Auf diesem Blog bespreche ich immer wieder Bücher der vergangenen Jahre, die es bisher aus unerfindlichen Gründen nicht auf meine Liste der besten Kochbücher geschafft haben. Heute dreht sich alles um einen Importschlager. Sat Bains, ein gebürtiger Engländer aus Derbyshire, ist der Autor. Sein Buch namens „Too Many Chiefs Only One Indian“ soll heute auf diesem Blog besprochen werden.
Ein Geheimtipp aus der Kochbuchecke
Auf dieses Kochbuch wäre ich wohl wieder einmal nicht von selbst gestoßen. Mir wurde in der Facebook Gruppe „Kochbuchecke“ ein kleiner Geheimtipp zugespielt, ich solle mir doch mal gefälligst dieses Buch anschauen. Gesagt getan. Wenige Tage später trudelte das Werk bei mir zu Hause ein. Ich war zuerst vom übergroßen Format überrascht. Wer „Französische Küche“ von Yannick Alléno kennt, hat eine grobe Ahnung davon, welche Maße das Buch hier vorweisen kann.
Das Buch ist bereits 2013 im Face Verlag auf Englisch erschienen. Mit den 450 Seiten bringt es im aufwendigen Schuber viele Eindrücke voller Inspirationen und Eingebungen von Sat Bains mit. Wer das Konzept seines Restaurants in Nottingham kennt, der weiß, dass es dort ein Tasting- Menü mit sieben oder zehn Gängen gibt. Sein Buch ist ebenso aufgebaut. Das Lokal, welches nach ihm benannt ist, bespielt er bereits seit 1999 mit seinen Speisen. Seitdem entwickelt er Jahr für Jahr das Konzept der Testing Menüs weiter.
„To create a world class operation for our team and customers alike.“ Sat Bains
Er denkt, dass seine Gäste auf der Suche nach einer besonderen Geschmackserfahrung sind, die auf die drei Säulen „Textur“, „Geschmack“ und „Temperatur“ aufgebaut ist. In diesen ausgeklügelten Speisenfolgen findet der Gast sich auf einem Trip, oder nennen wir es doch Expedition, wieder, wo verschiedene Kombinationen von Lebensmitteln und Produkte auf die Erwartungshaltung des Gastes treffen. Er versucht dabei stets eine lebendige Erinnerung zu schaffen.
„One of my philosophies is to create a unique cuisine that emphasises single ingredients, pushing them to the point where they haven`t lost their integrity but the taste is maximised. I want it to be almost inhumanly tasty!“ Sat Bains.
Saisonalität über alles
Ein wichtiges Element seiner Speisen ist die prinzipielle Bevorzugung von saisonalen Lebensmitteln, die absolut im Vordergrund stehen. Er stellt bei der Komposition immer ein Produkt in den Mittelpunkt und fügt weitere unterstützende Elemente hinzu. Bei den späteren Gängen wird man das auch im Buch sehr gut erkennen.
Doch bevor es um diese geht, erzählt er seine eigene Geschichte, die davon handelt, wie er vor anderthalb Jahrzehnten nach seinen Wanderjahren in der Welt nach Nottinghill kam, um eben genau dort, sein Restaurant aufzubauen. Des Weiteren findet ebenso sein Team einen großen Teil an Anerkennung. Viele Fotos und Snapshot während der Arbeit geben nur einen Bruchteil wieder, wie es wohl bei ihm zugehen mag. Der Prozess der Speisenentwicklung wird obendrein sehr ausführlich beschrieben. Auszüge aus seinen Notizen geben einen guten Eindruck vom Entstehungsprozess wieder.
Chef-Mails
Noch vor dem eigentlichen Hauptteil mit den Rezepten blättert man über eine Mail von Sat Bains an seine ausgesuchten Kochkollegen, die er in dieser um einen besonderen Gefallen bittet. Jeder möchte ihm nach Möglichkeit eine einzigartige Anekdote mit dem Thema „Food“ senden. Die Idee dahinter war, auf diesem Wege Erzählungen von den Machern, welche er bewundert, aus dieser Industrie zu sammeln, um sie schließlich hier feilzubieten. Geantwortet haben Größen wie Alex Atala, Dave Chang, Daniel Clifford, David Kinch oder etwa auch Daniel Patterson. Die Geschichten dahinter sind lustig, einzigartig und ganz sicher kurzweilig. Eine sehr schöne Idee wurde so hier umgesetzt.
