Wer in der nun sechsten Runde des Bands Die Weltköche zu Gast im Ikarus aus dem Pantauro Verlag ein neues Konzept erwartet, wird enttäuscht sein. Gemäß dem Motto „Never change a winning team“ wird der Rückblick auf die 16. Saison dieses Ausnahmerestaurants im Hangar-7 in Salzburg in weiterhin mit nur marginalen Änderungen in gewohnt hochwertiger Güte präsentiert. Der in glänzenden Blautönen gehaltene Buchband birgt wieder einmal großartige Menüs von den besten Kochgrößen dieses Planeten. Das Jahr endet also wieder mit einem meiner herbeigesehnten Werke, welches ich Euch heute vorstellen darf.
Executive Chef Martin Klein mit dem feinen Gespür für Trendküchen
Martin Klein ist nun bereits seit mehr als einem halben Jahrzehnt der Exectutive Chef im Hangar-7 und leitet dort die Geschicke in allen Outlets. Hauptaugenmerk ist dabei natürlich das Restaurant Ikarus, welches mit einem der innovativsten Konzepte aufwartet. Er lädt zusammen mit Padron Eckart Witzigmann an elf Monaten im Jahr Spitzenköche aus aller Herren Länder ein, um sie für zwei Tage an das österreicher Restaurant zu binden.
Dort kochen sie ein Menü, welches nach ihrer Abreise für den Rest des Monats noch genossen werden kann. Wie Martin Klein immer wieder betont, ist die Auswahl für dieses Starensemble keine leichte Angelegenheit. Denn neben den Trends, welche man für ein Jahr im voraus erahnen muss, kommt natürlich ebenso die Verfügbarkeit der Wunschköche zum Tragen. Denn nicht jeder Koch ist auch zeitlich in der Lage, die raren Slots wahrzunehmen. So ist es Jahr für Jahr eine kleine Herausforderung, all die Größen an den Chefstable in das Restaurant Ikarus zu bekommen.
Das „Who is Who“ der internationalen Spitzenköche
Schon unter der Leitung von Roland Trettl galt, wer nach Salzburg in diesen Gourmettempel geladen wird, kann sich sehr geehrt fühlen. Es ist wie ein kulinarischer Ritterschlag, wenn man an diesem Ort das eigene Menü präsentieren darf.
Der sechste Band namens Die Weltköche zu Gast im Ikarus ist mit den folgenden Spitzenköchen ausgestattet.
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- „Best of Niederlande“ mit Jacob Jan Boerma, Jannis Brevet, Michel van der Kroft, Richard van Oostenbrugge und Thomas Groot
- Julien Royer • Odette • Singapur
- Norbert Niederkofler • St. Hubertus • St. Kassian in Abtei
- Fernando P. Arellano • Zaranda • Es Capdella
- Bee Satongun • Paste • Bangkok
- Joachim Wissler • Vendôme • Bergisch Gladbach
- Oliver Nasti • La Table d`Olivier Nasti • Kaysersberg
- Paul Cunningham • Henne Kirkeby Kro • Henne
- Anthony Genovese • Il Pagliaccio • Rom
- Das Ikarus Team • Restaurant Ikarus • Salzburg
- Christophe Hardiquest • Bon Bon • Brüssel
- Hiroyasu Kawate • Florilège • Tokio
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Restaurant Ikarus – Ein Ort der Inspiration
So bildet dieses Starensemble wieder mal eine enorme Bandbreite ab. Das schlägt sich natürlich auch in den Rezepten nieder. Allen voran die sehr verspielte Kochkunst vom Ikarus Team, welches wie kaum ein zweites Küchenteam weltweit von all den unterschiedlichen Konzepten der Gastköche profitieren mag. Ihnen werden mit jedem weiteren kulinarischen Konzept, welches die Protagonisten mitbringen, neue Inspirationen zuteil, die sie natürlich wiederum für die eigenen Signature Dishes einsetzen werden.
Wie zum Beispiel der Gang „Topinambur, Sonnenblume, Steinpilz, Steinklee, Tonkabohnen-Öl, Lakritzessig“, welcher hervorragend zeigt, zu welchen Leistungen das Team imstande ist. Ein sehr komplexes, vegetarisches Gericht, welches die Aromen von Topinambur, Steinpilz und Tonkabohne mit viel kulinarischer Intelligenz und Fingerspitzengefühl zusammenbringt. Bereits das Sichten des Rezeptes ist ziemlich fordernd.
Verschiedenste kulinarische Genussmomente
Die Gastköche lassen sich aber auch nicht lumpen und geben ebenfalls Vollgas bei den Rezepten. Sehr spannend liest sich nämlich das Gericht „Langoustine Masala“ von Paul Cunnungham. Die sanft gegarte Langoustine wird zusammen mit einer Masala Paste, einem cremigen Joghurt und ätherischem Minzöl auf dem Teller angerichtet.
Oder etwa „Pluma Bellota, Aubergine, Rote Zwiebel“ von Fernando P. Arellano, der eine grazil gewickelte Auberginenrolle mit süß- saurem Geschmack neben einem sanft gegarten Stück Rücken des Iberico- Schweins platziert.
Asiatisch geht es bei Bei Satongun zu, welche in ihrem Dessert ein Mangomousse in einen knusprigen Foi-Thong Mantel packt und es neben thailändischen Klebereis mit Kokosmarinade, Jasminsorbet und Goldstaub anrichtet.
Im vergangenen Jahr durfte wiederum ein deutscher Herdheld antreten, um seine Philosophie zu teilen. Es war Joachim Wissler aus dem Vendôme in Bergisch Gladbach. Seine Unique Selling Point ist die Entkopplung der französischen Haute Cuisine. Mit dieser Emanzipation wird er heute als Doyen der Neuen Deutschen Küche gefeiert, welche mit Augenzwinkern, Selbstironie und Perfektion eine eigene neue hohe Kochkunst schafft.
