen“ Rezepten gesprochen. Was das heißt, werde ich später aufschlüsseln. Widmen möchte ich mich zuerst dem Teil der professionellen Küche.
Inhalt und Aufbau
Klaus Erfort ist ein Koch, welcher es seit 2007 versteht, auf 3- Sterneniveau zu kochen. Solch ein Elitekoch hat unzählige Auszeichnungen zu verzeichnen. Die Küche wird im Allgemeinen als puristisch-elegant umschrieben. Stationen in berühmten Häusern wie dem „Bareiss“ oder der „Schwarzwaldstube“ kann er in seiner Vita vorweisen. Wer sich dem Lebenslauf ein wenig mehr geben möchte, findet im Mittelteil ein Interview mit dem Chefkoch, welcher hier auf elf Seiten ein wenig aufmacht.
Der Werdegang von Klaus Erfort
Es wird über Lehrerfahrungen, die erste große Commisstelle bei Claus-Peter Lumpp im „Bareiss“ oder etwa auch die verpasste Anstellung bei Eckart Witzigmann berichtet. Sehr spannend sind hierbei die Erzählungen über den Wechsel zur „Schwarzwaldstube“ und wie er dort seine Arbeit wahrgenommen hatte. Wer sich die Zeit nimmt und mehr und mehr in den Text hineinliest, wird schnell ergriffen sein und sich gut hineinversetzen können, wenn er umschreibt, wie er mit der Zeit in den hiesigen Gastroführern aufgewertet worden ist und dabei dennoch recht frei und unbedarft die alltäglichen Herausforderungen gemeistert hat, ohne sich dabei zu sehr mitreißen zu lassen.
Als einer von zwei Drei-Sterneköchen in Deutschland ist Klaus Erfort mit seinem eigenem Unternehmen auf dem Markt. Hier gibt es kein Hotel, welches hohe Wareneinsätze gegenfinanziert oder das Geschäftsrisiko in schlechten Zeiten covert. Der Chefkoch ist hier ganz und gar auf seine Expertise als Unternehmer angewiesen, was seine Leistung auf diesem Niveau noch vergrößert.
Für Klaus Erfort zählt eher die konstante Art des Kochens. Trends werden erst nach mehrmaligem Hinterfragen aufgegriffen. Saisonalität stellt sich für ihn nicht als großes Thema dar. Seine Region ist angewiesen auf Importe, weil er selbst kaum auf Produkte seiner Region zurückgreift.
Seine Küche ist stark frankophil umgesetzt. Durchzogen mit klassischen Elementen und hier und da punktuell mit zeitgemäßeren Techniken, wie Espumas, versehen. Ihm ist wichtig, eine eigene Stilistik zu entwickeln und Wiedererkennbarkeit an den Tag zu legen.
Aufbau
Der Aufbau gliedert sich für jeden Buchteil in drei Sektionen. Da sind die Vor-, Haupt- und Nachspeisen. Mit jeweils 24 Rezepten kommt man hier somit auf fast 50 Gerichte. Dem Leser wird nach dem Vorwort und der Einleitung der direkte Zugang zu den Rezepten gewährt. Direkt beim Einblättern in die Zubereitungsanleitungen staune ich nicht schlecht, denn man hat hier für meine Begriffe mit der Designlogik ein wenig über das Ziel geschossen. Denn viele der Rezepte gehen über drei Seiten. Während man auf den ersten zwei Seiten die Teilrezepte zu sehen bekommt, folgt auf der dritten schließlich das Foto der Speise.
Merkwürdigerweise ist dann auf der gegenüberliegenden Seite bereits die Anleitung samt dicker Überschrift für das folgende Rezept. Normalerweise würde man bei jedem Gericht zuerst das Bild vermuten.
Hier bin ich durch das ganze Buch regelrecht genervt, weil ich stets die Rezepte lese und dann erkenne, dass ich dazu das falsche Bild anschaue und gezwungen bin hin- und herzublättern, um zu sehen, wie das Endresultat ausschaut. Auch nach längerem Überlegen erklärt sich mir dieser Aufbau nicht wirklich.
Hat man sich irgendwann daran gewöhnt, und dieser Zustand hat sich bei mir bis heute nicht eingestellt, kommt man sehr gut mit den eigentlichen Rezepten klar.
