Es gibt in Deutschland keinen großen Markt für Bücher aus dem Sternesegment. Wer hier auf diesem Niveau Rezepte braucht, muss sich in der Regel schon mit Werken von Köchen aus dem Ausland bedienen, quasi sogenannte Importtitel kaufen. Als diesjährigen Hoffnungsträger überhaupt in diesem Segment galt das angekündigte Buch von Christian Bau namens „bau.steine“, welches im Matthaes Verlag erschienen ist. Ich lese in diesen Tagen bereits die ersten Lobeshymnen auf das Buch. Ich versuche dabei immer, vorab keine Kritiken Dritter zu lesen, damit ich möglichst unvorbereitet meine ersten Eindrücke erhalten kann. Leider kann ich diese Lobeshymnen nicht singen. Warum lest Ihr besser selbst.
bau.steine – Das Kochbuch des Jahres von Christian Bau
Nun ist es da, es ist raus! Der große Wurf von Christian Bau ist erschienen und es sollte das neue moderne Kochbuch überhaupt werden. Christian Bau hat es auf seinem Kanal bereits noch und nöcher angepriesen. Für mich ist er der Küchenchef in der Dreisterneklasse, welcher die höchste Schlagzahl an Postings auf sozialen Medien hat. So konnte man bereits einige Fotos vorab sehen. Das kann von Vorteil sein, muss es aber nicht. Auch ist über Christian Bau in den vergangenen Wochen ziemlich viel berichtet worden.
Er hat ja das Bundesverdienstkreuz bekommen und wurde als erster als Koch mit diesem Orden ausgezeichnet. Tim Raue ist ja ebenfalls ein bekannter Koch, der mit einer Folge der wohl erfolgreichsten Kochserie geadelt worden ist. Er versinnbildlicht ebenso wie Christian Bau nicht die regionale Küche hierzulande, sondern stellt eine asiatische Küche auf außerordentliche Weise dar, keine Frage. Dennoch bleibt mein Wunsch am Rande, dass man vielleicht beim nächsten Bundesverdienstkreuz einen Kandidaten nimmt, welcher die deutsche Küche und deren Identität mit all seinen regionalen Feinheiten widerspiegelt. Derer gibt es ja unter Garantie mehrere in Deutschland, da bin ich mit sicher. Doch zurück zum Buch.
Christian Bau – innovativ, weltoffen und originell
„Christian Bau ist innovativ, weltoffen und originell – ein deutscher Koch, der die klassische französische Küche mit asiatischen Einflüssen verbindet. Ein gemeinsames Mahl, das ist das Urbild von Gastfreundschaft und einem friedlichen Miteinander. Als Meister der Kochkultur und als kulinarischer Botschafter trägt Christian Bau in herausragender Weise zu einem positiven Deutschlandbild bei.“
Denn hier wird ebenso dieses Thema aufgegriffen. Im Vorwort von Hartmut Ostermann, dem Gründer und Aufsichtsratsvorsitzenden der Victor`s Unternehmensgruppe, bleiben viele lobende Worte zu diesem Koch, welcher in seinem Hause nun schon seit 20 Jahren die Geschicke als Chef der Küche leitet.
Kurz darauf folgt ein sogenannter „Auszugsbericht“ von Dr. Christoph Wirtz, jener gleich besonders hoch einsteigt und von Künstlern wie Monet, Matisse oder Wagner schreibt bevor er Christian Bau in der selben Reihe nennt. Sieht man ihn etwa in selbigen Sphären Werke schaffen? Ausgestattet mit den Höchstbewertungen im Guide Michelin (3 Sterne), als „Koch des Jahres“ im „Gault & Millau“ betitelt und in sämtlichen Führern höchstbewertet kann man vermutlich von der Spitze des Berges sprechen. Mehr geht einfach nicht. Das ist respektvoll anzuerkennen. Ich finde das sehr beachtlich.
In diesem Auszugsbericht wird davon geschrieben, dass Bau oft schlecht von den Kollegen kopiert wird, das ist nun mit dem Kochbuch und den beiliegenden Rezepten viel einfacher, die werden es dankend annehmen. Herr Dr. Wirtz nennt seine Arbeit Kunst und dieses Kochbuch sei der aktuelle Stand selbiger. In diesem Lobgesang wird also dieser Anspruch gleich doppelt herausgehoben. Wer es noch nicht begriffen hat, dem sei jetzt gewiss, das ist ein Kunstbuch. Bescheidenheit hat hier keinen Platz.
