In Österreich scheint es wohl keine festgesetzte Frauenquote in den Führungsriegen zu benötigen, um es zuzulassen, dass auch das Führungspersonal von der Damenwelt gebührend vertreten ist. Dort scheint das Prinzip „Qualität setzt sich immer durch“ zu fruchten. Nicht anders ist es im Restaurant Sitzwohl zu erklären.
Nach vielem Hin und Her ist das Restaurant „Sitzwohl“, genannt nach der Gastgeberin Irmgard Sitzwohl, welche vom Vorstandssprecher der BTV Peter Gaugg zusammen mit Ihrer Mitstreiterin“ Elisabeth Geisler mit den Worten „Ich baue für Sie ein Restaurant“ begeistert werden konnte, in Innsbruck entstanden.
„Sitzwohl“
Elisabeth Geisler & Irmgard Sitzwohl
Gestaltung: Silvia Wahrstätter, Wien
Fotografie: Luzia Ellert, Wien
Collection Rolf Heyne
München, 2011
272 S., gebunden, 49,90 EUR
ISBN: 978-3-89910-414-1
Selbst versprechen sie, deren Menüs seien ehrlich. Es fällt auf den ersten Blick auch schwer, eine spezielle Schublade zu finden in der man sie packen kann. Man will sich nicht in eine Richtung drängen lassen und dabei öffnen sie sich für alle äußeren Einflüsse, wobei die österreichische Küche stets die Basis ihres Handwerks bildet. Desweiteren lieben sie nämlich die italienische, spanische, arabische aber auch asiatische Küche, die hier und da akzentuiert eingesetzt wird.
„Der ehrliche Teller“
Schranken sollen also nicht gesetzt werden, nur die eigene Freude am Ausprobieren & Kombinieren steht im Vordergrund, sowie stets dem Gast den Eindruck zu vermitteln, dass alles auf dem Teller nachvollziehbar und schon gar nicht an den Haaren herbeigezogen ist.
„Ein hoch gestecktes Ziel.“
Damit zielen die beiden auf die immer wieder aufkommenden Trends und ihr mangelndes Interesse gar jedem folgen zu müssen. Dazu gesellt sich der Wunsch anders zu sein und dem Gast die besonderen Spannungsmomente in ihren Gefilden zu ermöglichen.
Ein hoch gestecktes Ziel, deren Umsetzung sich aber beim Blättern im Buch gleich bei den Startern bemerkbar macht. Dort werden keine zu erwartenden Rezepte von pikanten Appetitanregern vorgebracht, sondern überraschen sie mit gar ausgefeilten Sorbetkreationen, die in Ihrer Zusammensetzung zugleich als Aperitif dienen.
So gibt es ein mit Prosecco aufgefülltes Hollerblütensorbet oder ein Sorbet von Stangensellerie, Aperol & Passionsfrucht. Mit Sicherheit ist solch ein Ansatz im Frühling aber vor allen Dingen während der Sommermonate nicht zu verachten.
Die Einteilung der verschiedenen Kreationen richtet sich zeitgemäßer Weise nach den vier Jahreszeiten. Die Crossover- Küche machte sich gleich nach den ersten Gerichten bemerkbar. So wird die „Gazpacho von Erdbeeren und Paprika mit knuspriger Erdbeere“ im Kataifiteig gerreicht. Auch muss man sich erst einmal auf das Nachkochen vom „Marchfelder Spargel mit pikantem Kaiserschmarrn“ einlassen um zu erfahren, ob das munden kann.
Ganz sicher wird der „Rehravioli mit Waldmeisterkirschen” eine herzhafte Angelegenheit sein. „Oktopusröstl mit Lauchzwiebel und Kren“ oder „Safran- Kasspatzeln mit Rotweingarnele“ wiederum erfordern sicherlich etwas Courage und Offenheit vorm heimischen Nachkochen. Trotzdem klingen die meisten der hier gebotenen Speisen mit ein wenig kulinarischem Hintergrundwissen interessant als auch schlüssig.
Mehr als drei verschiedene Komponenten wird man auch nicht oft auf deren Tellern finden. So liegt die Bedeutsamkeit im Wesentlichen auf einem hohen Verarbeitungsniveau und der herbeigewünschten Symbiose zwischen den gebrauchten Ingredienzen.
Vervollständigt wird das Ganze mit Zubereitungsanleitungen von Marmeladen & Konfitüren sowie wenigen Basis- & Suppenrezepten.
Die Photographien kommen von keiner geringeren als Luzia Ellert, welche ja kürzlich in Sven Elverfelds Vorzeigewerk gezeigt hat, was perspektivisch machbar ist. Der Stil ist hier jedoch ein ganz anderer. Weg von der geradlinigen recht geometrischen Photographie rückt sie in dieser Bilderreihe die Gerichte in weiches Licht, mit weniger harten Kontrasten und warmen Farben. Einzig und allein der Umstand, dass die angerichteten Speisen alle wirken, als wären es Miniaturausgaben von den wirklich vor Ort Angebotenen, mag mir hier nicht gefallen.
Mit den verwendeten Produkten, beweisen die zwei Hauptdarstellerinnen wirklich Bodenständigkeit und Größe, Qualität nicht immer nur über die Luxus- Produkte à la Steinbutt, Kaviar & Co. liefern zu können.
Ihre Experimentierfreude ist maßgeblich ein hoher Anteil an deren Erfolg mit den „einfachen“ Substanzen zuzuschreiben, welche natürlich ein Hobbykoch, der dieses Kochbuch eventuell als Leitfaden für den eigenen Kochstil sieht, erst einmal haben muss.
Copyright sämtlicher Bilder: Luzia Ellert
Hinweis der Redaktion
Ein Teil der besprochenen Produkte wurden von Unternehmen zu Testzwecken zur Verfügung gestellt.