Sein Menü birgt Gerichte wie „Gänseleber und Jakobsmuschel – Vive la France -„, „Gegrilltes Kalbsherz, Périgord- Trüffel, grüner Spargel und Kalbsbries“, „Lechtal- Saibling in Wacholderbutter mit Lauch und Fichtensprossen“ oder etwa „Waldspaziergang im Frühling“. Von seinem 8- Gang- Menü plus Amuse Bouche werden in diesem Buch fünf Teller rezeptiert.
Aufbau
Dabei folgt der Aufbau der Rezepte dem bekannten Konzept, das Gericht auf einer Seite großflächig abzubilden, um auf der gegenüberliegenden Seite Raum für die Zutaten und Zubereitungsanleitung zu schaffen. Die Übersicht ist dabei gegeben. Das Layout wirkt wie immer recht aufgeräumt. Sicherlich kann man bei der Zubereitung den Aufbau durch mehr Absätze verbessern. Der Leser wird mit einem recht großflächigen Fließtext konfrontiert, der gerade beim erneuten Reinlesen beim direkten Nachkochen etwas herausfordernd ist.
Dennoch liest sich die Schrift angenehm. Bei den Rezepten ist man dazu übergegangen, diese zu zentrieren und keine Bindestriche anzufügen. Das wirkt sich recht stark negativ auf das Leseempfinden aus. Man findet sich einfach nicht gut zurecht.
Fotografie
Dass ich dieses Buch im November so herbeisehne, hat einen bestimmten Grund. Die Food- Fotografie. Für mich ist es wohl eine der besten Food- Fotografien, welche man derzeit in der deutschsprachigen Kochbuchlandschaft bestaunen darf. Und das hat diverse Gründe.
Der stärkste ist wohl, dass sich die Fotografie von Helge Kirchberger nicht aufdrängt. Sie lässt bei aller Gestaltung im Hintergrund dem jeweiligen Gericht des Kochs immer noch genug Platz, damit man dieses im Fokus behält. Das eingesetzte Lichtspiel und die dekorativen Elemente unter den Tellern sind stets sehr kreativ und individuell abgestimmt. Bei der späteren Entwicklung der Bilder wurden die Farben und Kontraste samt Schärfe stets natürlich belassen. Gerade das finde ich so spannend. Ich habe nicht das Gefühl, dass sich der Fotograf hier aufdrängen will, um sich selbst zu entfalten. Vielmehr versucht er die Speise möglichst unberührt und rein darzustellen.
Nimmt man sich die Fotostrecken der jeweiligen Jahre von Helge Kirchberger zur Hand, so kann man eine wunderbare Entwicklung seinerseits erkennen. Die ersten Fotografien waren deutlich reduzierter und weniger mutig. Es ist sehr interessant, wie sehr er sich entwickeln konnte, ohne dabei seine Arbeit zu sehr in den Fokus zu drängen. Einige andere Food- Fotografen, die sich einen Ruf erarbeitet haben, gehen einen anderen weg.
Abzüge in der Fotografie gibt es lediglich bei den Fotos dazwischen, welche die einzelnen Besuche von Martin Klein bei den jeweiligen Gastköchen zeigen. Sie wirken ein wenig ausgewaschen und schauen dabei aus, als ginge es um Fotografie aus den 90-ern.
Design
Das Design geht mit dem Stil der Fotografie einher. Wobei das Äußere zunächst nichts über den Inhalt vermittelt. Ich möchte sogar sagen, dass der Einband ganz und gar nicht den Eindruck transportiert, dass es sich um ein Kochbuch handelt. Die erste Eingebung ging eher in die Richtung eines Medizinbuches, wenn man die bläuliche Einfärbung ernst nimmt. Doch öffnet man diesen aktuellen Teil der Serie, so wird schnell klar, dass man es mit einem der besten Kochbücher dieses Jahres zu tun hat. Ein klares und aufgeräumtes Design, mit eingezogenem Pergamentpapier und einem durchgehenden, schlüssigen Konzept bietet sich hier dem Leser. Designtechnisch hat sich seit einigen Jahren im Vergleich zur Edition des vorherigen Bandes nicht allzu viel getan. Warum auch? Es gibt für meine Begriffe hier keinen Grund, dieses ausgewogene Druckwerk dahingehend anzufassen.
Fazit
Bei jedem Kochbuch stellt sich dann spätestens beim Fazit die Frage:“Für wen ist das Kochbuch eigentlich brauchbar“. Rein inspirationstechnisch kann jeder Hobbykoch hier viele Geschmackskombinationen erlesen und für seine eigenen Gerichte zu Hause in einer Art Adaption nachkochen. Ganze Rezepte in den heimischen Wänden nachzukochen halte ich dann doch für ein wenig zu herausfordernd, wenn man nicht alle hier eingesetzten Gerätschaften besitzt. Eine ganz klare Empfehlung für Fans der zeitgenössischen Kochkunst ist es allemal, für Profis sowieso. Ziemlich trendsicher und vorausschauend wird in Die Weltköche zu Gast im Ikarus das Kochen, welches heutzutage in den besten Restaurants der Welt stattfindet in einer Art kulinarischer Momentaufnahme gezeigt.
Der Preis wundert mich nun sechs Jahre nach dem Wechsel in den Pantauro Verlag immer noch sehr. Ist er mit 49,95 € extrem tief für das, was an Inhalt auf den Käufer wartet. Für mich ist es wieder ein wunderbares Weihnachtsgeschenk.