Eigentlich ist es keinem zu erklären, dass ich das erste Werk namens „Time and place in nordic Cuisine“ von René Redzepi, der bis vor kurzem noch als Chefkoch des weltbesten Restaurants geadelt wurde (3 Mal in Folge an der Spitze der „The worlds 50 best restaurants“), bisher noch nicht besprochen habe. Es dürfte sich zumindest doch für meine eigene „Top 50 Rangliste“ der bis dato hier rezensierten Bücher bestens empfehlen. Ich werde das nachholen.
Ich bekomme aber eine zweite Chance und gelobe hiermit Besserung, denn in den nächsten Tagen kommt unter dem Titel „A Work in Progress: Notes on Food, Cooking and Creativity“ sein nächstes Werk heraus, welches mir heute jedoch schon vorliegt. Dieses als auch das erste Werk wurde vom Phaidon Verlag herausgegeben. Damals wie heute ist es für das fertige Buch ein absoluter Glücksfall, dass sich vom Anfang bis zum Schluss wohl absolute Perfektionisten um dieses Projekt gefunden haben. Dass diese Kochbuchausgabe in drei Teilen einen sehr hohen Einstieg in die Liste meiner gebundenen Lieblinge bedeuten würde, war mir schon nach dem ersten Blättern bewusst geworden.
„A Work in Progress: Notes on Food, Cooking and Creativity“
René Redzepi
Fotografie: Ditte Isager
Phaidon
London, 2013
636 S., gebunden, 45 EUR
ISBN: 9-780714-86691-8
Selten verliere ich viele Worte über das „Unpacking“ von Produkten und selbst kenne ich das nur von Video- Blogs, die darüber berichten, wie unpraktisch sich doch das eine oder andere mobile Endgerät aus Fernost nach der Ankunft aus der Packung befreien ließ. Wer das Buch bestellt hat, blickt nach dem Erhalt auf das besagte Set von drei Bänden, welche recht stramm in ein grellgelbes Gummiband gehüllt sind. Als Koch kennt man solche Art Gummis von den vermutlich schon hundertfach erblickten Hummerscheren, welche ebenso eingehüllt und geschützt sind.
Drei Teile – Snapshots | René Redzepi Journal |Noma Recipes –
Routiniert befreie ich zuerst das kleinste der Bücher und blättere darin. Es trägt den Titel „Snapshots“ und selbiges findet man auch logischerweise darin. Es sind die täglichen Eindrücke im Arbeitsalltag des R. Redzepi aus Kopenhagen, dessen Team hier und da immer wieder die Handykamera zückt, um den einen oder anderen Moment für die Nachwelt mit einer kurzen Beschreibung einzufangen. Wer mehr davon braucht, kann sich gerne dem offiziellen Instagram Account („reneredzepinoma“) bedienen oder ihm direkt bei Twitter („Rene Redzepi“) folgen. Es ist ein recht kurzweiliges Vergnügen, welches nach 190 Fotos sein Ende hat, … möchte man auf den ersten Blick glauben.
