Berliner Speisemeisterei • Life as a chef 👨🏻‍🍳

Mein Name ist Steffen Sinzinger (42). Ich betreibe den Blog die Berliner Speisemeisterei seit mehr als 13 Jahren und schreibe hier über alle gastronomischen Themen, welche mich begeistern. Ich bin gelernter Koch und habe den Großteil meiner beruflichen Karriere in der Berliner Gastronomie verbracht. Ich freue mich, dass Du zur Berliner Speisemeisterei gefunden hast.

Unsachliche Restaurantkritik

Unsachliche Restaurantkritik

Das Internet vergisst nicht, die Erfahrung machen wir alle immer wieder. Was einmal ins Netz geladen wurde, scheint vorerst nicht löschbar und haftet nicht selten auf ewig an, sucht man denn mit den richtigen Begriffen. Dies passiert im Guten wie im Schlechten. Im schlimmsten Falle ist es existenzgefährdend.

Ich bin diese Woche über einen Facebookeintrag einer Restaurantkritik von Heinz Horrmann gestolpert. Sie war ein eindeutiger Verriss und lässt absolut kein gutes Haar am Konzept des Lokals mit dem Namen „tak tak polish deli“. Es ist ein Schnellrestaurant in Berlin-Mitte, welches sich auch nicht anders versteht geschweige denn darstellt. Hier werden, wie der Name schon suggeriert, durchweg polnische Spezialitäten angeboten. So gibt es selbstgemachte Piroggen (Nudeltaschen), Zurek (saure Mehlsuppe), Jarzynowa (Gemüsesuppe) oder etwa Bigos, das polnische Nationalgericht.

Heinz Horrmann

Wer nun Heinz Horrmann nicht kennt, dem sei vorab gesagt, dass es sich ganz sicher nicht um einen unerfahrenen Gastrokritiker dreht. Er ist in den 70er Jahren ehemaliger Chef der Kölner Bild- Zeitung gewesen, schreibt regelmäßig für diverse Tageszeitung wie „Die Welt“, „Welt am Sonntag“ und „Berliner Morgenpost“ Kollumnen. Ebenso hatte er bei RTL oder auch VOX Auftritte als Juror und ist eine geschätzte Referenz und in der deutschen Gastronomielandschaft quasi bekannt wie kaum ein Zweiter. Darum wird er auch stets beim Testen erkannt, so auch hier.

Er hatte sich diesem Imbiss angenommen. Die im Januar im Spreeradio und danach als Stream im Netz veröffentlichte Kritik entpuppt sich selbst nach mehrmaligem Anhören für mich als eine absolute Frechheit, welche seinesgleichen sucht. Für einen besseren Gesamteindruck empfehle ich vor dem Weiterlesen eine Stippvisite auf die Seiten vom Spreeradio, welche diese Bewertung bereithält.

Heinz Horrmann

Sicherlich kann man keinen dazu zwingen, polnische Küche zu mögen, doch denke ich, dass man gerade bei einer sachlichen Kritik, immer zu einer gewissen Objektivität verpflichtet ist. Es geht ja schließlich nicht darum, über die Vorlieben und Abneigungen eines Heinz Horrmanns zu berichten, sondern den interessierten Leser/Hörer in die Welt der besuchten Lokale eintauchen zu lassen sowie die Qualität und das Handwerk im Service- bzw. Küchenbereich zu begutachten, mehr nicht. Je nachdem, wie dieses Urteil stattfindet, entwickelt sich daraus mehr oder weniger eine Empfehlung.

Heinz Horrmann geht aber noch einen Schritt weiter. Er wird hier richtig kreativ in der Berichterstattung. So vergleicht er diese Einrichtung mit einer Schaschlikbude, wo an den Seiten und in der Mitte je ein Brett vorzufinden ist und man gezwungenermaßen, da hier wohl Stühle fehlen, im Stehen gespeist werden muss.

Heinz Horrmann

Ebenso bemängelt er die hygienischen Zustände, da die einzig vorhandene Bedienungskraft alles aus einer Hand heraus regelt. So wird das Essen damit zubereitet, die Kasse abgerechnet und der Tisch abgewischt. Katastrophal muss es wohl hier zugehen. Die angebotenen Piroggen werden laut seinem Bericht frittiert. Dass es sich hier nicht um eine Verwechslung der Garprozesse handelt, daran lässt er auch keinen Zweifel, er wiederholt diesen Vorgang sogar. Sieben verschiedene Sorten will er entdeckt haben, schmecken tun sie ihm dennoch alle gleich. Dass man in diesem polnischen Restaurant keinen Wein erhält, wird ebenso, für mein Empfinden verhöhnend, angemerkt.

Heinz Horrmann

Selbst habe ich schon mehrere Male eine Bewertung durch Herrn Horrmann am eigenen Leib erfahren und muss sagen, diese „Kritik“ setzt allen bisher gekannten Restaurantbesuchen die Krone auf.

