Im Herbst kommen erfahrungsgemäß recht viele Kochbücher auf den Markt. So widme ich mich auch in diesem Beitrag einer Neuerscheinung. Dieses Mal stammt sie aus dem Hause Matthaes und der Autor ist nach wie vor besonders umtriebig. Heiko Antoniewicz gibt sich hier wieder die Ehre und hat sich mit diesem Streich der vegetarischen Kost auseinandergesetzt. “Vegetarisch – Green Glamour” ist eine Hommage an das Gemüse, welchem er in diesem Band zu einem glanzvollen Auftritt verhelfen möchte.
Vegetarisch – Green Glamour von Heiko Antoniewicz – kein normales Veggie- Buch
Wer jetzt jedoch denkt, dass dies nur noch ein Weitere dieser unzähligen Publikationen zum Thema vegetarische Küche ist, der verkennt Heiko. Er selbst ist ein sehr fleißiger als auch pedantischer Tüftler, der zusammen mit seinem langjährigen Kollegen Adrien Hurnungee bereits so etliche Kochbücher veröffentlicht und Events und Kochkurse gegeben haben. Der Mann weiß erstens wovon er spricht und zweitens setzt er sogar eigene Trends. Dieses Mal war ihm eine sehr farbfrohe Inszenierung wichtig, das werdet Ihr sofort bemerken, wenn Ihr das Buch aufschlagt.
Warum eigentlich “Glamour”?
Für Heiko besitzt Gemüse eine ganz besondere Schönheit. Das hat für ihn schon mit der Vielfalt der Gemüsesorten zu tun. Die vegetarische Küche hat ihren ganz eigenen Reiz, man darf nur nicht den Fehler machen, und sie wie einen Ersatz zu behandeln oder gar als Beilage zu degradieren. Es steckt eine abwechslungsreiche Vielseitigkeit in ihr, das muss man erkennen, um nicht ständig in die Verlegenheit zu kommen, sich dem immer noch stark präsenten Dogma hinzugeben, dass Fleisch und Fisch bei einem Gericht quasi ein Muss sind. Wohl kaum.
Glamour steht für H. Antoniewicz absolut im Zusammenhang mit Gemüse – für ihn vor allen Dingen in Bezug auf die Schönheit und dem Spiel mit ihr. Die Verschwendung von Lebensmitteln, welche nicht den Normen entsprechen, wird hier fokussiert. So entschied man sich bei der Produktion des Buches obendrein für den Einsatz von sogenannten “Misfits”, das sind Früchte mit einer nicht genormten Form. So versucht er aufzuzeigen, dass solches Gemüse dennoch schön sein kann, weil es etwas Besonderes und Einzigartiges verkörpert.
Gemüse ist eine Diva
Gemüse ist auch nicht so einfach zu handhaben, wie zum Beispiel Fleisch. Das fängt bereits bei der Verderblichkeit an, die viel kürzer erreicht ist, als beim Fleisch. Garfehler werden ebenso nicht so schnell verziehen, wie bei den tierischen Produkten. Gemüse will beachtet und richtig behandelt werden. Beim richtigen Umgang belohnt das Gemüse den Koch mit einer unglaublichen Geschmacksvielfalt und optischen Reizen, wie sie kaum ein Stück Fleisch zu schaffen vermag.
Vegetan
Heiko geht sogar noch einen Schritt weiter und offeriert dem Leser ein Buch, welches weitestgehend ohne tierische Produkte auskommt. Der Einsatz von Sahne zum Beispiel führe dazu, dass bei den meisten Gemüsesorten der Geschmack auf der Strecke liegen bliebe. Diese künstliche Beschränkung sorgt natürlich für einen erhöhten Schwierigkeitsgrad, da das Kochen so neu gedacht und ausgerichtet werden muss, um den Ansprüchen eines “runden” Gerichts zu entsprechen. Dabei spielt nicht nur der Einsatz der verschiedenen Teile des Gemüses eine Rolle, sondern auch die unterschiedlichen Wachstumsperioden, welche die Sorten ebenso im Geschmack verändern.
“Stellt man die vegetarischen Protagonisten allein auf die kulinarische Bühne, dann entwickeln sie Inder Tat etwas, was man ihnen – neben wirklich intensiven und abwechslungsreichen Geschmack – normalerweise gar nicht zutraut: Glamour.” Heiko Antoniewicz
Ein Löffel – ein Biss
Seine vegetarische Reise startet Heiko recht klassisch mit Amouse Bouches im Löffelformat. Der Löffel präsentiert stets ein Zusammenspiel, welches bei der einmaligen Aufnahme im Mund naturgegeben nur einen Versuch für das perfekte Geschmackserlebnis zulässt. Darum gilt es hier bei der Optik und dem Gusto stets Vollgas zu geben. Man kennt das vielleicht bereits von “The Taste”, einer Kochshow, welche sich dem Konzept der Löffelnahrung komplett verschrieben hatte und die Anwärter auf den Hauptgewinn Löffel für Löffel haben zubereiten lassen. Viele haben diese Disziplin unterschätzt, da es eben von 0 auf gleich rein geschmacklich so richtig knallen muss.
