Mit dem regionalen Kochen hat es ja manchmal sein Für und Wider. Mit Sicherheit ist es sehr ehrbar, sich auf die örtlichen Kapazitäten in Dingen wie Agrarkultur und Landwirtschaft zu beziehen, da dort natürlich auch die charakteristische Küche hierzulande gut dargestellt und aufgearbeitet werden kann. Man ist da in den letzten Jahren sehr kreativ gewesen und schafft es, sich mehr und mehr von den international sehr einflussreichen Kochphilosophien freizuschwimmen. So weit, so gut.
“Das große Buch der Gewürze″
Von Bittersüss nach Feuerscharf
Bettina Matthaei
Fotografie: Luzia Ellert
Collection Rolf Heyne
München 2013
296 S., gebunden, 29,90 EUR
ISBN: 978-3899105-483
Es existieren da aber auch Grenzen, würde man die auch noch einreißen, viele Gerichte könnten hier gar nicht erst gekocht werden, da sie mitunter auf dem Fundament importierter Gewürze aufbauen. Klar gibt es in Deutschland den einen oder anderen Verfechter, der stark an die Region angepassten Küche. Bei Gewürzen machen aber die meisten eine Ausnahme.
Tanja Granditz, Chefköchin aus dem Stucki in Basel, ist eine leidenschaftliche Anhängerin besonderer Gewürze.
Die Entstehung Ihrer Gerichte beschreibt sie wie folgt:
„Ich gehe immer von einer Hauptzutat aus, das ist zum Beispiel ein Fisch. Dazu kommt eine Gemüsekomponente,…. Danach wähle ich das Gewürz aus; jedes Gewürz hat ein Hauptgewürz. Das Gewürz ist für meine Küche extrem wichtig und wertvoll. Man muss sich genau überlegen, wie es eingesetzt und dosiert werden soll, und es verlangt eine gewisse Sorgfalt.“
Auf die Frage nach dem Einsatz und der Balance von regionalen und internationalen Produkten sagt sie:
„Die Grundprodukte, wie Fleisch und Gemüse sind immer regional. Diese kombiniere ich dann gerne mit Gewürzen aus der ganzen Welt. Ich würde es für meine Küche als Einschränkung empfinden, nur regionale Produkte verwenden zu dürfen. Aber regionale, saisonale Grundprodukte zu verwenden, ist natürlich Voraussetzung, und auch mittlerweile Standard in der Gastronomie. Nur möchte ich eben gerne die einheimische Karotte mit dem thailändischen Ingwer kombinieren.“
Eine Aussage, die, wie ich finde, es auf den Punkt bringt.
Und wenn ich eines in meiner bisherigen Laufbahn als Koch gelernt habe, ist es die Weisheit, dass man als Selbiger nie auslernt, schon gar nicht bei dem hiesigen Gebiet der Gewürze. Den letzten großen Aha- Effekt hatte ich vor zwei Jahren auf einer Gastro- Messe in Hamburg.
Dort gab es neben den pompös aufgemachten Kochshow- Arenen und den überdimensionierten Bio-Händlern einen unscheinbar aufgemachten Stand, der die eine oder andere Geschmacksexplosion für mich parat hielt und das ganz ohne Schi-Schi. Zuerst wäre ich erst vorbei gelaufen, denn Chili- Salze und Pfeffermischungen habe ich schon zuhauf gesehen. Aber bei den Gewürzen ist es wie bei vielen anderen kochtechnischen Angelegenheiten. Auf den wohldosierten Einsatz kommt es an. Und so bot man uns einen höchst süffigen Cocktail mit einer speziellen Vanille- Salz- Mischung an. Er blieb mir sehr lange in Erinnerung und ich ließ mich auf die kurze sensorisch sehr anspruchsvolle aber dafür absolut gewinnbringende Rundreise ihrer mitgebrachten Salze und Gewürze ein.
Sie zelebrierte dort eine wunderbare Aromenkombination, die mir wiederum zeigte, dass ein einziges Gewürz unsäglich viele Facetten aufweisen kann, bringt man es gekonnt ins Spiel.
Und einen solchen Leitfaden hat sie kürzlich mit Ihrem Werk „Das große Buch der Gewürze“ herausgebracht. Stellt sich für mich die Frage, ist es hier ein Kochbuch, denn es tauchen beim ersten Durchblättern Rezepte auf, oder handelt es sich hier um ein reines Nachschlagewerk. Die Einleitung beantwortet dies unverzüglich.
Es soll ein praktisches Handbuch und endlose Inspirationsquelle sein. Historisches, Botanisches und gesunde Wirkweisen wurden bewusst außen vor gelassen. Der Themenschwerpunkt liegt hier ganz bei der unmittelbaren Anwendung.