Es geht direkt los – die Rezepte
Unvermittelt geht es nach diesen kurzen, unbescheidenen Sätzen direkt mit dem ersten Gang weiter, welcher über eine Doppelseite mit allen Gerichten des „Menu I“ eingeleitet wird. Keine Einleitung zur Küche, Philosophie oder autobiographische Inhalte. Der Leser wird auch nicht informiert, warum man in Menüs arbeitet, wonach die sortiert sind und warum genau diese Zusammenstellung gewählt worden ist. Man kommt einfach nicht aus der Deckung. Warum will sich mir auch später nicht offenbaren.
Die Vorspeise trägt den Namen „Japanischer Stein- und Gemüsegarten“. Als Subtext erfährt der Leser, dass hier rohes Gemüse, geeister Koriander und Ponzu enthalten sind. Darunter wiederum findet eine Auflistung aller angerichteter Komponenten statt. Insgesamt 19 sind es gleich zu Beginn. Bei Christian Bau findet auf den Tellern noch die Materialschlacht ab, welche andere Köche mehr und mehr abgeschworen haben. So nicht Christian Bau. Hier braucht man viele, viele Hände um die Kunstwerke anzurichten. Eine Seite weitergeblättert offenbart sich dann der zu erwartende Arbeitsaufwand, will man denn diesen Gang nachbauen.
Ich habe mir genau dieses erste Rezept sehr penibel angeschaut. Denn der Käufer hat mit dem Erwerb den Anspruch auf Vollständigkeit, Richtigkeit und natürlich auf eine gewisse Gelinggarantie. Schaue ich mir als Profi die Rezepte an, habe ich gelinde gesagt große Probleme mit dem Verständnis. Ich frage mich, ob dieses Buch die Kochausbildung voraussetzt. Selbst mit dieser Ausbildung habe ich immer noch große Zweifel, dass diese Rezepte umgesetzt werden können. Zu ungenau sind die Angaben. Daher formuliere ich einige Fragen zu den ersten Rezepten.
Zum Beispiel wird hier der Thermomix bei sechs von den hier 15 aufgeführten Rezepten genutzt. Dieses Gerät hat insgesamt 10 verschiedene Stärkeeinstellungen beim Arbeiten mit dem Messer. Ich kann in keinem der Rezepte erkennen, welche genutzt werden soll. Ich habe zwar überall die Temperatur vorgegeben, aber niemals wie stark das Gerät rühren, schlagen, mixen, pürieren oder mahlen muss.
Thermomix, Pacojet, Schockfroster
Dieser Thermomix kann sehr stark sein und hat mehr als 10.000 Umdrehungen pro Minute, wenn man denn will. Hier kein einziges Mal die Stärkeangabe zu liefern, führt unweigerlich zu Problemen bei der Herstellung bzw. lässt den Anwender zu Hause mit dieser Herausforderung alleine. Man muss dabei wissen, dass derjenige, welcher diese Dinge nach der Anleitung zubereitet, nicht weiß, wie sie auszusehen haben. Insofern sind genaue Angaben zwingend.
Des weiteren werden hier Flüssigkeiten mit Volumenangaben versehen. Das ist natürlich beim Backen von Kuchen oder ähnlichen Dingen, die nicht höchst akkurat bemessen sein müssen, um zu funktionieren, in Ordnung. Seitdem aber Texturas wie Xanthan, Lecithin oder Iota den Weg in die Küche gefunden haben, sind genau Mengenangaben unerlässlich. Flüssigkeiten sollten in Gramm gewogen statt in Volumen gemessen werden.
Ich kann mir auch nicht vorstellen, dass das in seiner Küche anders gehandhabt wird. Ich erinnere mich an das Kochbuch von Nils Henkel, bei dem zum ersten Mal konsequent von dieser Methode Gebrauch gemacht und dies von Anfang an auch im Vorwort dem Leser so mitgeteilt wird. Der Leser, welcher hier Gerichte nachkochen möchte, benötigt eine sehr genaue Grammwaage. Ein Hinweis dazu fehlt ebenso. Die hier aufgeführten Koriander- Eisperlen sind ein weiteres Beispiel, bei dem ich schon beim Lesen der Meinung bin, dass die knappen Angaben mir nicht reichen, um hier Erfolg bereits beim ersten Kochen zu haben.