Design & Haptik
Ein großes Kompliment geht dabei an den Textsatz. Dieser ist in der Struktur durch das ganze Buch hinweg spitzenmäßig aufgebaut. Er ist minimalistisch, modern, logisch und absolut schlüssig gesetzt. Man hat sich erfolgreich ein in sich stimmiges System aufgebaut. Die Bilder und der Text sind Seite für Seite sehr gut platziert. Leider gibt es hier ebenfalls einen kleinen Wermutstropfen.
Beim Interview mit Klaus Erfurt sind sämtliche Aussagen in Fettschrift gedruckt? Sowas mindert den Lesekomfort beträchtlich und wird normalerweise genau umgekehrt gehandhabt. Die Fragen fett und die Antworten normal. Aber das sind Details.
Das Buch suggeriert von der Haptik eine qualitativ hochwertigen Verarbeitung und ist in seinem formschönen und edlen Schuber gut aufgehoben. Tools wie die zwei Lesebänder in den Farben für die Sterne- als auch Homesektion sind nützliche Lesehilfen für den Wiedereinstieg ins letzte Rezept.
Fotos
Die Bildsprache ist geprägt von einer eher stimmungsvollen, natürlichen Ästhetik, welche sich im Hintergrund hält. Der Einsatz von Vignetten und einer recht deutlich sichtbaren Körnung stehen im Kontrast zu den glattbegügelten Foodfotos dieser Zeit, die man normalerweise in den Kochbüchern der Spitzenküche serviert bekommt. Man steuert den Blick des Lesers mit dem gezielten Einsatz von Schärfe und Unschärfe. Gerade Letzteres nimmt mir ein wenig zu viel Raum ein, vor allen Dingen bei den Fotos der Gerichte zu Hause.
Ebenfalls etwas drüber sind meiner Meinung nach die Farben, welche ein wenig zu stark mit den Reglern hochzogen wurden.
Die Gerichte
Doch ist in diesem Buch nicht die Food- Fotografie der Schwerpunkt, sondern die Rezepte und die Umsetzung des Themas. Und das gefällt mir schlussendlich nur so semi. Mit dem Teil der Sterneküche Klaus Erforts bin ich fein. Alle Gerichte, die hier gezeigt werden, sind sehr schön anzusehen und zeigen nur ansatzweise, zu was ein Handwerker dieses Kalibers imstande ist, auf den Teller zu bringen.
Klassische, französische Kochkunst, welche im modernen Gewandt präsentiert wird, kann der Leser mit dem Erwerb dieses Buches sein eigen nennen. Speisen, wie das „Millefeuille von Gänseleber, Jakobsmuschel und Sellerie“ oder die grandios ausschauende „Pilztarte mit Perigordtrüffel und Champignons“ bei der diese Edelknolle mit einem Auberginenkompott kombiniert wird, sind nur zwei Beispiele für seine makellose Arbeit.
Ebenso bin ich bereits seit langem ein Fan vom langjährigen Chef-Pâtissier Matthias Spurk. Er hatte ja bereits zu einem Parmesan-Special sein Können unter Beweis gestellt. In der „süßen Ecke“ findest Du Desserts, wie das „Kürbiskernöl-Parfait“ (BTW wo ist eigentlich das Kürbis-Airbrush-Rezept 😉 ) oder „Rhabarber, Champagner, Erdbeeren“. Lediglich fünf Dessertrezepte, bei dem eines ein Pralinenrezept darstellt, empfinde ich als unzureichend, gemessen an der Gesamtanzahl der Gerichte.
Erfort@Home
Die Sektion für die heimische Küche war für mich bei einigen Gerichten ein wenig enttäuschend. Zum einen denke ich nicht, dass sich viele Leser zu Hause Dinge wie Bretonischen Hummer oder Königskrabbe zu Hause zubereiten (hier stelle ich erneut die Frage:“Für wen wird dieses Kochbuch geschrieben“). Zum Anderen habe ich bei den meisten der Gerichte nicht das Gefühl, dass die Speisen zwingend Klaus Erfort zuzuordnen sind. Sie sind allesamt sehr gut anzuschauen und vermutlich auch großartig in der Zusammenstellung, jedoch vermisse ich hier die Handschrift vom Protagonisten, da das ja vermutlich der Grund ist, warum sich ein Leser seine Rezepte kauft.