Ich wollte mich nun selbst von diesen „miserablen“ Zuständen überzeugen und rief vorab bei dem Betreiber an, um auch mit ihm darüber einmal zu sprechen. A. Karol Kasierski freute sich über das Angebot und erzählte mir von seinem Besuch. Bei ihm arbeiten insgesamt 15 Angestellte, welche jeden Tag aufs Neue den Service von 10 bis 22 Uhr erledigen. Bei meiner Ankunft stand er sogar selbst hinter dem Tresen. Augenscheinlich wirkte hier alles reinlich und recht neu, laut seiner Auskunft gibt es den Laden ja auch erst seit letztem November.

Heinz Horrmann

Direkt nach dem Eintritt entpuppten sich die Bretter aus der Schaschlikbude als ordentliches und ansprechendes Schreinerwerk, welche sogar mit Stühlen in Barhockermanier ausgestattet waren. Diese Stühle erkennt man sogar auf dem Foto in der Restaurantkritik vom Spreeradio und ich denke man bemerkt sie auch, wenn man sich im Restaurant selbst befindet. Vermutlich hat hier irgendetwas die klare Sicht auf die Dinge getrübt, aber Stühle sind vorhanden, stehen muss hier also keiner.

Wer sich ein wenig mit der polnischen Küche auskennt, der weiß natürlich, dass Piroggen klassischerweise gekocht werden und nicht frittiert sind. Da mich die Anmerkungen von Heinz Horrmann daher stark verwunderten, fragte ich direkt nach der besagten Fritteuse. Diese konnte man mir logischerweise nicht zeigen. Hier wird nämlich gedämpft. Herr Horrmann hatte sich die Maschine laut Aussage von Herrn Kasierski vor Ort von der „einsamen“ Mitarbeiterin auch erklären lassen. Vielleicht hatte man sich hier wohl nicht ausreichend ausgetauscht, so dass der Garvorgang dem Juror immer noch nicht bei Verlassen des Imbiss` klar war. Dass Piroggen hier aber frittiert werden, kann man ausschließen.

Heinz Horrmann

Rein geschmacklich birgt der typische Teig, der naturgemäß nicht so locker und leicht daherkommt wie ein Ravioliteig aus Italien sondern eher etwas zäh ist, für mich vollkommen nachvollziehbare Geschmacksrichtungen verschiedenster Couleur. Ich erhielt eine Auswahl an vier verschiedenen Piroggen. Neben einer absolut identifizierbaren Rote- Bete- Ziegenkäsefüllung gab es eine Putenfüllung mit getrockneten Tomaten und Feta, eine Kartoffel- Hüttenkäse- Parmesan- Version und die Sauerkraut- Waldpilz- Variante. Zudem wurde eine Sour Cream, ¼ Salzgurke und Röstzwiebeln gereicht. 5,90 Euro sind hierbei absolut angemessen. Der Besitzer räumt übrigens ein, dass er bisher noch nie die oben beschriebenen 7 Varianten im Angebot hatte.

Bezüglich der hygienischen Umstände, bei denen Herr Horrmann bemängelte, dass die Servicekraft alles mit den Händen (Geld, Nahrungsmittel, etc.) anfasst, ohne dazwischen sich diese zu waschen, konnte ich ebenfalls nicht nachvollziehen. Der Geschäftsführer nutzte für alle Lebensmittel eine Zange oder Besteck zum Anrichten und konnte so die Speisen auch gleich unmittelbar abrechnen. Das kann natürlich auch etwas mit dem von mir angekündigten Besuch zu tun haben. A. Karol Kasierski schließt aber auch hier aus, dass seine Mitarbeiter die Ware mit den Händen berühren.

Heinz Horrmann

Zu diesem Thema möchte ich zum besseren Verständnis trotzdem einmal anführen, dass Herr Horrmann himself sich einst an den berühmten Dönerstand von Mustafa begab, und dort hatte er diesen Umstand der Zubereitung/Abrechnung noch nicht mal eine einzige Silbe gewürdigt. In diesem Film kann ich jedenfalls keine Handschuhe oder Reinigungsvorgänge erkennen.

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Kommen wir nun zur Wein… äh Rote Bete- Suppenbegleitung. Sicherlich könne man über diesen Umstand untröstlich sein, dass „tak tak polisch deli“ kein Weincaveau mit 350 Positionen im Angebot hat. Ebenso könne man beim Lesen der Karte darauf schließen, dass die Rote Bete Suppe keine Begleitung im Sinne eines Getränks darstellt. Spätestens aber bei dem Claim „organic polish street food“müsste man aber doch spätestens darauf kommen, dass dies hier kein Paradies für Weinfreaks sein dürfte.  Wem hier dürstet, der bekommt auch hier eine übliche Mischung aus Softdrinks angeboten, nicht nur Rote Bete- Suppe. Abgsehen davon steht diese auch in der Speise- und nicht der Getränkekarte.

