Im Grunde genommen trinke und genieße ich Alkohol eher selten, eigentlich fast nie. Gehe ich aus und möchte vielleicht in Gesellschaft drei oder mehr Gänge in einem eleganten Restaurant genießen, gibt es jedoch immer Wein oder seit neuerdings gerne auch ein Bier, wie kürzlich im BRLO. Auf die Idee, das Menü einmal alkoholfrei begleiten zu lassen, komme ich dabei in der Regel nicht.
Zu fest ist das Ritual eingebrannt, ich möge doch mit einem anständigen Wein anstossen. Warum das so ist und was dagegen getan werden kann, hat Nicole Klauss jetzt in ihrem Buch über die alkoholfreie Speisenbegleitung namens “Die neue Trinkkultur” veröffentlicht.
Die neue Trinkkultur • Der Schlüssel geht auch hier über das “Pairing”
Nicole Klauß weiß wovon sie spricht. Sie ist Halbjapanerin und verträgt daher, wie viele andere Asiaten, Alkohol nicht so gut. Einst war sie während der Schwangerschaft von der sehr eingeschränkten Auswahl bei den Getränkebegleitungen ohne Alkohol stark gefrustet, da sie lediglich über Wasser mit oder ohne Gas entscheiden konnte, während ihr Mann sämtliche Infos über das Anbaugebiet, die Lagerung oder auch die Ernte des angebotenen Weins mantraartig heruntergebetet bekam. Derartiges ärgerte sie so sehr, dass Nicole Klauß sich dem Thema annahm und nun ein Buch zu diesem Thema veröffentlichte.
Auf diesen mehr als 260 Seiten zeigt sie, was heute selbst in besternten Restaurants Gang und Gebe ist und wie einfach es doch wäre, zu den Gerichten ein passendes Getränk ohne Alkohol zu servieren.
Es geht nicht um Verzicht, sondern um ein Geschmackserlebnis
So ganz neu ist diese Art eines korrespondierenden Getränkes auch nicht. Ich möchte meinen, bereits seit fast einem halben Jahrzehnt wird diese Marktlücke nach und nach in den Gaststätten angegangen. Nach den Vegetariern, Laktosointoleranten, Glutenallergikern, Frutariern und weiteren Allergien oder Intoleranzen widmet man sich nun auch den Verfechtern der flüssigen, alkoholfreien Getränkekultur. Ich finde das löblich, konnte ich doch den positiven Effekt bei einem mehrgängigen Menü einmal miterleben.
Gerade bei längeren Speisenfolgen erschleicht sich ab dem dritten und vierten Gang das Gefühl, dass man bei all dem Wein so kaum noch die Aufnahmefähigkeit besitzt, welche einem abverlangt wird, um die großartigen Gänge, die einem vorgesetzt werden, zu verstehen.
Bei Marco Müller, einem der Spitzenköche in Berlin mit zwei Sternen im Guide Michelin, frönte ich einer Menübegleitung mit Spitzensäften. Bereits nach den ersten Gängen wird einem schnell bewusst, dass es eigentlich mit den passenden Getränken sehr gut funktionieren kann. Beim Einsteigen ins eigene Vehikel hinterher wurde mir zudem auch noch verdeutlicht, dass ich das anschließend gesparte Geld für die Taxifahrt sehr gut auch in das nächste Menü stecken könnte.
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Nicole Klauß offenbart einfache Tricks
Dass solch ein nicht-alkoholisches Pairing keine Hexerei ist, zeigt N. Klauss in ihrem Buch. Dort stellt sie nach der Einleitung und der Erklärung zur Begrifflichkeit des “Pairings” die Möglichkeiten für solch eine Anwendung in den unterschiedlichsten Kapiteln dar. Diese lauten “Wasser”, “Saft”, “Milch”, “Tee”, “aromatisiertes Wasser”, “Scrubs & Co.”, “Kombucha”, “Wasserkefir” und “Aperitif”. In jedem dieser Abschnitte verbirgt sich neben einer Erklärung zur jeweiligen Rubrik auch ein Leitfaden zur praktischen Anwendung.
Wasser-Pairing
Das Wasser-Pairing ist zum Beispiel hier recht ausführlich umschrieben. Viele Faktoren spielen eine Rolle, inwiefern denn nun zum Beispiel ein Wasser vom Mineralstoff- oder auch Kohlensäuregehalt her zur Vorspeise passt oder nicht. Ebenfalls wird hier ein Blick auf die Trinktemperatur geworfen und erklärt, wie diese sich zum Beispiel auf den Geschmack selbst auswirkt.
Sehr gut wird das Wasser in Verbindung mit Lebensmittelgruppen wie zum Beispiel Käse, Sushi, Gemüse, oder auch Pastagerichten beschrieben.
“Wie ein Sommelier, der sich im Laufe der Zeit eine Art Weinbibliothek in seinem Kopf anlegt, sollten auch Sie neugierig bleiben und Ihre ganz persönliche Wasserbibliothek mit neuen Einträgen füllen.”
Rezepte, Erklärungen, Anlaufstellen
Ebenso verhält sich diese Herangehensweise bei den weiteren Themenfeldern, die auf diese Art ausreichend umfangreich und kurzweilig dem Leser nährgebracht werden. Hier und da wird zudem mit einigen Mythen aufgeräumt. Abschließend finden sich auf zehn Seiten noch einige Rezepte und Restaurantempfehlungen, welche eine Art Vorreiterrolle genießen. Final findet man im Anhang noch eine Vielzahl an Pairings, welche zu bekannten Speisen ihrer Meinung nach sehr gut harmonieren.
Fazit
Im Großen und Ganzen ist dieses Buch sicherlich in erster Linie kein Koch- bzw. Getränkebuch im klassischen Sinne, da es im Kern um die Vermittlung von Sachwissen denn Kochkunst geht. Dennoch gibt es dem Leser die Kenntnisse in die Hand sich mit der Thematik des Pairing vertraut zu machen, und diese Technik in der heimischen Küche anzuwenden. Rezepttechnisch hätte ich mir sicherlich etwas mehr Beispiele gewünscht, doch denke ich, dass mit all den hier vermittelten Expertisen ein sehr guter Ansatz verfolgt wird. Denn ich finde schon länger, es muss nicht immer Wein sein!