Als bestes Beispiel, wie so etwas gelingen kann, nenne ich gerne das Buch mit der Sterneküche von Daniel Humm für den Heimkoch als Referenz. Das heißt „I love NY“ und beinhaltet im Konzept gehobene Küche für zu Hause. Und hier kann man bei den meisten Gerichten den Stil von Daniel Humm wunderbar erkennen.
In diesem Buch ist es sicherlich so, dass man gut ausgearbeitete Rezepte vorfindet, jedoch bin ich nicht beeindruckt, wenn ich eine weitere Version von einer Apfeltarte, einem halbflüssigen Schokoladenkuchen, einem Baba au Rhum oder einer Panna Cotta vorfinde. Lediglich die Safranbirne habe ich vor zu testen. Weitere Rezepte gibt es in Dessertform bedauerlicherweise nicht.
Vor- und Hauptspeisen hingegen schon. Den angesprochene Bretonischen Hummer gibt es mit gegrilltem grünen Spargel und einer Aioli. Die in der Schale gegarte Jakobsmuschel wird mit Selleriepürree angerichtet. Mit der regionalen Küche setzt er sich hier dann doch auseinander, indem er Sauerländische Gefillde mit Lauch und Speck ausarbeitet.
Weiterführende Infos, wie zum Beispiel Bezugsquellen, Zubereitungstipps oder ähnliches gibt es zu den Rezepten nicht.
Fazit
Klaus Erforts erstes Kochbuch wurde von vielen lang herbeigesehnt und dürfte eine Menge glückliche Leser finden. Es ist für meine Begriffe gerade im ersten Teil der Sterneküche von Klaus Erfort sehr gut gelungen. Hier kann er seine Stärken voll ausspielen. Meiner Meinung nach hätte man dabei bleiben sollen. Denn der zweite Teil wirkt auf mich ein wenig unausgegoren.
Auf der einen Seite werden Produkte abverlangt, die keineswegs einfach zu erwerben sind und ausserdem wirken die Speisen keineswegs so, dass man sie zweifelsfrei Klaus Erfort zuordnen könnte. Die geringe Anzahl an Dessertrezepten und das umgekehrte Prinzip beim Foto-/ Rezeptaufbau ist zudem irreführend/frustrierend. Wer sich daran nicht stört hat für 55 € ein sehr gut designtes Kochbuch von Klaus Erfort.
Vielen Dank, für die sehr zutreffende Rezension.
Ich bin auch mehr von den Rezepten aus dem Sterneteil angesprochen, als denen aus dem home-Teil.
Sehr enttäuscht bin ich auch über die Anzahl der Dessert-Rezepte. Anmerken möchte ich hier auch noch, dass beim Rezept zum grünen Apfel wohl auch das Anrichten fehlt, als auch die Herstellung der Zuckerkugel.
Zu einigen Angaben zur Verwendung mit dem Thermomix werden auch keine weiteren Details geliefert (siehe z.B. Kräuteröl-Herstellung: Mixen bei 80°C im Thermomix.)
Dass auch Komponenten weggelassen werden, wie das Velvet-Finishing, finde ich sehr schade. Eine Angabe zu den verwendeten Silikonformen wäre auch fein gewesen.
Alles in allem bin ich trotzdem zufrieden.
Die Rote-Beete-Sphäre habe ich bereits probiert und diese klappt einwandfrei.
Guten Tag Herr Schmid :),
ich bin da ganz bei Ihnen. Ich denke, man ist da nicht bei allem bis zur letzten Instanz gegangen. Der airbrush fehlt und klar sind solche zusätzlichen Bezugsangaben nett, aber da würde ich fast sagen, gäbe es sehr viele weitere Beispiele, welche die gegebenen Kapazitäten klar überschritten hätten. Im Großen und Ganzen überwiegt bei mir jedoch die Enttäuschung, weil der Home-Teil so arg beliebig und wenig auf Klaus Erfort zugeschnitten ist.
Saarländische, nicht sauerländische 😉
Wird gefixt. Danke! 🙂