Die erste Kochbuchbesprechung in diesem Jahr widmet sich mit „Alpine Cuisien“ einem Buch, welches genau genommen wieder mal als Import betrachtet werden muss. Es handelt von einem Werk aus Österreich. Es ist kein Kochbuch, welches in den Hallen eines Sternerestaurants produziert wurde, aber das liegt wohl eher daran, dass man hier in diesem Lande ausschließlich in den Metropolen die Top- Restaurants mit den von vielen Köchen ersehnten Macarons bewertet. Würde hier ein Tester hereinspazieren, gäbe es mit hoher Wahrscheinlichkeit den Stern, wenn nicht sogar mehr.
„Alpine Cuisine“
Andreas Döllerer
D.+R. Verlag
2015, Wien
304 S., gebunden, 60,00 €
ISBN: 978-3902469632
Diese Review handelt vom neuen Kochbuch Andreas Döllerers namens „Cuisine Alpine“. Schlägt man die dieses Bands auf, wird man sofort in die wahnsinnig idyllische Atmosphäre gesogen, welche die ersten Impressionen eindrucksvoll vermitteln. Anfangs liest, dass dieses Buch nicht nur von einem Restaurantbetreiber handelt, sondern dass die „Döllerers Genusswelten“ vielmehr ein familiärer „Dienstleistungskomplex“ mit einer Metzgerei, einem Wirtshaus und einem Hotel in dem eben dieser Gourmettempel beherbergt ist, darstellt. Über mehrere Jahrzehnte ist dieses schon in Familienhand. In dem Vorwort ist zudem die Rede von einer gastronomischen Wende, die zusammen mit seinem Vater stattgefunden hat:
„Irgendwann war aber der Punkt erreicht, an dem mein Vater nicht mehr zufrieden war mit dem, was im Familienbetrieb geboten wurde,. Es war die Zeit des kulinarischen Aufbruchs in Österreich. Der Vater begann sich in guten und besten Restaurants in Österreich, Deutschland, Italien und Frankreich umzusehen. Er belegte Kochseminare bei Sterneköchen wie Dieter Müller und Otto Koch.“
So wurde die bewährte Küche unter Zuhilfenahme ausgesuchter Küchenchefs wie zum Beispiel Bruno Ploteghers, welcher seinerzeit noch unter Eckart Witzigmann in der „Aubergine“ kochte, auf einen neuen Weg gebracht. Mit der Zeit stiegen die Bewertungen der Kritiker und die Küche wurde feiner und raffinierter. Das kam natürlich auch nicht ohne eine Preisanpassung aus. Der Gast hatte sich nicht nur bei der Kochphilosophie umzustellen, sondern auch bei den Kosten. Weitere Küchenchefs kamen und gingen bis Andreas Döllerer nach einer Exkursion bei Dieter Müller wieder heimkehrte und im Jahre 2004 das Zepter in der Küche als Küchenchef übernahm.
Mit der Auseinandersetzung der heimischen Produkte entschloss er sich 2008 komplett auf Meeresgetier zu verzichten und setzt seitdem auf Fischarten aus regionalen Gewässern wie den Bluntausaibling, den er neckischer Weise „Signature Fish“ taufte. Wiederum ein Punkt bei dem der Gast sich neu umstellen musste. Er wird auf der Speisekarte wohl seitdem vergeblich nach Steinbutt und Co. bei den Döllerers suchen. Dieses konsequente regionale Konzept verfolgte er immer mehr, was sich aufgrund der angebotenen Frische und Qualität als absolute Stärke und gern gesehene Abwechslung zum Standardprogramm der Haute Cuisine entpuppte. Der Name des Programms „Cuisine Alpine“ wurde sodann vorausschauend als Marke geschützt.
In diesem Kochbuch lernt man aber als Leser nicht nur die Produktvielfalt aus den Alpen kennen. Der gesamte Mikrokosmos der „Familie Döllerers nebst Lieferanten“ wird hier einem nähergebracht. Das reicht von der vorherigen Generation (Raimund Döllerer – Koch und Metzger) über den Fischer aus dem Bluntautal (Sigi Schatteiner) bis hin zum Kaviarproduzent Walter Grüll. Hier wird nicht Andreas Döllerer umrissen, sondern die vielen helfenden Hände, die erforderlich sind, um die hier gezeigten Produkte aufs Porzellan zu bringen, porträtiert.
Die Hauptrolle spielt bei allem aber die Natur, welche das Angebot zur Verfügung stellt. Ehrfürchtige Bilder riesiger Gebirgslandschaften, grüner Wiesen und grasender Viehherden zeugen davon.
Was passiert aber auf dem Teller?
Man bemerkt auch hier den Trend zum Weglassen. Keine sogenannten Streberteller, keine Materialschlachten und schon mal überhaupt keine Pinzettenkunst wird hier feilgeboten. Was bleibt sind bis aufs Nötigste reduzierte Gerichte, die in ihrem Dasein Purismus pur versprechen. Man hat das Gefühl, dass möglichst wenig vom ursprünglichen Geschmack der eingesetzten Produkte ablenken soll.
Beispielsweise kommt seine gebeizte Bluntaubachforelle mit den „einfachen“ Begleitern wie Bachkresse, Erdäpfeln und Radieschen aus. Es liest sich alles sehr bodenständig und nachvollziehbar.
Die Regionalität wird aber nicht bei allen Produktarten durchgezogen. Andreas Döllerer setzt ebenso auf asiatische Einschläge, um den Geschmack einer angebrannten Röstzwiebel für einen Sud noch mehr zur Geltung zu bringen. So wird die angebrannte Zwiebel zusammen mit roher Zwiebel in einer Mixtur aus Kombucha, Sojasauce, Mirin und Reisessig neben anderen Zutaten eingelegt und anschließend mit Xantana gebunden.
Alle Gerichte sind mit einem erklärenden Einleitungstext versehen. Hier werden bestimmte Kernelemente der Gerichte in den Fokus gesetzt und die Herkunft oder auch Einsatzweise ausreichend erläutert. Ebenso nutzt er diesen Raum, um gewisse Zusammenhänge aufzuzeigen.
Brillant finde ich jederzeit seinen Umgang mit den „gewöhnlichen“ Lebensmitteln. So adelt er den typischen Spitzkohl zu einer Schale gefüllt mit karamellisierten Krautfleckerln und Nudelrauten. Ein Teller zum Reinbeißen.
Sowieso ist ihm sein Kochbuch für nichts zu schade. Ein Gulasch ist hier genauso aufgeführt wie ein gebackener Leberknödel in der Suppe. So darf hier ein Leistungsspektrum erlebt werden, welches von der modernen und technisch ausgereiften Hochküche bis hin zur traditionellen und mit den heimischen Sitten und Bräuchen verwurzelten Hausmannskost reicht. Für jeden Gusto wird hier etwas geboten.
Am Ende des Tages …
… bleibt die Erkenntnis, dass man besser seinen nächsten Urlaub bei den Döllerers bucht und sich vorab als Einstiegslektüre dieses Kochbuch erwirbt, um sich so schon in Stimmung zu bringen. So bekommt man sicherlich auch mal seine Frau im Sommer in die Berge, als immer nur ans Meer, Döllerer sei Dank.