eltoffen und aufgeschlossen. Das sind die Schlagworte, welche das Dae Mon für sich erhebt. Der Name selbst ist koreanisch und steht für „Großes Tor zum Monbijouplatz“. Es ist als Einladung an alle zu verstehen. Da zu dieser Zeit, an eine offene Gastronomie nicht zu denken ist, ist das Projekt „Dae Hom“ – „Großes Tor zu dir nach Hause“ – entstanden. Dessen Kern ist ein 4- Gang Menü, welches der Gast nach Hause geschickt bekommt. Dieses Paket ist letzten Samstag bei mir eingetroffen und wurde natürlich einmal komplett durchgetestet. Wie es bei mir angekommen ist, erfährst du im ausführlich Bericht.
Der Guide Michelin hat kürzlich seine vielerorts umstrittenen Bewertungen abgegeben. Neben einigen schwer nachvollziehbaren Urteilen bekam das Restaurant Dae Mon zum zweiten Mal den „Michelin Teller“, welcher für eine Küche von guter Qualität steht, zugeschrieben. Ich selbst hatte noch nie die Möglichkeit gehabt, mich den Kochkünsten vom Küchenchef Raphael Schünemann hinzugeben, wenngleich ich ihn bereits einmal hinter den Kulissen in Aktion erleben konnte. Damals war er noch als Chef de Partie im 2- Sterne- Restaurant Reinstoff aktiv. Seitdem ist einige Zeit vergangen. Bereits seit 2017 kocht er nun als treibende Kraft im Dae Mon, welches es, wie alle anderen Gastronomen auch, sehr schwer hat und versucht, aus der Not eine Tugend zu machen.
Credit: Kai Heimberg
Dae Mon
goes
Dae Hom
So wird aus dem Dae Mon das Dae Hom, ein Projekt, welches die europäische Küche mit japanischen und koreanischen Einflüssen in die eigenen vier Wände bringt. Dafür müsst ihr die Box, die in dieser Runde der jüngsten Auszeichnung des Guide Michelin gewidmet ist, im Online Shop bestellen und am folgenden Wochenende ist sie dann bei euch. Wer mag, kann sich dazu noch die passende Weinbegleitung zusammenstellen.
Inhaber Stefan Reinhardt, Restaurantmanagerin Angelina Jagsch & Küchenchef Raphael Schünemann • Credit: Janine Coradini
Unboxing
Beim Auspacken schaue ich natürlich nach, wie hier der ein oder andere Küchenchef, Dinge wie Nachhaltigkeit berücksichtigt. Mir ist natürlich klar, dass je kleinteiliger und komplexer die Gerichte sind, umso mehr verpackt werden muss und diese vor allen Dingen hygienegerecht geschnürt werden. Erfreulicher Weise setzt das Team vom Dae Mon auf ein Verpackungskonzept, das zu großen Teilen auf umweltfreundliches Material setzt bzw. wiederverwertbar ist.
Den einzelnen Komponenten ist eine gut verständliche Anleitung beigelegt. Sie zeigt auf, welches Equipment erforderlich ist und welche Verpackung zu welchem Gang gehört. Zu dem 4- Gang Menü gesellen sich überraschenderweise ein Amuse Bouche, ein Pre- Hauptgang, und Petit Four hinzu. Man lässt sich also nicht lumpen.
Starten wir also mit dem Amuse Bouche.
Papaya- Salat
Die Einleitung geht an alle, die es fermentiert und säuerlich mögen. Hier hat sich der Küchenchef einen süß- sauren Start von Papayastreifen mit Sesam ausgedacht. Für meine Begriffe sehr mutig, denn die dünnen Papayafäden erinnern neben dem Sesamgeschmack durch das Fermentieren ein wenig an Sauerkraut. Das ist wahrlich nicht jedermanns Sache.
Wer noch keine Ahnung hat, wo man diese crossover Küche genau einordnen soll, wird nach dieser kleinen Ouvertüre noch immer keinen Schimmer haben. Neugierig, auf was da alles kommen mag, bin ich nun umso mehr.
