Um Bewegungen entgegen des Mainstreams voranzutreiben und entscheidende Impulse zu geben, muss man seiner Umgebung immer einen Schritt voraus sein – ergo den richtigen Riecher für die richtigen Themen haben. Wird ein eigentlich interessanter Inhalt zum falschen Zeitpunkt kolportiert, kann es sein, dass er fast ungehört im weiten Rauschen versiegt. In Zeiten des Internets ein nicht zu unterschätzender Schluss.
Die Sternefresser mit ihrem gleichnamigen Online-Portal beweisen stets dieses nötige Feingespür für die essentiellen Bereiche der Gastronomie, der Wissenschaft des Magens. Ist das Kochen mit dem Schwerpunkt „Regionalität und Nachhaltigkeit“ im Kreise der Endverbraucher angekommen und wird „wie die Sau von der Masse der Kochprofis durchs Dorf getrieben“, sind sie längst bei anderen, zukunftsweisenderen Reibungspunkten angelangt, die sie in einer selbst auserkorenen Runde mit der Koch-Elite ausarbeiten.
Das Podium hierfür braucht man vielerorts kaum mehr namentlich erwähnen, ist es doch längst zum „State of the Art“ im deutschsprachigen Kochzirkel geworden. Vergleichbares auf selbigem Niveau ist mir nicht bekannt. Auch habe ich bisher aus anderen Ländern, bis auf das dänische „MAD Headquarter“, noch kein vergleichbares Unternehmen einer lukullischen Denkfabrik mit den absoluten Größen ihres Fachs gesehen. Sie besitzen damit ein wertvolles Alleinstellungsmerkmal, das im Neudeutschen gerne auch als „USP“ (Unique selling point) angepriesen wird. Somit war es auch nur eine Frage der Zeit, bis die „CookTank“-Reihe ihre Premiere auch ausserhalb Deutschlands haben sollte. Die eigentlich bereits sechste Edition der Reihe fand somit erstmals in der Schweiz statt und machte damit den Anfang zu einer neuen, eigenen Serie für das Alpenland.
Geladen waren wie üblich 12 Spitzenköche (inklusive Kevin Feeling*** als Vertreter der deutschen Fraktion) sowie Prof. Dr. Thomas A. Vilgis, welcher als promovierter Physiker und Nahrungsmittelforscher den anwesenden Praktikern die lebensmitteltechnischen Zusammenhänge der gesetzten Themen näher brachte. Diese hatten den Schwerpunkt „Würzen mit ungewöhnlichen Zutaten“ und „Käse – Mehr als nur vom Wagen“.
Die gezeigten Gerichte durften zuvor noch nicht „geschickt“ worden sein, somit haben die Köche mit absoluten Novitäten ihrer Mitstreiter rechnen können, was allein schon einen sehr hohen Mehrwert mit sich bringt. Die Debatte folgt dem Anrichten und Verzehr stets auf dem Fuße, da der Veranstalter offensiv zum Diskurs einlädt. Dieser erfolgt zwar mit gebotener Höflichkeit aber dennoch treffend, man hat ja eher selten die Möglichkeit, frisch ausgeklügelte Ideen von betriebsfremden Fachmännern so treffend begutachtet zu bekommen. Oft wird sogar das ein oder andere Zubereitungskonzept ausgetauscht. Ein Zustand, der bei vielen sonst eher nicht betrieben wird, möchte man sich doch als erster der selbst entdeckten und nicht selten in nicht unerheblicher Zeit entwickelten Erkenntnisse bedienen. Aber gerade das ist das Credo des CookTanks: Wissen soll zugänglich gemacht und dabei das notwendige Maß an Aufklärung betrieben werden, um Gerichte mit ihren Eigenschaften und Hintergrundgeschichten dem Gast aber auch der restlichen, kochenden Riege im Lande näher zu bringen. Ein Auftrag, der es in sich hat.
Mehr und mehr kann man aber beobachten, dass die Sternefresser immer mehr Erfolg mit dieser Methodik haben. Alleine die Akzeptanz der vielfach ausgezeichneten Sterneköche lässt schon erkennen, dass auch sie es in diesen Zeiten endlich verstanden haben, die vielen kaum verständlichen Techniken und Rezepturen für den wissbegierigen Konsumenten nachvollziehbar und vor allen Dingen zugänglich zu machen.
