Julia Leitner ist an der Seite von René Frank die Küchenchefin des CODA in Berlin. Bis vor kurzem trugen sie noch zusammen den Titel als die World Best Patissier der The World’s 50 Best Restaurants. Nach wie vor werden sie mit 2 Sternen im Guide Michelin bewertet und gelten somit zur Crème de la Crème und schaffen auf kleinstem Raum wahrlich Großes. Heute darf ich euch ein Interview mit Julia zu den unterschiedlichsten Themen veröffentlichen zu dürfen. Wir sprachen über ihren Werdegang, Innovation, die Dessertentwicklung und Nachhaltigkeit.
Wie hat deine klassische Konditorausbildung in Österreich deine Liebe zur Dessertkunst geprägt?
Ich wollte als Kind schon Konditorin werden und hab extrem viel gebacken. Mit Kuchen und Dessert macht man Menschen glücklich, man sitzt zusammen, das fand ich schon immer toll daran.
Wie hast du dich gefühlt, als du mit nur 23 Jahren zur Patissière des Jahres in Österreich ausgezeichnet worden bist?
Da ich meine Ausbildung mit 16 Jahren gestartet habe war ich auch schon ein bisschen im Beruf. Aber natürlich hab ich mich unglaublich darüber gefreut und es war eine große Ehre für mich den Titel zu bekommen.
Was hast du während deiner Zeit als Chef Patissière im „The Clove Club“ in London gelernt und wie hat es deinen Kochstil beeinflusst?
Ich glaube vor allem menschlich hat es mich extrem geprägt. Wir waren 13 Köche aus 9 verschieden Nationen. Es war toll die gastronomischen Einflüsse von allen zu erleben. Und ich glaube jede Station beeinflusst den eigenen Kochstil.
Was hat dich dazu bewogen, das Angebot von René Frank vom CODA in Berlin anzunehmen und wie hat sich deine Karriere seitdem entwickelt?
Ich kannte René und seinen Küchenstil schon vom La Vie und fand es damals schon inspirierend. Ein Angebot zu erhalten wo man nicht nur 2 Gänge Dessert sondern ein ganzes Menü kreieren kann hat mich nicht lange überlegen lassen.
Im CODA haben wir als Dessert Bar gestartet aber uns immer weiterentwickelt. Genau so hab ich mich weiter entwickelt. Wir haben zu zweit in der Küche gestartet. Mittlerweile leite ich als Head Chef ein Team von 7 Köch:innen und wir sind mit zwei Michelin Sternen ausgezeichnet worden.
Was macht ein gutes Gericht im CODA aus?
Ein gutes Gericht macht Spaß zu Essen, hat Umami und eine schöne Spannung an Süße und Säure.
Wie gestaltet ihr die mehrgängigen Dessertmenüs im CODA, um sicherzustellen, dass die Süße nicht im Vordergrund steht?
Dass ist woran wir täglich arbeiten. Unsere größte Herausforderung aber auch unsere größte Einzigartigkeit.
Welche besonderen Techniken, Zutaten oder Konzepte setzt ihr ein, um eure ungewöhnlichen Geschmackskombinationen und Texturen in euren Dessertkreationen zu erzeugen? Was dient euch dabei als Inspiration?
Inspiration holen wir uns überall her. Das kann die Pizza ums Eck oder der Kuchen von Oma sein.
Wir arbeiten immer mit den Techniken der Patisserie. Wir lieben es das man Geschmäcker erkennt aber anders einsetzen kann. So kann auch eine Aubergine oder Petersilienwurzel zum Dessert werden. Vor allem finden wir die Eigensüße spannend und benutzen diese.
Wie wichtig ist es dir, dass die Dessertkreationen auch ästhetisch ansprechend präsentiert werden, und wie berücksichtigt ihr dies bei der Gestaltung der Teller?
Am wichtigsten ist für uns wie der Gast das Dessert isst. Er soll gar nicht lange überlegen, wie man das jetzt „richtig“ isst. Sondern mit dem Löffel drauf loslegen. Natürlich muss es auch ansprechend aussehen. Aber es muss nicht alles perfekt rund oder eckig sein.
Müssen Geschmackskombinationen immer wieder neu entstehen, oder dürfen es auch vertraute Pairings sein?
Ich glaube eine schöne Mischung macht es aus. WOW-Effekt in einem Menü machen immer Spaß und inspirieren. Aber auch klassische Kombinationen sind toll, sonst hätten sie sich ja nicht durchgesetzt.
Gibt es bei euch beiden eine Rollenverteilung? Bei welchen Stärken und Schwächen könnt ihr einander aushelfen?
Ich glaube vor allem das Vertrauen und Wertschätzung gegenseitig macht uns zu einem guten Team.
Natürlich hat René als Inhaber nochmal andere Aufgaben.
Ich liebe es den Abend Service zu schicken. Das direkte Feedback der Gäste. Organisiere das Team. Renés kreativer Kopf ist nach wie vor große Inspiration für mich.
Welche Rolle spielt die Nachhaltigkeit bei Ihrer Arbeit im CODA und wie versucht ihr, ökologisch verantwortungsvolle Entscheidungen in eure Prozesse einzubeziehen? Welche zusätzlichen Schritte würdet ihr noch umsetzen wollen?
Natürlich eine große. Ich denke, dass sollte es im Jahr 2023 in jedem Restaurant. Das Lebensmittel weggeschmissen werden oder nur ein Teil davon benutzt wird ist einfach unvorstellbar. Wir beziehen unsere Ware von Bio oder Demeter Betrieben. Wir benutzen Kakao der fair gehandelt wird usw.
Industriell hergestellte Produkte wie auch raffinierter Zucker gibt es im CODA nicht. Damit wird vor allem in der klassischen Patisserie viel gearbeitet.
Aber Nachhaltigkeit heißt auch faire Arbeitsbedingungen fürs Team zu schaffen. Geregelte Arbeitszeiten, Stunden Dokumentation, frei wählbarer Urlaub. Ich glaube das ist mindestens genauso wichtig!
Kannst du noch klassisch gemachte Desserts genießen und gibt es eines, bei dem du immer wieder schwach wirst?
Tiramisu ist da bestimmt der Gewinner 😉
Wenn es ein Produkt oder Lebensmittel des Jahres geben würde, welches wäre dein Favorit 2023?
Tomate. Ich find sie einfach so vielseitig einsetzbar und der reife Geschmack, wenn man in eine Tomate beißt, ist herrlich.
Welche Pläne hast du für die Zukunft? Gibt es neue Projekte oder Ideen, an denen du gerade arbeitest?
Ich möchte vor allem mit dem CODA noch viel erreichen.
Welchem unerfüllten Traum in kulinarischer Hinsicht, willst du dir noch erfüllen?
Japan, ich will unbedingt die Gastronomie dort genießen.
Welchen Culinary Hotspot würdest du unbedingt noch besuchen wollen?
Puh, da gibt es viele und die List wächst natürlich jährlich.
Welche Erkenntnis über die Arbeit in der Gastronomie hättest du gerne vor deiner Ausbildung gewusst?
Ich habe immer gesagt in die Gastro geh ich nicht, Wochenende arbeiten, und der schlechte Ruf ging voraus. Von Tag 1 auf Saison habe ich es geliebt. Ich kann nur allen sagen das es einer der tollsten Berufe überhaupt ist. Man hat die Freiheit auf der ganzen Welt arbeiten zu können und kann so viel erleben und lernen. Isst und trinkt nur die besten Sachen auf den schönsten Flecken der Erde.
Ich bedanke mich sehr für das Interview.