Wenn du bis jetzt noch nicht darüber nachgedacht hast, Musik aufzulegen, dann wäre nun der optimale Zeitpunkt gekommen. Der passende kulinarische Soundtrack kommt natürlich ebenso frei Haus. Dem Menü ist ein QR Code beigelegt, dessen Link zu einer kursierten Spotify Playlist führt.
Die Dae Mon Playlist
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Venusmuschel, Passionsfrucht, Kurkuma
Das nächste Gericht ist nicht weniger ungewöhnlich doch viel mehr überzeugend. Die Vorspeise entpuppt sich als eine Suppe, genauer gesagt eine Venusmuschel- Passionsfruchtsuppe mit Kurkuma. Ausgelöste Venusmuschel kommt in einem fruchtig- würzigen Exotikmix und knackiger Meerbohnenalge a.k.a. Passepierre zusammen. Hier harmoniert jeder Löffel. Mir gefällt sehr, dass die Vorspeise recht kühn abgeschmeckt wurde. Sehr gut!
Pre- Hauptgang: Kalbsravioli, Karotte, Trüffel
Einen Pre- Hauptgang serviert zu bekommen ist in diesen Tagen eher eine Ausnahmeerscheinung. Final entpuppt sich ein Konzept, welches er vermutlich von seinem alten Küchenchef Daniel Achilles mitgenommen hat. Denn bereits bei diesem Gastgeber hatte ich dann und wann ein Gericht in zwei Gängen erleben dürfen. Das passiert immer dann, wenn dem Koch so viel Ideen zu seinen Produkten einfallen, dass es unmöglich ist, alle auf einem einzigen Teller unterzubringen. Der Geschmacksakkord soll in dieser Guide Michelin Edition „Kalb – Karotte – Miso“ heißen.
Dafür ist der einzeln vakuumierte und zudem sehr groß dimensionierte Kalbsravioli schnell im Wasserbad erhitzt und wird später in der enthaltenen Butter in der Pfanne nachgebraten. Dazu gesellt sich auf dem Teller ein Nest aus fermentierter Karotte (Miso), knusprigem Karottenstroh und zwei Blättern Portulak.
Der eindeutige Star dieses Ensembles ist der Trüffelrahm. Sie schafft herrlich die Verbindung zu all den Elementen und gibt den Grundton an. Die Menge an Kalbfleisch ist gemessen am eingesetzten Teig recht gering, doch mehr hätte es nicht sein dürfen, da der Hauptgang viel mehr des Brandenburger Kalbs bereithält.
Brandenburger Kalb, geschmort und kurzgebraten, Karotte, Miso
Immer wieder habe ich mich im Menü gefragt, in welche kulinarische Richtung man sich eigentlich hinbewegen möchte. Und das ist bei dieser, wie bei fast allen anderen Crossover Küchen, enorm schwer auszumachen. Was ich ein wenig schade finde, ist die recht knappe Beschreibung zu den Gerichten.
Was ich im Restaraunt zweifelsohne so durchziehen kann, funktioniert zu Hause, ohne den Service, den ich bei Fragen zum Gericht hinzuziehe, einfach nicht. Hier und da hätte ich vorher schon gerne gewußt, was ich da genau esse. Mehr Infos, die hier und da Aufschluss geben, wären wünschenswert.
Beim zweiten Teller mit geschmorter Backe und gebratenem Filet vom Brandenburger Kalb, das mit einer Karottencreme und -schleifen, glasierten Karotten, Karottengrün und Topinamburchips aufwartet, muss beim Anrichten Vollgas gegeben werden. Hier empfiehlt es sich in jedem Fall, den Rat auf der Anleitung zu folgen, und den Teller vorzuwärmen. Das Erhitzen bzw. Temperieren der Speisen fällt leicht. Beim Anrichtetext muss sicherlich drei- viermal vorab durchgelesen werden, bis man die einzelnen Schritte als Hobbykoch begriffen hat. Schließlich will man ja im Ernstfall performen und das Gericht heiß auf den Tisch bekommen.