Der zweite Teil, das „Journal“, ist ein über 200 Seiten umfangreiches Tagebuch. Das hört sich auf den ersten Blick recht trocken an, die Einleitung klärt aber recht schnell über das für mich bis dahin noch nicht gekannte Lesevergnügen bei Kochbüchern auf. Kern der ganzen Trilogie ist dieses Journal in dem Redzepi den Werdegang und Verlauf der letzten Jahre mit seinen Höhen und Tiefen beschreibt. Er nutzt den 2. Band um Verweise auf die anderen zu geben. So findet man zum Beispiel gleich zu Beginn den Hinweis auf Seite 32 des letzten und dritten Buches („Recipes“) zu blättern. Hier sind die Kochrezepte gesammelt und unter diesem Verweis findet man ein medizinisch angehauchtes Rezept für einen Tee namens „Cleansing Drink“, der seinen Ursprung wohl in der hier beschriebenen Burnout- Phase nach dem bei ihm zuvor eingetretenen Erfolg hatte. Und so kommt es, dass man sich durch diese sehr persönliche Erzählweise aktiv in den anderen Büchern Recherche betreibt und durch das so erstandene Wissen der Entstehung vom ersten Moment an viel besser die Gänge versteht und auch anerkennt. Seine Selbstreflexion zeigt er zu diesem Thema ja gleich auf den ersten Seiten:
“ … I`d put out a book that nobody could cook from but
was selling really well, …“
Das klingt alles nach viel Arbeit und Aufwand, ist aber alles andere. Es ist viel mehr das lebhafte Verfolgen des Prozesses, welcher sich so im eigenen Kopf des Lesers abspielt, wenn Redzepi zum Beispiel die Patisserie- Mitarbeiterin auffordert für ein neues Gericht ein Brot nach ihrem Gusto zu backen, was sie zuerst ungläubig aufnimmt und so sicherheitshalber lieber eine weitere Bestätigung seinerseits einholt, die dann auch prompt folgt:
“ … why don`t you just go ahead, and work on the
bread of your dreams? …“
Und gerade deshalb ist es wohl zu empfehlen, dass Rezeptbuch nicht von vorne nach hinten zu durchstöbern, sondern sich erst den Aufzeichnungen zu widmen, um dann ganz gezielt der Chronologie der sehr persönlich geschriebenen Zeilen zu folgen. Man gewinnt auf diese Weise einen sehr tiefsinnigen Eindruck der jeweiligen Teller.
Wer trotzdem die dafür benötigte Zeit und Geduld nicht aufbringen will, wird in diesen Momentaufnahmen keinen überraschenden neuen Stil des Kochens vorfinden. Alles ist so, wie man es erwarteten würde, kennt man denn seine Art der regionalen Küche. Mein persönlicher Eindruck ist aber trotzdem, als sei alles ein Tick komplexer und gereifter. Die Abbildungen sind allesamt beeindruckend und unterstreichen den künstlerischen Aspekt, den Werke aus dem Phaidon Verlag normalerweise auch haben. Man hat hier voll und ganz verstanden, die Speisen ins rechte Licht zu rücken und begleitet diese mit stimmigen Bildern der dänischen Landschaft.
René Redzepi setzt sich in dieser Lektüre unter anderem auch mit den Begleiterscheinungen des Kochberufs auseinander, der oft Beziehungen gleich welcher Art im Privatleben scheitern lässt. Dieser Titel ist wohl mit Sicherheit ein Grund, warum in Zukunft vermehrt Köche wieder unendlich viel Zeit beim Tüfteln am Herd verbringen werden. Aber auch für Menschen außerhalb der professionellen Küchen ist dieses Buch schon gerade wegen der wunderbaren Erzählweise im Tagebuch ein Garant für viele sehr unterhaltsame Stunden.
„When you forget that you`re working, that`s when you`re working the best.“
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Und ich werde mir jetzt Gedanken darüber machen müssen, ob die bisherige Nummer 1 meiner Kochbuchliste (Daniel Humm | „Eleven Madison Park“) weiterhin an der Spitze bleibt. Je mehr ich aber in den Rezepten hier schwelge, umso mehr komme ich zu dem Entschluss, dass die Sache schon längst entschieden ist.
Hinweis der Redaktion
Ein Teil der besprochenen Produkte wurden von Unternehmen zu Testzwecken zur Verfügung gestellt.
Ich bin verliebt in deinen Blog, in dieses Wissen und all die Einblicke. Ich musste das Buch einfach gerade bestellen, allein deine Ausführung hat mich so sehr begeistert.
Schon lange her, dass ich an einem Blog so hängen geblieben bin und nicht mehr aufhören wollte, Beitrag für Beitrag aufzusaugen. Und das will in der heutigen Zeit schon etwas heißen.
Mach bitte unbedingt weiter so,
Leah
Vielen lieben Dank, Leah. Dein Wunsch sei mir Befehl. 😉
Du musst unbedingt das Noma – Handbuch Fermentation lesen. Für mich war das Buch der Schritt in ein höheres Level der Fermentation 🙂
Liebe Grüße aus Südtirol
Kurt
Liegt hier sogar rum. Schau ich mal wieder öfters mal rein. Danke für den Tipp!