„Be the best. Work hard – work fast – work clean.“
Die Rezepte
Entgegen aller Konventionen, wie ein Rezept üblicherweise aufgebaut ist, gibt sich Sat Bains mit seinen Gerichten keine Blöße, viel mehr als die eigentliche Zubereitung offenzulegen. Er stellt neben einem einleitenden Dreizeiler zu jedem Gang noch zusätzlich eine Übersicht über die saisonale Verfügbarkeit, ein individuelles Geschmacksprofil und Anrichtehinweise dem Leser zur Verfügung. Die Funktionalität und das Verständnis für das jeweilige Gericht sind somit um ein Vielfaches größer.
Das wird zugleich bei seinem ersten Rezept deutlich. Es ist das „NG7/Sandwich“. Eine Zusammenstellung der Vegetation, welche im umliegenden Terrain zu finden ist. Es wird eine Meerretticheiscreme mit Holunderblütenessig und wilden Kräutern angerichtet. Ein sehr geschmackvoller Einstieg mit einem ungewöhnlichen Foodpairing, welches ich eigentlich besser heute als morgen austesten möchte.
„One of the most memorable meals I’ve ever had was at his restaurant, and I reckon he’s one of the best chefs this country has produced. Once you read this book and see what goes into his wonderful recipes, I’m sure you’ll agree with me.“ Heston Blumenthal
Erbse, Speck, pochiertes Ei
Weiter geht es mit nicht weniger attraktiven Gängen, wie zum Beispiel einem pochierten Ei mit Erbsensorbet und Speck. Eine knackfrische frühlingshafte Vorspeise, welche mit geerdeten Zutaten sehr puristisch daherkommt.
Nach den „Starters“, folgen auch bei Sat Bains die Zwischengänge. Beeindruckend wie so viele seiner Gänge finde ich hier die Artischocke mit Perlgraupen und Petersilie. Die Produkte sind allesamt nicht exorbitant teuer und bilden im Zusammenschluss eine wunderbare Harmonie, die sich nicht immer sofort erschließen würde. Hier verarbeitet er die Artischocke zu einem Püree, das er mit den Perlgraupen, die im Hühnchenfond gegart sind vereint. Der salzige Geschmack wird zudem gekreuzt mit der Säure von Zitronenconfit und Petersilienöl. Es klingt einfach frisch und großartig, wie er die Artischocke auf diese Art zelebriert.
Design & Fotografie
Wer dieses Buch bespricht, kommt nicht drum herum, auch ein paar Worte über das tolle Design zu verlieren. Hier hat man sich große Mühe gegeben, sich von den vielen Kochbüchern abzugrenzen. Dazu zählt der Einsatz von verschieden starken Papiersorten, von aufwändig gestanzten Seiten, die durch die vielen gleichmäßigen Lochraster schon einen Einblick gewähren, was auf der nächsten Seite kommen mag. Das finde ich großartig und so macht mir das Buch gleich doppelt Freude.
Die Fotografie ist dabei ansprechend und wirkt geerdet. Fotos auf mattem Papier mit ausgezeichneter Tiefenschärfe machen einfach bei diesen schönen Bildern von John Arandhara-Blackwell nur Spaß. Großflächig kann man jedes einzelne Detail der Arbeit von Sat Bains nebst Team bewundern. Auch wenn die Farben manchmal „abhauen“, finde ich die Aufmachung, Qualität und Haptik als sehr gelungen.
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Fazit
Wer sollte also dieses Buch nun haben wollen?
Jeder, welcher sich gerne von tollen und kreativen Rezepten inspirieren lässt, liegt hier absolut richtig. Es ist in jedem Regal ein Hingucker, die Größe und die Art der Aufmachung sind einzigartig. Ich habe das Buch seit dem Eintreffen ständig offen, und entdecke noch heute immer wieder neue interessante Details. Das Buch ist für mich den Preis absolut wert. Einen Fehlkauf halte ich fast schon für ausgeschlossen. Daher folgt auch meine so positive Bewertung in der Score. Solche Bücher brauchen wir einfach viel mehr.
Mit dieser Art zu kochen hat er es in den vergangenen Jahren zu vielen Auszeichnungen gebracht. Es zieren zwei Sterne des Guide Michelin sein Restaurant, ebenso ist es im Jahr 2012 auf Platz 97 der San Pellegrini Liste gesetzt worden. Solch eine Platzierung sorgt regelmäßig für ausgebuchte Reservierungslisten.