Wohlfein angerichtet entpuppt sich der Hauptgang als ein wirklich rundes Gericht, welches hier und da Akzente, aus der fernöstlichen Welt mitbringt, doch fallen diese in diesem recht klassisch anmutenden Gang nicht allzu sehr ins Gewicht. Vielmehr überzeugt die sehr großzügig bemessene Portionen mit einer aromatischen Jus, welche von der geschmorten Backe gezogen wurde. Mit der Karotte schließt man mit vier weiteren Elementen den Kreis. Dabei fällt die sehr knackig gehaltene Version im Ganzen sehr auf. Die elegante Karottencreme kommt sehr gut an. Die knusprigen Chips der Topinambur geben den passenden Crunch. Nach diesem (zweiten) Hauptgang brauchten wir eine kleine Pause.
Tomme de Savoie, Japanisches Müsli, Maulbeere, Hagebutte
Vor dem süßen Abschluss ist noch Platz für ein Käsegang. Hier spielt man wieder voll und ganz auf der europäisch- japanischen Klaviatur. Tomme de Savoie ist ein französischer Kuhmilchkäse. Der Käse aus den höchstgelegenen Regionen Europas wird zusammen mit einem japanischen Müsli, Moltebeere und Hagebutte kombiniert. Dafür kochte Raphael samt Team aus der Hagebutte eine Marmelade auf die man später einen sehr gehaltvollen Joghurt anrichtet. Der gebrochene Tomme de Savoie Käse wird mit gepufften Amaranth und säuerlicher Moltebeere komplettiert. Fertig ist ein überraschend spannender Käsegang, der mit umheimlich viel Komplexität aufwartet.
Mohnmousse, süße Zitrone, Baiser
Viele Gastro- Kritiker mögen es ja nicht, wenn sie sehen, dass selbsternannte Gastro- Kritiker, am besten noch aus der Bloggerszene, Begriffe wie lecker benutzen, um Essen zu beschreiben. Deren Geschmacksthesaurus beinhaltet natürlich viel mehr Wörter, um zu erklären, was vermutlich jedem zuerst in den Sinn kommt, wenn er Raphaels, der gelernter Patissier ist, Komposition aus Mohnmousse, süßer Zitrone und Baiser im Mund hat: VERDAMMT LECKER. Und genau so würde ich es ebenfalls bei diesem Dessert halten, doch versuche ich gerne, etwas differenzierter zu umschreiben, was meine Geschmacksknospen erfuhren.
Die cremige Mousse strotze vor Mohn, man war hier nicht geizig. Die nussigen Crumbles umschlossen die süße Zitrone dessen ursprüngliche Säure kaum noch auszumachen war. Die federleichten Luftküsse namens Baiser waren mit einem grünen Kraut abgepudert, ich vermute Verbene. Sie gaben jedem einzelnen Löffel eine abrundende Süße und schufen ein nicht nur in sich schlüssiges Dessert sondern viel mehr eine echt leckere Nachspeise, so!
Für wen ist diese europäisch- japanisch – koreanische Dae Mon Box geeignet?
Für alle, die es mögen, beim Anrichten ein wenig mehr leisten zu wollen. Rein kochtechnisch muss hier nicht großartig Wissen vorhanden sein, um die Kulinarik aus dem Dae Mon aufs Porzellan zu bringen. Was ich wirklich als extrem bemerkenswert emfinde, ist, dass gemessen am Preis, du hier wirklich extrem viel geboten bekommst.
Für unter 70 € erhältst du ein erweitertes 4- Gänge Menü (Amuse Bouche • Vorspeise • Pre- Hauptgang • Hauptgang • Käsegang • Dessert • Petit Fours), was bei anderen Restaurants locker als 5- Gang Menü durchgeht. Die gelieferten Speisen waren alle tadellos zubereitet. Geschmacklich traf die Dae Mon Crew stets ins Schwarze.
Hätte ich es nicht besser gewusst, würde ich denken, die Speisen kamen allesamt aus einem besternten Restaurant. Wenn Raphael & Team auch so in der postviralen Zeitrechnung aufkocht, steht ihm sicherlich solch eine Auszeichnung bevor.
Dae Mon • Open Minded Cuisine
Das Dae Mon Menü • Erhältlich im Berliner Stadtgebiet.