Volumen kontra Gewicht
Dort ist zum Beispiel davon die Rede, dass man einen Kräuter- Limettenmix nach dem Aufkochen 20 Minuten ziehen lassen soll. Soweit so gut.
Danach kommt die Ansage „…Anschließend passieren und im Thermomix mit den blanchierten Kräutern auf 80°C mixen…“. Wie soll ich hier verfahren? Soll ich die Dinge in den kalten Thermomix legen und so lange mixen bis 80°C erreicht sind? Wie lange soll dann gemixt werden?
Auf welcher Stufe soll gemixt werden? Wer den Thermomix kennt, weiß, dass bei beim Arbeiten mit Temperatur der Mixer maximal bis Stufe 5 mixt und bei höheren Drehzahlen die Temperatur herausnimmt.
Reicht der Drehmoment bei dieser Stufe denn aus, um dieses feine Püree hinzubekommen? Muss ich dann entkoppelt von der Hitze auf der maximalen Drehzahl mixen, so wie ich mir das beim Anblick des sehr feinen Ergebnisses gerade denke?
Beim nächsten Rezept, dem Schnittlauch-Öl, wird ebenfalls auf 80°C erhitzt, dort steht, wie lange man dann bei dieser Temperatur das Öl noch mixen soll.
Zuletzt folgt dann das Anrichten. Hier wird ein Sprachjargon genutzt, den man entweder aus dem Militär kennt oder man vertraut ist, wenn wirklich schon einige Zeit hinter dem Herd verbracht wurde. So wird hier beispielsweise die Sojagurke auf „3 Uhr“ platziert oder die temperierten Steine aus Yuzu-Miso auf „6 und 12 Uhr“.
Ein heimisches Zubereiten halte ich bei diesem Gericht für ausgeschlossen, es sei denn man ist im Besitz von allerlei Texturas (Iota, Agar Agar, Xanthan, etc.), Stickstoff, einem Thermomix und Schockfroster. Aber genau diesen Punkt würde ich niemals bei einem Kochbuch negativ bewerten. Für mich soll in Büchern immer Vollgas gegeben werden ohne Rücksicht auf den Nachahmer. Das wäre ja so als würde man dem Maler die Farben nehmen, um einmal im Bereich der Kunst zu bleiben.
Dennoch wünsche ich mir bei einem Kochbuch dieser Preisklasse ein viel genaueres Ausarbeiten der Rezepte. Wenn man bedenkt, dass auf dieser Doppelseite insgesamt 15 Rezepte Platz finden, dann ist das schon recht naheliegend, dass diese aufs Maximalste reduziert sein müssen. Leider ist das hier auf Kosten der Verständlichkeit durchgeführt worden und die Funktion des Kochbuches leidet fürchterlich.
Seit wann ist Bonito vegetarisch?
Beschreibungen zu den Gerichten sind recht spärlich. Es wird das Rezept vermittelt und die Anrichtweise beschreiben. Viel mehr gibt es bei den meisten Gängen nicht. Ab und zu wird bei einigen dann doch mehr Raum geboten. So lese ich beim Text des „Heilbutt“, welcher auf einer ganzen Seite großflächig ausgerollt wird, „…Eine ideale Frühlingskombination: junge Erbsen, gedünstete Morcheln und üppige Vin-Jaune-Sauce – ein wunderbar süffiger, frischer, vegetarischer Zwischengang…“.
Irritiert von diesem Anreißer, der am Ende einen Fischgang ankündigt, schlage ich nach, ob denn wenigstens das Trio Erbse, Morchel und die üppige „Vin-Jaune-Sauce“ gemeint waren und jene ohne Tierbestandteile auskommen. Der Erbsensalat und die gedünsteten Morcheln sind allesamt frei von tierischen Produkten. Die Vin-Jaune-Sauce wird mit dem Verweis auf die Dashisauce hergestellt.
Diese wiederum wird mit Bonitoflocken in diesem Buch zubereitet und ist somit nicht vegetarisch. So frage ich mich folgerichtig, warum man derart ungenaue und irritierende Formulierungen bzw. Anteaser nutzt, wenn diese einfach nicht stimmen. Selbiges Szenario stelle man sich im Restaurant vor. Es wäre ebenfalls nicht zu erklären?