An dieser Aufgabe kann sich der Leser dieses Kochbuchs beim Nachkochen der Löffel von Heiko versuchen.
Er tischt beispielsweise “Meeresspaghetti mit Norisauce und Sesamcreme” oder einen “Erdnussbrioche mit Erdnusspaste und Waldsauerklee” auf. Aber auch die bodenständigen Produkte kommen zum Einsatz. Ein Salat von Belugalinsen mit Linsencreme von Roten Linsen passt mit etwas Leinsud ebenso auf den Löffel wie der “Sellerie”- Spoon mit Püree, Blättern und einer eingelegten Version des Knollengewächses.
Mehr als ein Augenblick
In diesem Buch setzt man hier sehr stark auf das Visuelle. Das erkennt man an der regelrechten Porzellanparade, die man mit viel farbenfrohen Teilen, welche sich nicht wiederholen, erkennt. Auch die farbliche Zusammenstellung der eingesetzten Gemüsesorten ist entsprechend kontrastreich abgestimmt. Heiko arbeitet so das Thema Glamour sehr gezielt heraus. Bei der Bildsprache setzt man viel auf das Spiel mit Licht und langen Schattenwürfen, das wirkt dramatisch und fügt sich dem Thema passend.
So hat Heiko auch keine Schwierigkeiten, jedes seiner Gerichte aussehen zu lassen, als wären sie alles andere als alltäglich. Zum Beispiel würde sich ein Gang mit Aprikose, Polenta und Steinpilz längst nicht so spektakulär lesen, wie er ihn am Ende des Tages auf dem Teller aussehen lässt. Hier wirkt es sehr edel und grazil, eben divenhaft.
“Wir folgen in unserem Menü nicht mehr den klassischen Regeln sind servieren alle Gerichte in gleicher Portionsgröße”. Heiko Antoniewicz
farbenfroh und verspielt
Die Gerichte gefallen allesamt sehr und sind schon aufgrund der sehr ideenreichen Zusammenstellung extrem attraktiv. So zum Beispiel auch “Artischocke/Blaumohn/Gurke”. Hier wird ein Artischockenboden Sous Vide gegarte und hinterher mit Artischockengemüse, -schaum einer Blaumohncreme und gebundenen Gurkensaft angerichtet. Ein Gericht, welcher die Vielschichtigkeit der Artischocke wunderbar aufzeigt. Für mich lebt meiner Meinung nach die Artischocke durch solche Kompositionen wieder auf, nachdem ich das Gefühl hatte, sie sei mit der krass klassischen französischen Küche in der Versenkung entschwunden. Vielen Dank für solch wunderbaren Gerichte!
Die Speisen sind in ihrer Zubereitung höchst funktional beschrieben. Man lässt sich zumeist auf einer wenn nicht sogar auf zwei Seiten Platz, um die einzelnen Komponenten jedes Ganges in kleinen Absätzen mit den Zutaten und der Anleitung zu umschreiben.
Großartige Gemüsedesserts
Ganz gleich, ob denn der Trend von Gemüsedesserts sich hierzulande durchsetzt oder nicht, man muss aber für die Arrangements von Heiko eine Lanze brechen. Das ist für mich derzeit das beste deutsche Kochbuch mit Rezepten solcher Art, welches man für Geld kaufen kann. Ich würde es schön finden, würden sich auch hier einige Köche in ihren Büchern mehr trauen. Diese Versionen von derartigen Dessertspeisen aber auch Gemüsekompositionen gefallen mir sehr.
Aufgelockert werden die Rezepte mit Aufnahmen einzigartiger Gemüsesorten, die so fotografiert absolut den Glamour verkörpern, von dem Heiko einleitend spricht.
Fazit
Vegetarisch – Green Glamour ist ein Kochbuch für jedermann. Das Buch ist in sich absolut dass, was es auch verspricht. Es hebt das Gemüse spielend leicht auf den Glamour-Status ohne dabei allzu viel von ihm zu verändern. Heiko beherrscht nicht nur den Kochbuchmarkt sondern auch das Spiel mit den Aromen und den Geschmäckern und steht dabei absolut im Einklang mit dem Zeitgeist. Das Geld für den Erwerb des Buches ist absolut sinnvoll investiert, wenn Du Dich im Kopf einmal frei machen möchtest, von den standardisierten Speisekonzepten.
Dass hier überall der Fisch und das Fleisch gefehlt hat, ist mir beim Blättern kaum aufgefallen. Ist wohl ein sehr gutes Zeichen und sicherlich auch der Weg der Gastronomie überhaupt, wenn wir uns in Zukunft mehr von solchen Konzepten überzeugen und leiten lassen. “Vegetarisch – Green Glamour” bekommt von mir eine uneingeschränkte Kaufempfehlung.