So wäre es noch vor einigen Jahren nahezu unvorstellbar gewesen, dass ein Zweisternekoch sein Rezept für eines seiner neuen Gerichte herausgibt.
Marcus G. Lindner stellt uns seines für den von ihm gezeigten fantastischen Saibling, der dem Thema „Würzen mit ungewöhnlichen Zutaten“ zuzurechnen ist, zur Verfügung.
Die Sternefresser umschreiben das Gericht folgendermaßen:
„Eher konventionell mutet Markus G. Lindners Kreation an, was wir ausdrücklich positiv verstanden wissen möchten. Der Beifuß, das leicht bittere Kraut, das zu Weihnachtsgänsen als Muss gilt, ist perfekt dosiert und verbindet sich auf das Trefflichste mit dem rohen Saibling. Gleiches gilt für den feinen und zugleich intensiven Ziegenquark aus Rohmilch, dessen cremige Konsistenz und Säure quasi den Antagonisten zum kräutrigen Beifuß bildet. Abgerundet wird das Gericht durch die rustikale, französische Wurst Saucisson de Vaud, welche hier eher die Funktion eines Gewürzes einnimmt – eben die deine Prise, die den Unterschied macht.“
Das Rezept von Markus G. Lindner lautet wie folgt:
Tatarmarinade
– Rapsöl
– Senf von Dijon
– etwas Cayenne
– fein geschnittene, blanchierte Zwiebel
Alle Zutaten zu einer Sauce verarbeiten am Schluss die Zwiebeln à la minute dazu eben.
Beifussemulsion
– 300 g Beifuss ohne Blüten
– 100 g Feldsalat
Beifuss und Feldsalat zupfen, blanchieren, kalt machen und sehr gut ausdrücken
Schalotten in etwas Rapsöl anschwitzen und mit etwas Blanchier-Fond dünsten. Kalt zur Beifussmatte dazugeben. Dann frieren und im Pacojet etwa 2-3 mal pacosieren und mit Creme fraiche glatt rühren und mit Salz und frischem Pfeffer abschmecken.
Creme fraiche Matte
– 500 g Creme fraiche
– 6 Blatt Gelatine
– Salz und Pfeffer
– Zitronensaft
– 100 g Beifussemulsion
5 Esslöffel der Creme fraiche erwärmen und mit der eingeweichten Gelatine glatt rühren. In die restliche Creme fraiche einrühren, mit Salz, frischem Pfeffer und etwas Zitronensaft abschmecken. Dann ca. 1.5 mm auf eine Silikonmatte gießen und erkalten lassen.
Waadländer-Shake
– 40 g Zwiebel
– 50 g Schmalz von der ausgelassenen Waadtländer
– 300 g Milch
– 4-5 Bioeidotter
– Salz und Pfeffer
– Zitronensaft
– Weißwein Gewürzreduktion (4 Esslöffel reduziert)
Die feingeschnittenen Zwiebeln in etwas Schmalz glasieren , mit der Weißwein- Gewürzreduktion ablöschen, mit den Bioeidottern der Milch und dem restlichen Schmalz im Thermomix bei einer Temperatur von 82 Grad aufschlagen.
Gruyere Saibling (ca. 30 g pro Person) filiert, entgrätet und ohne Haut angefroren, feinwürflig schneiden.
Ziegentopfen naturbelassen (ca. 20-25 g pro Person) spritzfähig abrühren.
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Anrichten
Einen Teelöffel Beifussemulsion mit der Palette auf dem Teller verstreichen. Das abgeschmeckte Gruyere Saiblings-Tatar in einer Form mit der Creme fraiche-Matte auf dem Teller anrichten. Den Ziegentopfen der Länge nach darauf platzieren. Die kurz sautierten in Weißwein abgelöschten Pilze, die Brotcroutons, die Kräuter und die Kressen mit der gerösteten Waadtländer (Grieben von der Waadtländer) anrichten.
Quellenangaben:
Video und Fotos von Sebastian Lindner und mit freundlicher Genehmigung von white-plate.com