Steigende Frustration mit jeder Seite
So sind solche Fehler bzw. Irritationen sicherlich kein Beinbruch, allerdings hat man ja hier die Speersitze der deutschen Köche vor sich liegen. Da ist die Erwartungshaltung natürlich groß, gerade wenn die Vorworte vom künstlerischen Anspruch reden. Aber lassen wir mal diese Feinheiten der Rezepte beiseite und widmen wir uns den Speisen an sich.
Diese sind ganz sicher in der Zusammenstellung, in der Anrichteweise, in der sehr detaillierten Stilistik unvergleichlich. Christian Bau nutzt immer nur die besten Produkte. Dabei spielt es keine Rolle, woher die kommen. Viele, viele Zutaten werden von entfernten Ländern importiert, wie zum Beispiel das japanische Rindfleisch, der Thunfisch oder die Makrele. Regionalität wird bei lokalen Highlights wie Rhabarber oder Spargel gerne hochgehalten und kommuniziert, spielt für meine Begriffe aber in diesem Kochbuch keine große Rolle. Ist ja auch nicht seine USP.
Die Bandbreite der sieben Menüs ist dabei schwer einzuordnen. Seine Stilistik vereint viele Stile. Japanisch-asiatische mit solchen, welche eher den französischen Basics zuzuordnen sind. Dabei gilt für ihn immer nur von allem das Beste. Dabei ist er stets akkurat, stets penibel in der Ausführung. Er definiert sich sehr über seine Arbeit, sein eigener Claim „Do things with passion or not at all“, der mich irgendwie immer an Adidas erinnert („All in or nothing“), ist auf die Haut tätowiert, ebenso wie die drei Sterne des Guide Michelin.
Keine Story – lediglich ein weiterer Show off?
Doch was mich bei diesem Buch neben Rezepten oder den eigentlichen Gerichten interessiert hat, ist die Story hinter all dem Ganzen.
Normalerweise beginnt bei mir eine Buchbesprechung mit dem Hintergrund des Kochs, damit man als Leser begreift, warum er die Dinge umsetzt, wie er sie eben umsetzt. Davon ist man hier weit entfernt. Die Texte zwischen den Rezepten, die den Menschen Christian Bau dem Leser näher bringen könnten, sind bestenfalls als kurzer Anschnitt zu sehen. Hier wird viel zu knapp umrissen, warum denn zum Beispiel eben die japanische Kultur so viel Einfluss hat. Ich bin nachdem Lesen teilweise so schlau wie vorher. Erst das letzte Werk aus dem Matthaes Verlag namens „Maaemo“ zeigt, wie es geht.
Hier lese ich seitenweise über den Werdegang, über die Philosophie, über die Aufs und Abs des Küchenchefs Esben Holmboe-Bang. Das erklärt die Art des Kochens, das bringt näher, warum ich das vielleicht auch selbst so machen sollte, das inspiriert mich. So etwas macht einfach mehr Spaß.
Bei „bau.steine“ habe ich das Gefühl, man hält es für einen obligatorischen Inhalt, den man irgendwie mit Wörtern füllen muss. Es ist eine vertane Chance, mehr über Christian Bau zu zeigen. Vielleicht mehr darüber zu erzählen, was er in Deutschland vermisst, wenn es vielleicht um die Frage des Berufsbildes Kochs und dessen Zukunft geht. Hat Christian Bau nichts zu erzählen? Ich bin sicher, da gibt es viele Dinge, die es wert sind, weitererzählt zu werden.
So bleibt es nur ein weiterer „Show off“ eines großartigen Küchenchefs mit seinen ausgeklügelten Speisen, die vielleicht die Profis verzücken mögen aber die Leute mit Interesse an der Kochkunst und dem Background der Person, die das schuf, ernüchtert zurücklässt.
Bildsprache und Design
Kommen wir zu einem weiteren heiklen Punkt, jedenfalls für mich. Und hier mache ich wieder darauf aufmerksam, dass ich es für ausgeschlossen halte, Buchkritiken objektiv zu halten. Die persönliche Meinung fließt immer mit ein. Ich selbst fotografiere gerne Speisen und habe vielleicht auch daher eine sehr eigene Ansicht, was schöne Food-Fotografie ist.
Bei der hier gezeigten, bin ich mir sicher, dass auch Lukas Kirchgasser einer der besten Fotografen ist, die Deutschland mit zu bieten hat. Jedoch bin ich von der Entwicklung des Bildmaterials und wie es sich hier für mich darstellt nicht zufrieden. Für mich muss Essen in seinen Farben immer natürlich, nach Möglichkeit appetitanregend und ansprechend fotografiert sein.