Dem Vorwort folgt dann sogleich mit dem „Ajowan“, dem ersten der 50 Gewürze. An Information wird neben dem Aussehen, der üblichen Angebotsformen, der Geruch- und Geschmacksbeschreibung auch die Anwendbarkeit in der Küche genannt. Besonders gut gefällt hier die Rubrik „Harmonische Geschmacksakkorde“, die bei diesem Gewürz gleich mit 13 verschiedenen Kombinationsmöglichkeiten aufwarten. Das liest sich dann „Ajowan – Kurkuma, Kardamom, Ceylonzimt, Limette“ oder auch „Ajowan – schwarzer Pfeffer, Kümmel, Majoran“.
Ergänzt wird dieser Fundus an Fakten mit „Raffinierten Geschmacksassoziationen“, die anhand des Beispiels „Lorbeer“ mit Kreationen wie „Lorbeer – Kaninchen, Senf, Rotwein, Trockenpflaumen“ oder „Lorbeer- rote Zwiebel, Tomaten, Weißwein, Safran, Rohrzucker“ zeigen, wohin die Reise mit den teils exotischen Gewürzen so gehen kann.
Dass Bettina Matthaei Ahnung von dem hat, wovon sie spricht, ist nicht zuletzt auch der Sache geschuldet, dass sie sich auf diesem Gebiet selbstständig gemacht sowie mit ihrer Gewürzmanufaktur „1001 Gewürze“ und den vielen tollen Gewürzseminaren, z.B. auf der MS Europa, einen Namen erarbeitet hat. Eine ehemalige Kollegin von mir, welche seinerzeit auf der MS Europa unter Herrn Dieter Müller und mit diesen jenen Gewürzmischungen auf dem Boot gekocht hat, schwärmt heute noch von den tollen und teilweise auch individuell auf die entsprechende Anlegestelle angepasste Gewürzmischung.
Luzia Ellert ist für diese Art der Darstellung der Protagonisten ihren eigenen Weg gegangen. Sie spendiert vielen ihrer darzustellenden Gewürze ein kleines Apartment samt Miniaturversion einer Innenausstattung und lässt in diesen Zimmern die Sonne rein. Durch dieses größenverzerrte Bild der realen Welt wirken die sonst so kleinen Körner und Schoten enorm groß und ihnen wird endlich die wahre Aufmerksamkeit zu teil. Und sollten sie immer noch zu klein sein wird bei den allzu stark fragmentierten Gewürzen, die Lupe zu Hilfe genommen. Über die wieder mal perfekte und bis ins kleinste Detail durchdachte Fotografie verliere ich mich heute bewusst nicht in meine bei dieser Künstlerin fast schon obligatorische Lobhudelei, es wirkt sonst so inflationär. Es ist einfach nur hinreißend, so viel sei gesagt.
Die Auswahl der besprochenen Gewürze ist eine, wie ich finde sehr gelungene, da sie mitunter einige bekannte aber auch viel ungeahnte Gewürze inkludiert.
Und so wird es (hoffentlich) aller Wahrscheinlichkeit nach, nie einen Massentrend geben, welcher uns dieser wunderbaren Gewürze beraubt. Sie schaffen es, Gerichten ihre Komplexität zu verleihen, ihnen sinnliche Tiefe zu geben. Dieses Buch hilft uns sehr gut, den Weg zum vollendeten Gericht zu beschreiten.
Quellenangaben: Copyright der Bilder: Luzia Ellert
Auszüge aus dem Interview mit Tanja Granditz sind dem „Le Schicken #7“ entnommen
Hinweis der Redaktion
Ein Teil der besprochenen Produkte wurden von Unternehmen zu Testzwecken zur Verfügung gestellt.
Ich bin großer Bettina Matthaei-Fan – ihre Kochbücher *Vegetarisch vom Feinsten* und *Mezze – ein Genuß* zählen zu meinen absoluten Lieblingen! Mit deiner Vorstellung sind Wünsche fürs nächste Kochbuch geweckt.
Ich fühle mich ja angesprochen, bei diesen „Verfechtern“.
Aber ganz klar sind Gewürze seit den Kolonialzeiten so stark in unseren Küchen vertreten, dass man sie sich nicht mehr wegdenken kann. Allein schon Pfeffer…
Umso schöner, dass es Tendenzen gibt, diese schlimmen Zeiten durch fairen Handel wenigstens ein wenig vergessen zu machen.
Gewürze müssen!
Da ich jetzt bei meiner Recherche für meinen Blogartikel über Gewürze schon mehrere Male über diese Buch „gestolpert“ bin, ist meine Neugierde mehr als geweckt. Die Bilder sind super ansprechend und der Inhalt scheint es ja wohl auch zu sein. Meine Entscheidung für einen Kauf ist also gefallen!
Herzliche Grüße
Petra
Das große Buch der Gewürze ist ein sehr gefragtes Buch. Auch bei uns in Gewürzeladen finden Kunden dieses Buch. Ich bin auch überzeugt das es kein besseres Buch gibt, zumindest habe ich kein besseres gefunden!