Berliner Speisemeisterei • Life as a chef 👨🏻‍🍳

Mein Name ist Steffen Sinzinger (42). Ich betreibe den Blog die Berliner Speisemeisterei seit mehr als 13 Jahren und schreibe hier über alle gastronomischen Themen, welche mich begeistern. Ich bin gelernter Koch und habe den Großteil meiner beruflichen Karriere in der Berliner Gastronomie verbracht. Ich freue mich, dass Du zur Berliner Speisemeisterei gefunden hast.

Per-Anders Jörgensen | "Eating with the chefs"

Per-Anders Jörgensen | "Eating with the chefs"

8.3

Inhalt & Thema

7.8/10

Funktionalität

7.5/10

Photographie

8.5/10

Design

8.5/10

Haptik & Verarbeitung

9.0/10

Pros

  • Schönes Thema
  • Viele verschiedene Stile
  • Tolle Verarbeitung und Haptik
  • Authentisch

Contras

  • Mehr Rezepte wären schön gewesen

Der Verlag Phaidon kann Kochbücher. Das wird mir bei jedem Werk aufs Neue bewusst gemacht. Wer das nicht glaubt, der nehme sich doch bitte die letzten Veröffentlichungen zur Hand. Da wären: „D.O.M.-Rediscovering Brazilian Ingredients“ von Alex Atala, „Mugaritz: A Natural Science of Cooking“ von Andoni Luis Aduriz, „Fäviken“ von Magnus Nilsson, „Noma“ und „A Work in Progress“ von René Redzepi, „COI“ von Daniel Patterson und heute nun „Eating with the Chefs“ von Per-Anders Jörgensen.

9780714865812v2“Eating with the chefs”
Per-Anders Jörgensen
Fotografie: Per-Anders Jörgensen
Phaidon
London, 2014
316 Seiten, gebunden
49,95 €
ISBN (englisch): 978-0714865812

button_amazon_xl

 

Jedes der genannten Werke ist uneingeschränkt zu empfehlen und beinhaltet stets eine Offenbarung mit Mehrwert. Authentizität ist wohl eines der Merkmale, welche immer anzufinden ist. Der Charme, der zudem durch haptische Eindrücke, wie der Wahl des Formats und des benutzten Papiers, entsteht, ist bei den Phaidon- Büchern immer sehr eigen und unverwechselbar. So auch bei diesem Kochbuch, das dem Namen nach dazu einlädt, mit den Kochcrews dieser Welt am Tisch Platz zu nehmen.

084-5-IC-staff-meal
Das Personalessen ist im „Il Canto“ schon fast ein heiliges Ritual | © Per-Anders Jörgensen

„Eating with the Chefs“ ist eine Dokumentation. 18 Restaurants, die den meisten aufgrund ihrer jüngsten Erfolge ein Begriff sein dürften, werden hier porträtiert. Aber nicht über die Speisen, mit denen sie ihr täglich Brot verdienen. Gezeigt wird hier ausschließlich Material à la „Behind the scenes“. Das dürfte viele Köche begeistern, spielen doch gerade diese Charaktere hier die Hauptrolle auf diesen Seiten. Der Mensch hinter den Kulissen steht hier im Zentrum und Jörgensen zeigt diesen mit tollen Fotografien, teilweise schwarz-weiß aber auch farbig. Es kommt die Welt jenseits der mit weißen Tischdecken ausgelegten Tafeln zum Vorschein, und halten zudem diverse Mep- Listen (Mep steht für Mise en place) und Eindrücke aus dem täglichen Arbeitsalltag Einzug in diese gebundene Sammlung. Da darf auch nicht der berüchtigte Kaffeetassenrand oder Pausenkeks fehlen.

Für viele Köche in der gehobenen Gastronomie ist doch die gekachelte Küche der Ort, an dem sie pro Tag die meiste Zeit verbringt. Ein tägliches Arbeitspensum von bis zu 14 Stunden ist da keine Seltenheit. So gehört das Personalessen bei den meisten zu einem festen wiederkehrenden Ritual. Es ist ein Moment des letzten Sammelns vor dem hektischen Treiben im Service, der schon wieder mal mehrere Tage im Voraus ausgebucht ist. Dieses Essen lässt das Team noch ein letztes Mal zusammenkommen. Wie verschieden dieses Zelebrieren sein kann, zeigt uns Jörgensen mit seinen Impressionen von Lokalitäten wie dem „Attica“ in Melbourne. Der dortige Küchenchef Ben Shewry tischt zur Kräftestärkung eine „Australisches Tom Yum“ auf. Das ist eine Nudelsuppe mit Geflügelfond, Zitronengras und Muscheln. Seine Philosophie von gutem Personalessen ist die, es stets mit frischen und vor allen Dingen regionalen Zutaten zuzubereiten.