Blättert man durch die Seiten so merkt man schnell, dass alles voll von Licht- & Schattenspielen durchzogen ist. Dabei sind die Gerichte ziemlich kontrastreich und dunkel entwickelt. Die Farben wirken dabei in der Strahlkraft unnatürlich, das man schnell das Gefühl bekommt, dass dies so in der Realität nicht vorkommt, insbesondere bei den grünen Tönen. Gerade bei Themen wie dem Essen ist es ja das Beste, alles möglichst realistisch zu belassen. Selbiges wird zudem noch bei der Einzeldarstellung der Produkte durch viel zu harte Konturen an die Grenze gebracht. Hier wurde eindeutig zu viel gephotoshopped. In der Summe wirken die Bilder so künstlich, düster und nicht appetitlich. Wenn ein Teller mit hervorragend, perfekt zubereiteter Speisen, wie die eines Christian Baus, nicht Lust auf den Verzehr machen, dann kann irgendwas nicht stimmen, meiner Meinung nach.
Beim Design bin ich recht ambivalent. Zum einen zeigt man hier, wie richtig gut man es umzusetzen vermag, viele Informationen mit einer geeigneten und wunderbar modernen Schrift mit passendem Layout funktional und ansprechend aufzuarbeiten.
Auf der anderen Seite greift man zwischendurch auf eine Serifenschrift zurück, bei der ich rein gefühlstechnisch zehn Jahre in die Vergangenheit reise. Merkwürdigerweise kommt diese zum Einsatz, wenn man rein erzählerisch im Buch über die Vergangenheit berichtet. Leider wirkt sich das auf die Gesamtstimmung im Buch aus. Auch wie die Bilder bei der Übersicht der Menüs oder den Rezepten gesetzt sind, überzeugt mich nicht und erinnert ziemlich stark an die späten Neunziger als man viele Bücher auf diese Art gestaltet hat.
Was man aber ebenfalls den Produzenten dieses Buchs zugute halten muss, ist die exzellente Auswahl des Papiers und der Druck. Es hat eine wundervolle Haptik und eignet sich extrem gut für die Darstellung von Speisen. Es macht sehr viel Freude, dieses Papier anzufassen. Auch bei der sehr exakt gedruckten Seitenzahl kann man erkennen, dass hier richtig gut gearbeitet wurde.
Fazit
Dieses Kochbuch ist für mich so leider eine Enttäuschung. Natürlich sind die gezeigten Speisen eine großartige Ansammlung von hochwertigen Gerichten mit größtmöglichem handwerklichen Vermögen. Dennoch bin ich der Meinung, dass ein Kochbuch auch eine Funktion erfüllen muss, nämlich die eines Kochbuchs. Es soll mit genauen Rezepten reproduzierbare Ergebnisse herleiten.
Ein Rezept bildet naturgemäß alle notwendigen Informationen, die zum gezeigten Gericht führen, dar. Andernfalls verliert es die ursprüngliche Funktion und das wirkt für den ungelernten Käufer frustrierend. Der wird den Fehler nicht finden und an sich zweifeln. Ich habe noch keines der Gerichte oder Teile davon nachkochen können, dennoch ergeben sich beim ersten Lesen bereits viele Fragen, was meines Erachtens nicht sein sollte.
Auch ist dieses Buch in der Art und Weise, wie die Speisen gezeigt werden für mich nicht sehr ansprechend. So bin ich stark enttäuscht über ein Buch, welches auf den ersten Blick wie ein großer Wurf ausschaut aber mich bei genauer Betrachtung mit einem Stirnrunzeln zurücklässt. Schade.
Vielen Dank für die Rezension. Wie immer sehr treffsicher.
Vor Einstellen dieses Kommentars habe ich zunächst eine Weile verstreichen lassen. Außerordentlich gespannt holte ich das Buch bereits am Erscheinungstag bei meinem Buchhändler ab und musste schnell feststellen: mit den Rezeptbeschreibungen komme ich ebenfalls nicht immer klar. Mir fehlen ebenfalls elementare Hinweise. Wird der Loch-Duart Lachs mit seinen weiteren Zutaten jetzt kalt serviert? Ja, muss ich mir aber selbst denken. Andere Rezepte sind für mich ebenfalls nicht plausibel. Da hat offenbar niemand gegengelesen, ob die Ausführungen des Fachmanns auch für den Leser noch verständlich sind.
