Besser spät als nie. Getreu nach diesem Motto bespreche ich heute ein von mir sehr lang ersehntes Kochbuch namens IZAKAYA. Mein ehemaliger Küchenchef und Freund aus Wien namens Eduard Dimant, a.k.a. Eddi, hat zusammen mit Nicole Dimant, Sandra Jedliczka und Tobias Müller ein Kochbuch mit Rezepten aus dem Sushi-Laden in Wien schlechthin über den Brandstätter Verlag herausgegeben.
Es ist ein Werk über die Freude am Teilen im Kreise der engsten Freunde und Familienmitglieder. Es ist ein Band über die Kommunikation und das lebendige Treiben am Tisch, wenn man die Lieblingsspeisen mit den Liebsten teilt. Vermutlich wird aufgrund der Verbundenheit mit Eddi durch die gemeinsame Zeit im Shiro i Shiro diese Rezension nicht ganz so neutral gefärbt ausfallen, aber es sei mir verziehen.
Izakaya – Die japanische Saké Kneipe
Die Macher des dieses Buchs wagen direkt zu Beginn den Versuch, den Begriff „IZAKAYA“ zu erklären und merken an, dass so mancher schon dabei gescheitert sei. Die japanische Kneipe wird häufig mit einem englischen Pup, einer spanischen Tapasbar oder einer französischen Weinbar verglichen. Mit IZAKAYA ist jedoch das gemütliche Beisammensein in familiärer Atmosphäre gemeint. In Japan gehen Trinken und Essen Hand in Hand.
Zu jedem Getränk, und das kann in Japan das Feierabendbier, den After-Work-Drink oder auch ein später Cocktail sein, gibt es stets auch etwas zu beißen.
In der Gemeinschaft wird dabei viel geplaudert, gelacht und diskutiert. So kann man viel Zeit mit den Angehörigen verbringen ohne diese dabei diese dabei an sich vorbeigehen zu sehen. So wie es ebenso Tag für Tag in derem Restaurant namens Mochi geschieht. Wie kaum ein Zweites wurde dieses Restaurant über die Stadtgrenzen Wiens hinaus gehyped. Das Mochi füllt eine kulinarische Lücke im Herzen Wiens und ist ein sehr gefragter Ort.
Ein (Feier-) Abend im Mochi in Printform
Das Buch knüpft genau daran an, und das erkennt man sofort. Es ist nicht klassisch in die unterschiedlichen Gangfolgen aufgebaut, sondern wird in der Art dargestellt, wie sich solch ein Abend in einer IZAKAYA Kneipe gestaltet. So ist das Inhaltsverzeichnis im Aufbau wohl eher ALS eine Art Speisekarte anzusehen. Neben der hier angegebenen Speisen kann man sich auch anhand der Uhrzeit, zu der man die jeweiligen Gerichte zu sich nehmen würde, als Orientierung nutzen. Sie sind ab dem ersten Rezept am oberen Seitenrand angegeben. So wird man mittels dieser zeitlichen Hilfe durch den Abend geleitet.
Ein kleines Wörterbuch mit der Frage „Sprechen Sie Izakaya“ hilft bei dem einen oder anderen Bestellvorgang.
Da man in einer solchen japanischen Kneipe die Runde nicht direkt mit Essen sondern zuerst etwas Flüssigem beginnt, folgt logischerweise das erste Rezept in Form eines Matcha Eistees oder einem Yuzu Spritz.
Bekanntes „Fingerfood“ wie den Edamame mit Meerrettich oder in einer Marinade aus Nussbutter und Knoblauch dienen als eine Art Vorbereitung auf die Dinge, welche da noch kommen mögen. Und diese sind gemäß dem Motto „Reduced to the Max“ austariert.
Snacks wie die gegrillten Sardinen mit einer Yuzu- Chimichurri und Wildkräutern oder der weiße Spargel mit einer Ponzu- Nussbutter veranschaulichen das sehr gut. Eddi spielt gerne mit den unterschiedlichen kräftigen Aromen, welche immer wieder durch säuerliche Akzente von Yuzu oder einer anderen Säure aufgebrochen werden.
Frischer Fisch kommt hier größtenteils mit einer sehr delikaten Marinade aus, die in ihrer Zubereitung sich eigentlich nicht kompliziert liest, auf die man aber so vermutlich dennoch nicht gekommen wäre. Das macht das Nachmachen so verlockend, denn es liest sich alles in der Tat sehr simple. Doch das heißt nicht, dass diese Küche beliebig oder banal wäre – ganz im Gegenteil.
Kompromisslos im Umgang mit Frische und Qualität
Reduziert man die Komplexität der Gerichte, so muss man zwingend auf eine Kompromisslosigkeit im Umgang mit den eingesetzten Produkten setzen. Und das ist Eddis Stärke.
