Mit dem scheidenden Jahr verabschiedet sich auch eine gastronomische Instanz von der Berliner Bühne. Daniel Achilles, der Küchenchef des Restaurant Reinstoff, hat bereits vor einigen Monaten die Schließung verkündet. Bis dato waren die historischen Edison Höfe sein Dreh- und Angelpunkt. Damit ist bald Schluss. So bleibt nicht mehr viel Zeit, um seine eigens dafür eingeläutetes „Best of“- Menü zu genießen. Für die letzten Wochen bildet er mit dem sogenannten „Goldenen Schnitt“ seine Lieblingsgänge aus der aufregenden Zeit im Reinstoff ab.
Höchstnoten bei den Kritikern
Wer Daniel Achilles kennt, der weiß, dass er ganz feines Kerlchen ist. Voller Demut und Bescheidenheit stellt er sich hinter seine Arbeit und lässt lieber seine Arbeit sprechen, anstatt lauthals in Berlin in die Offensive zu gehen. Normalerweise ist das nämlich zwingend notwendig, um auf dem stark übersättigten gastronomischen Markt in Berlin, gehört zu werden. Daniel ist das auf seine entspannte Art gelungen.
Für beinahe ein ganzes Jahrzehnt ackert er mit seinem Team im Keller des Restaurant Reinstoff. Es tut dies in einer, gemessen am Ergebnis auf dem Teller, sehr kleinen Küche. Wer diesen winzigen Raum schon einmal gesehen hat, wird schwer glauben, dass von Beginn an hier auf höchstem Niveau gekocht wurde. Der aktuelle Benchmark zeigt, dass er im Guide Michelin mit 2 Sternen, im Gault & Millau mit 18 Punkten, im Gusto mit 9 von zehn Pfannen und im Feinschmecker mit 3,5 Fs ausgezeichnet ist.
Man ist sich also einig:“Der kann was“. Und wenn sogar nach einem Jahrzehnt die Jury der „Berliner Meisterköche“ auf die Idee kommt, ihm endlich mal die längst überfällige Anerkennung/Unterstützung zukommen zu lassen, dann ist das wohl ein klares Zeichen, dass jeder Umweg nicht zu lang sein dürfte. Hier muss man einmal gespeist haben.
Kein selbsternannter Künstler mit Starallüren
Er erhebt weder sich noch seine Gerichte zur Kunst. Vielmehr sieht er es als einen Beitrag für die Gesellschaft und macht aus seinem überaus praktisch angesiedelten Alltag eher ein Handwerk als eine hoch angesehene Schöpfung der Menschheit. Das macht ihn für mich so sympathisch.
Das Ende naht
Doch lange bleibt für einen Besuch nicht mehr Zeit. Mit dem Ausklang 2018 schließen sich dann auch für immer die Türen. Daniel räumte ein, dass diese Örtlichkeit in diesem optisch sehr ansprechenden Bau von Beginn an nicht für eine Gourmetküche dieser Art ausgelegt war. Die Grenzen erreichte man nur zu schnell und offensichtlich auch zu häufig.
Ich selbst konnte das bei einem Teil meiner „Berlin Chef Stories“ bereits erleben. Die Küche im Keller ist derart eng, dass es rein logistisch bereits ein Unding sein muss, all das tägliche Mise en place zu bewältigen. Ich habe keine Zweifel, dass man hier enorm ruhig und gelassen mit sich und seiner Umwelt sein sollte, um auf Dauer zu bestehen. Und genau das ist Daniel mit seinem Team.
Entspannt, besonnen und mit der Beharrlichkeit war der Küchenchef ausgestattet, um dennoch an das Konzept zu glauben und um den Spirit auszustrahlen, den es wiederum benötigt, umdas Team anzustecken und mitzunehmen auf dem täglichen Ritt. Ganz besonders schwer stelle ich mir die Atmosphäre in diesen Tagen vor, wenn klar ist, auf was man eigentlich hin arbeitet. Dem Ende.