Auch gehört für mich zu Büchern dieser Art und Güte immer eine Beschreibung des Umfelds hinzu. Was treibt und trieb den Autor an, um zu dem ausgezeichneten Koch zu werden, der er zweifelsohne ist. Bücher dieser Art faszinieren mich, weil es Bücher von „Besessenen“ sind. Das kommt in diesem Buch leider ausschließlich mit den Bildern der Gerichte rüber. Sie allein sollen für sich und den Koch sprechen. Zu wenig.
Einige sehr schöne Anregungen und Zubereitungstipps ziehe ich jedoch auch aus Teilen von Baus Rezepten. Heute wird das ansonsten Werk in einer weniger beliebten und beachteten Ecke meines Bücherregals landen. Ob ich es behalte ist noch ungewiss.
Zur Einordnung: ich bin nur ein Freizeitkoch. Das Buch bietet mir einige Inspirationen, der Funke vom Autor zum Leser springt bei mir aber nicht über.
Vielen Dank für diesen ausführlichen Bericht Deinerseits. Ich bin mir sicher, dass Du Dir auch viele Gedanken vorab gemacht hast. Ich bin der Meinung, dass viele der deutschen Spitzenköche, Ihre eigenen Kochbücher viel zu sehr als Show-off nutzen, um zu zeigen, was sie alles können.
Dabei wird allzu oft der Konsument außen vor gelassen. Kein Mensch hat etwas von einem „Kochbuch“, welches die eigentliche Funktion verliert, weil die Gerichte in der Produktion nicht verständlich dargestellt werden. Vielleicht sollte man dann wirklich darüber nachdenken, dass man lieber einen umfangreichen Bildband produziert und stattdessen mehr informative und spannende Geschichten über den Koch erzählt. So wäre keiner enttäuscht. Gerade die Entwicklung und Umsetzung der Rezepte verschlingt ja wahnsinnig viel Zeit.
Ich finde es schade, dass Du selbst sogar anmerkst, dass dieses Buch wohl eher selten herausgeholt wird. Die Kochkunst von Christian Bau sollte viel mehr die deutschen Gastronomiebegeisterten beschäftigen.
Schöne nachvollziehbare Kritik. Nachdem in den anderen vorangegangenen Bau-Büchern sehr viel mehr über ihn und seinen Werdegang stand, fand ich es nicht schlimm, wenn dieser Teil im aktuellen Buch fehlt bzw. zu kurz kommt. Tatsächlich war ich eher enttäuscht, dass es keine Hochglanzfotos gibt, sondern alles wie ausgedruckt auf dem heimischen Farblaserdrucker aussieht und man gerade bei dunkleren Bildbereichen einzelne Farbpixel wie ein Rauschen wahrnimmt.
Zu den Rezepten selbst, die sind im Vergleich zu den früheren Büchern noch aufwendiger (mehr Komponenten) und die damals schon grenzwertig kurzen (und teilweise fehlerhaften bzw. verwirrenden) Beschreibungen der Zubereitung noch kürzer geworden. Es ist schon schwierig, als Hobbykoch überhaupt noch einen einzelnen Gang zu finden, der sich komplett nachkochen läßt.
Beim Lesen Ihrer Kritik befiehl mich übrigens eine Art déjà-vu-Gefühl. So wie Sie bemängeln, dass es für ein High-End-Kochbuch nicht ausreicht, nur die Gerichte zu präsentieren und es wohl eher um Show-off geht… so ähnlich ging es mir bei meinen beiden Restaurantbesuchen bei Herrn Bau. Das Essen hatte zwar dem Anspruch genügt, eine der besten (oder gar die beste) Küche(n) Deutschlands zu sein, allerdings der Gesamteindruck, das Drumherum konnten nicht mithalten. Für die „100%“, die Bau immer anstrebt, für das Bestreben, „Menschen glücklich“ zu machen (wie beides so schön auf seiner Homepage steht), reicht eben das tollste Essen alleine nicht aus. Es muss eben alles passen.
Nichtsdestotrotz ist dieses „Koch“-Buch einfach ein schöner Bildband zum Anschauen oder Erinnern und zumindest einzelne Komponenten kann man ja durchaus auch nachkochen und somit etwas tiefer in die Genußwelt Baus eintreten.