Je später der Abend…
… umso spannender die Gerichte und ausgefallener die Drinks. Wer sich also chronologisch durch das Buch blättert, wird erkennen, dass die Speisen mit zunehmender Seitenzahl etwas größer und die Drinks alkoholischer werden. Der Haiku Splash ist ein Getränk mit einer Jasmine Gin Infusion, welche zusammen mit Limettensaft und Holunderblütensirup eine großartige Sommernachtserfrischung vor den anstehenden Hauptgängen ergeben wird. Ebenfalls einladend ist der Gooseberry Chu-Hai, ein süffiger Drink aus Shōchū, Sodawasser und natürlich Stachelbeeren.
Sie bilden die perfekte Grundlage für die Teigtaschen mit einer Füllung aus Garnelen und Schweinenacken in einem Yuzu-Dashifond. Die altbekannte Aubergine mit Miso darf natürlich nicht fehlen. Eddi vollendet sie mit Thunfischflakes und Sesam.
Sashimi at its best
Was ich bei der Arbeit im Shiro i Shiro zu schätzen gelernt habe, waren die abartig leckeren Sashimi. Das ist aufgeschnittener Fisch in entsprechender Güte („Sashimi-Qualität“) mit einer Marinade und oft auch Daikon. Zusammen mit Spargel, Daikon und einer Yuzu-Limettenmarinade offeriert er in seinem Buch ein Sashimi von Dorade.
Fleisch wird hier ebenso in höchster Qualität aufgefahren. Ein US-Ribeye mit Perlzwiebeln und Trüffelcreme oder Yakitori-Spieße aus Hühnerkeule, -mägen, -haut oder -flügel gehören ebenso zum Repertoire wie Rippchen mit Macao, Erdnüssen und Rettich.
Hohe Bandbreite einer sehr erlebnisreichen Izakaya- Kultur
Was in diesem Buch aufgefahren wird, ist gelinde gesagt eine wahnsinnig hohe Bandbreite an Speisen, welche schnell für die eigene Runde zu Hause zusammengestellt werden können. Hat man einen gut sortierten Asialaden in seiner Region, so bin ich der Meinung, ist die Beschaffung der Lebensmittel im Rahmen des Machbaren.
Look and Feel
Das Design dieses Buchs ist durchaus nicht alltäglich. Zu Beginn war ich ein wenig irritiert von den Bildern, welche nicht mit der Tatsache hinterm Berg halten, dass sie mit Kunstlicht geschossen worden sind, ganz im Gegenteil. Man geht damit sehr offensiv um. So zeigen sich überall harte Schatten und eine Fotografie, wie man es erwarten würde, wenn man selbst als Amateur für die Fotos zuständig ist.
Und das ist vermutlich das Konzept. Denn gleichzeitig vermitteln sie neben den sehr realistisch anmutenden Fotos der Gemeinschaft beim Essen auch das Gefühl, dass die Bilder der Speisen weder zu abgehoben noch unerreichbar sind. Man kann sich sehr gut vorstellen, dass man es selbst gut hinbekommen könnte. Und das macht das Buch bei längerer Betrachtung so attraktiv.
Aufbau der Rezepte
Die Rezepte sind übersichtlich aufgebaut, haben alle notwendigen Angaben in einer gut lesbaren Schrift und die Zubereitung ist in einem sehr sinnvollen Step-by-Step-Verfahren gegliedert. Mengenangaben sind allesamt in Gramm. So gelob ich mir das.
Im Inneren gibt es zu den Rezepten noch auf einem angeschnittenen Papiereinzug hin und wieder Fun Facts wie zum Beispiel „Wasabi für Anfänger“, „IZAKAYA Do`s & Don`ts“ oder etwa „5 Gründe, warum Kinder IZAKAYA lieben“. Einzig und alleine geht mir ein wenig die Übersicht beim Inhaltsverzeichnis verloren. Warum wird an dem Ort, wo man einen gut lesbaren Überblick braucht, diese mit einer Schrift in fast nur Großbuchstaben dieser kaputt gemacht?
Fazit
Aber das ist nur eine kleine Randnotiz, denn IZAKAYA kann bei mir voll und ganz überzeugen. Für den sehr fairen Preis von 30 Euro kannst Du Dir Deine eigene japanische Kneipe nach Hause holen und zusammen mit Deinen Freunden und der Familie solch einen Feierabend der fernöstlichen Art zelebrieren. IZAKAYA ist wahrlich ein guter Ratgeber für solch ein Intermezzo, welches auch gerne mal bis in die frühen Morgenstunden gehen darf. Kulinarische Inspiration dafür gibt es in diesem Buch mehr als genug. KAUFEN!