Nachfrage: Wieviel Weine gab es denn eigentlich bei „Mustafas Dönerladen“ im Angebot?

Fazit vom Fazit

Wer hier derart die Messlatte bei missfallenden Gastrokonzepten für mein Verständnis scheinbar willkürlich ansetzt und Fakten nicht nachvollziehbar umschreibt, sollte vielleicht noch einmal überdenken, sein existenzgefährdendes Urteil (15 Mitarbeiter) übers Radio und danach im Netz zu verbreiten. Dort bekommt man es im Zweifelsfall nur schwer wieder raus. Sicherlich sind die Kunden dieses Lokals keine klassischen Spreeradio- Hörer aber auf jeden Fall derart internetaffin, dass auch sie dieser Verriss erreichen dürfte. Gerade die Berliner Szene lebt von der Mundpropaganda und solch ein (für meine Begriffe ungerechtfertigtes) Image ist nur schwer wieder aus der (Internet-) Welt geschafft.

Heinz Horrmann

„tak tak polish deli

Brunnenstraße 5
10119 Berlin
fon: +49 151 404 326 18

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Steffen Sinzinger

Steffen Sinzinger, Jahrgang 1980, ist ein in Berlin lebender Küchenchef und seit nun mehr als 14 Jahren ein passionierter Foodblogger. In der deutschsprachigen Bloggerszene ist er ein fester Bestandteil und spricht mit seinen breitgefächerten Themen sowohl die professionellen Köche als auch die am heimischen Herd kochende Fraktion an.

There are 7 comments on this post
  1. Curry Piekser
    März 20, 2016, 2:35 pm

    Ich kenne das tak tak nicht, wohl aber Mustafa’s und nun auch diesen, in meinen Augen hervorragenden und ehrlichen Artikel. Wenn Herr Horrmann, was ich nicht glaube, wirklich in der Schlange angestanden hätte, dann wäre ihm sicherlich auch aufgefallen, dass das „geröstete“ Gemüse wie wohl geröstet wird? Klar, in der Fritteuse. ICH möchte das nicht schlechtreden, Herr Horrmann hätte es aber, wenn er objektiv wäre, durchaus getan.

    • März 21, 2016, 12:59 am

      Hier muss man bitte genau lesen. Bei Mustafas Döner geht es nicht um die Zubereitung. Hier behauptet H. Horrmann ja auch nicht, dass das Gemüse frittiert sei.

  2. Boogy Scholz
    März 20, 2016, 6:51 pm

    Tja Heinz Horrmann ist eine Kapazität für sich. Scheinbar muss manchmal die Wahrheit der Dramaturgie weichen. Ich kann mich an die „furiose“ Restrankritik des Herren über das Nobelhart & Schmutzig in der Berliner Morgenpost erinnern. Die Berichterstattung endete mit dem Satz, Ich war zweimal da, das erste und das letzte Mal. Über die geistigen Ergüsse kann sich jeder ein eigenes Bild machen. Wie den meisten bekannt ist, wurde das Restaurant vom Guide Michelin mit einem Stern ausgezeichnet. Mein Eindruck ist, der Herr weis scheinbar mit neuen Gastronomiekonzepten nichts anzufangen. Es ist wie bei der Musik, es gibt Unterschiede zwischen U+E, bei Herrn Horrmann anders ist das wohl anders.

    • März 21, 2016, 1:03 am

      Ich habe mir den Beitrag gerade angehört und muss sagen, die Begründungen sind für mich absolut hanebüchen. Hier wird Arbeit respektlos und vor allen Dingen herablassend abgekanzelt und ein Bild von Lokalen in Berlin suggeriert, welche so es dem Anschein nach nicht mal verdient hätten, besucht zu werden. Wenn amn seinen Worten lauscht, muss man das Gefühl bekommen, die Tester vom Guide Michelin müssten stark angetrunken gewesen sein, die Jungs vom Nobelhardt und Schmutzig so zu bewerten.

  3. Rainer Will
    März 22, 2016, 9:48 am

    Restaurant-Kritiken leiden sicherlich unter der Situation der Momentaufnahme und der Subjektivität. Sie sollten jedoch handwerklich stimmen.
    H.Horrmann hat bei unserem Ku’damm – Griechen die Plastiktischdecken und den lahmen Service kritisiert. Nur: Das Restaurant hatte noch nie Plastiktischdecken, und der Service schlägt in der Geschwindigkeit alle Rekorde.

    • März 22, 2016, 10:36 pm

      So liegt manchmal die gefühlte Wahrheit mit der realen Situation um Welten auseinander. Ich stimme da voll und ganz zu!

  4. März 29, 2016, 11:15 pm

    Dieser Horrmann wirkte auf mich immer schon suspekt und arrogant spießig. Profilneurotiker der Kulinarik!

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