Bei all der Plackerei weiß man, dass hier nicht für den nächsten Eintrag im Restaurantführer gearbeitet wird, nicht für ein gutes Zeugnis und ebenso nicht für noch mehr verkaufte Menüs in der Folgesaison. Man arbeitet nur noch auf Sicht und das Tag für Tag. Jeder glückliche Gast ist hier mehr wert denn je, denn er wird vermutlich nicht wiederkommen. Man möchte die letzten geschickten Speisen auf bestmögliche Art und Weise zubereiten.
Der Goldene Schnitt
So begegnet man diesem Gast mit dem Besten, was man zu bieten hat. Zusammen mit seiner Mannschaft spielte Daniel die Jahre des Restaurants Reinstoff im Kopfe durch und begann darüber nachzudenken, welche Gänge für sein Menü, die sie in all der Zeit auf die Teller gebracht hatten, angemessen wären. Und sie haben es sich nicht leicht gemacht.
Herausgekommen ist ein letztes großes Menü in neun Gängen voller Highlights. Er bringt hier feinste regionale Spitzen der Kulinarik auf das Porzellan, welche aus dem Keller über den Speisenaufzug den Weg auf den Tisch finden. Natürlich kann ich mir hier jetzt die Mühe machen und das aufgenommene Wort, welches er mir für die Erklärung des Menüs gewechselt hat, mit meiner Sprache wiedergeben.
Aber er erklärt das so brillant und auf den Punkt, dass ich mich dazu entschlossen habe, die Aufzeichnung bereitzustellen. So gibt Daniel mit seinen eigenen Worten das Beste zum Besten. Neben den eigentlichen Gängen amüsiert Daniel vorab mit 5 Appetizern und natürlich gibt es auch im Nachgang ein Potpourri von 4 kleinen Petit Fours. Ich selbst hatte beim Fotoshooting bereits die Möglichkeit, die meisten Speisen zu kosten und kann sagen, ein Vorbeikommen ist ein Muss.
Unabhängig davon, wie wahrscheinlich es nun noch ist, dass man überhaupt einen Tisch ergattern kann, bleibt festzustellen, dass hier im Reinstoff eine große Lücke entstehen wird.
Appetizer
Schwarz und Weiß • Makrele Barbeque, Grüner Apfel • Einleger Gurke, Senf & Ei • Gebackene Zwiebel • Topinambur, Quitte
Menü
“Bonito-Eiscreme” • Feines vom Schwein aus Potsdam, Brühe, Shiitake & Kombu
“Grüne Buchtel” • Wildkräuter und Weinbergschnecken
“Heilbutt- Tatar” • Grünkohl und Birne
“Feine Kalbskutteln” & Räucheraal, Meerrettich & weiße Wurzeln
“Nagelrochen Königsberger Art” • Spinat, Salzzitrone und Kapern
“Lamm vom Gutshof Polting” • Kerbelrübe, Sonnenblumenkerne und Majoran
“Orangenblüte” • Mohrrübe und Sherry
“Cheddar” • Auster, Pumpernickel und Schalotten
“Wilder Kakao aus Bolivien” • und Maulwaurfshügel
Petit Fours
Meine erste Banane • Schöner Rumtopf • Dragierte Nüsse • Mandel- Marshmallow
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Auszeit mit offenem Ende
Was Daniel nach dieser Zeit machen wird, steht selbst für ihn noch in den Sternen. Angebote wird es sicherlich geben. Entscheidungen müssen da gewiss getroffen werden. Doch in welche Richtung sich das entwickeln wird ist ungewiss und wird für den Berliner Raum, in dem er sich offensichtlich weiterhin gern aufhalten wird, sehr interessant werden.
Ein Spitzenkoch wie Daniel hat mit Garantie eine Daseinsberechtigung in dieser sich stets erneuernden Gastrokultur Berlins. Hier ist ein erfolgreiches Restaurantkonzept eben nicht immer der Heilsbringer. Hier zählt es eben auch, auf die PR-Trommel zu hauen. Man muss sich unter das Volk bringen. Ich wünsche mir, dass Daniel einen weiteren Versuch wagt und erneut für einen kulinarischen Hochgenuss in der Spreemetropole sorgen wird.
Toll geschrieben. Ich kenne Daniel schon als er noch Azubi war. Seine Eigenschaften sind in der Szene wohl eher sehr selten abzufinden. Jedoch seine Entscheidung absolut verständlich.