231-2-Q-iconic-lunch
Eine Mannschaftsverpflegung mit der wohl unschlagbaren Aussicht schlechthin im „Quay“ | © Per-Anders Jörgensen

Im italienischen Restaurant „Il Canto“ geht es da nicht anders zu. Hier serviert die Crew um Paolo Lopriore aber sehr traditionelle Küche fern jeglicher moderner Garmethoden und der damit obligatorisch verbundenen hochtechnisierten Küche. Sein unprätentiöser Kochstil ist ehrlich und das Team auch Teil seiner eigenen Familie. Die umliegenden Farmen sind seine Quelle für die Produkte, die er zu den späteren „Signature Dishes“ verarbeitet. Die tägliche Pausenverpflegung ist ebenfalls für ihn ein ganz besonderes Privileg:
„You`ve got to show your people you care but it`s also essential that they have some space and privacy to be themselves.“

Aufgetischt wird hier für die Arbeitenden ein wunderbares „Capocollo Schwein“, „Safran Risotto“ und „Bresaola & Finocchielle“. So stelle ich mir ein vertrautes Pausengericht vor.

Mitarbeiter finden einen Moment, um in der Sonne auf dem Innenhof zu entspannen. The French Laundry in Yountville – USA | © Per-Anders Jörgensen

Anne- Sophie Pic, Küchenleiterin der „Maison Pic“ in Valence, Frankreich, vereint in ihrem Areal zwei verschiedene Gastrokonzepte. Eines ist das weltbekannte 3- Sterne- Restaurant, und das andere ein Bistro mit klassischen französischen Elementen. Sie hat nicht nur deswegen einen riesigen Arbeiterstamm zu verpflegen. So schafft Sie in Ihrem Familienunternehmen nun Platz für mehr als 100 Mitarbeiter. Die Verpflegung derer ist so natürlich eine ganz andere Herausforderung als in einem kleinen privaten Betrieb. Ihr war wichtig, den Schaffenden etwas Abstand zum unmittelbaren Arbeitsplatz zu geben:

„We are trying to reorganize the kitchen with a special place for the stuff meal in it, I don`t lie the fact that everyone wants to eat near where they ar working at the moment.“

Ein „Gebratenes Huhn mit Apfel-Zwiebel-Confit und Pommes Mousseline“ dient hier als Stärkung und wird, wie alle anderen gezeigten Gerichte, ebenfalls rezeptiert. Bei ihr sehen wir außerdem eine süße Belohnung in Form einer Nachspeise, wie sie französischer nicht sein könnte. Schokoladenmousse.

Dass Personalessen nicht dem Ruf entsprechend etwas Schlechtes sein muss, sondern wirklich ein Moment sein kann, auf den man sich sogar freut, zeigt dieses Buch auf sehr vielfältige Art und Weise. Mit den Rezepturen, die eher an klassische Hausmannskost als hochtrabendes „Fine Dining“ erinnern spricht es in erster Linie die Hausfrauen und -männer an den heimischen Herden an. Aber jeder Küchenchef wird sicher mit dem Buch zufrieden sein, sind doch alle Rezepte praktischerweise für 2,6 und 20 Personen im metrischen als auch amerikanischen Volumenmaß angegeben. Das kennen wir schon von den vorherigen Kochbüchern, hat sich doch dort sehr bewährt.

14:30 Uhr, der Lunch ist serviert in der „Royal Mail“ in Dunkeld | © Per-Anders Jörgensen

Nur zu gut verstehe ich das Dilemma, beim Schreiben des Personalessensplans für die nachfolgenden Wochen, stets im Konflikt zwischen Kosten und Anspruch, welches ein gutes Essen beansprucht, zu stehen. Dieses Buch gibt da so einige Antworten, wie passend man es dennoch mit limitierten Mitteln betreiben kann, ohne auf teure Produkte zurückgreifen zu müssen.

Was aber bei allen Gerichten nicht wenig eingesetzt wird, ist die Zeit. Man muss sich diese schon nehmen, um ein ansprechendes Gericht zu kochen. So kann daraus auch etwas Besonderes werden, was sich dann aufs Personal und indirekt wiederum auf die Gäste auswirken wird.

 

Hinweis der Redaktion
Ein Teil der besprochenen Produkte wurde von Unternehmen zu Testzwecken zur Verfügung gestellt.

Steffen Sinzinger

Steffen Sinzinger, Jahrgang 1980, ist ein in Berlin lebender Küchenchef und seit nun mehr als 14 Jahren ein passionierter Foodblogger. In der deutschsprachigen Bloggerszene ist er ein fester Bestandteil und spricht mit seinen breitgefächerten Themen sowohl die professionellen Köche als auch die am heimischen Herd kochende Fraktion an.

Antwort hinterlassen