Es ist zwar keine Neuerscheinung, für mich aber trotzdem kein zu verachtender Titel. Der Guide Michelin hatte zuletzt in New York für viel Wirbel gesorgt, nicht zuletzt weil dort jetzt sieben Restaurants auf 3 – Sterneniveau gelistet sind. Eine solche Dichte an hochgelobten Restaurants auf kleinstem Raume sucht man in Deutschland vergebens.
„Nimmt man sein Kochbuch als Maßstab, so läßt es sich noch viel weniger nachvollziehen.”
Vielleicht auch deshalb, weil er kürzlich Nils Henkel auf 2 Sterne degradiert hat. Diese Herabstufung überraschte nicht nur die meisten seiner Kollegen, sondern vermutlich auch ihn selbst. Oftmals hat man eine Vorahnung, ob denn eine Auf- oder Abwertung ins Haus steht, in diesem Falle jedoch nicht.
„Pure Nature”
Nils Henkel
Gestaltung: Petra Gril
Fotografie: Thomas Ruhl
Fackelträger Verlag GmbH Köln,
3. Auflage 2011
288 S., gebunden, 69 EUR
ISBN: 978-3-7716-4449-9
Nimmt man sein Kochbuch als Maßstab, so lässt es sich noch viel weniger nachvollziehen. Die eigene Linie ist klar erkennbar und auch auf dem Weg zu einem komplett neuen Food- Konzept, welches zeitgenössische Aspekte der nachhaltigen Küche aufgreift und er dabei nicht darauf setzt, Produkte und Lebensmittelerzeugnisse in einer stark verzerrten Art und Weise wiederzugeben. So bleiben seine Gerichte auch für den Gast verständlich und machen es ihm leicht seinem Weg zu folgen.
Die Position als alleiniger Küchenchef hat er so richtig seit 2008 inne, und seitdem ist er daran das Haus mit seiner eigenen kreativen Leichtigkeit und Finesse zu beleben. Dieses wurde begleitet mit der kompletten Neugestaltung des Restaurants 2 Jahre später und der Umbenennung in „Gourmetrestaurant Lerbach“. Viel sichtbares Holz und Glaselemente lassen so auch im Restaurant den ungekünstelten Charakter aufleben.
„Er spielt sich zudem nicht in den Mittelpunkt”
Konzeptionell ist der Titel des Buches auch Name des Programms.
„Pure Nature“ spiegelt für ihn den unverfälschten Genuss wieder, welcher darauf beruht durch Nachhaltigkeit sowie Top- Qualität der Produkte, die von Anfang an mit dem größtmöglichen Respekt behandelt werden. Die Verbundenheit mit der Natur und besonderen Aufmerksamkeit für die Wege der neuen deutschen Kochkultur treiben ihn zudem an, dem Gast einen bleibenden kulinarischen Eindruck vermitteln zu wollen.
Er spielt sich zudem nicht in den Mittelpunkt und bietet in dem Buch auch seinem Team die Möglichkeit Teil der Momentaufnahme zu sein. Ein jeder muss dafür auch seinen Part leisten, indem er morgens von 7 Uhr auf der Matte steht und nachts um 23 Uhr noch den klaren Kopf für die wichtigen vorbereitenden Entscheidungen für den Tag danach treffen muss. Besonders hervorgehoben wird allerdings doch die Ausnahmegestalt Frédéric Guillon der Patisserie, dem er ausdrücklich Dank und Respekt zollt.
„Sautierter Kaisergranat | Koriander – Olivenemulsion & Gewürzzwiebelravioli“
Zur Mode ist wohl auch hier gekommen, dem Gast noch eine Anleitung für die Rezepte bereitzustellen. Dann geht es auch schon los… eingeleitet von einigen Seiten gefüllt mit Snacks und Amuse Bouches stellt sich einem das Buch in 10 Kapiteln vor, welche sich neben den Jahreszeiten in ein sehr kreatives vegetarisches Menü, ein Meer-, Gourmet-, Kräuter- und regionales Menü und zu guter Letzt den Naschereien gliedert.
Harmonisch und unspektakulär belichtete, großformatige Aufnahmen lassen den Gerichten den nötigen Platz ihr ganz eigenes genuines Design zu vermitteln. Schon der Buchumschlag ist rein visuell durch die Baumstammoptik Natur pur. Beschränkt auf die Rezepte von 3 bis 4 Hauptkomponenten jedes einzelnen Ganges, werden dem Leser mittels Piktogrammen und entsprechender Seitenzahl die restlichen Grundzubereitungen sehr übersichtlich verfügbar gemacht.
Für die Fotografien engagierte man keinen geringeren als Thomas Ruhl, der auch kürzlich in dem Buch von Christian Bau bei der Verwirklichung half. Er ist in Deutschland gerade der Food- Fotograf. Die Herangehensweise an dieses Projekt kann man in folgendem Podcast vom Fotografie- Portal “blende-8” begutachten.
Einzig und allein die Qualität des Buchdrucks lassen zu wünschen übrig. Wie hier zu sehen ist, stimmen die Farben der Gerichte in dem Buch wohl nicht so ganz. Teilweise sehr matt und blass kommen da die Kunstwerke daher, schade.
Bescheidenheit wir hier aber dennoch nicht suggeriert, er greift immer nur auf die besten Rohstoffe zurück. Seltenheitswert hat ein Gericht wie „Bauch vom Landschwein | Birnenkompott | Bohnenkrautjus“ oder „Hohwachter Räucheraal | Kräuteremulsion | Gurkenrelish & Sorbet | Bronzefenchel“. Zusammenstellung mit den Ingredienzen exquisiterer Art wie „Sautierter Kaisergranat | Koriander – Olivenemulsion | Gewürzzwiebelravioli“ oder „Taschenkrebscannellono | Gegrillte Jakobsmuschel | Herzmuschelsalat | Papayarelish“ treten da öfter zum Vorschein.
Die Desserts von Guillon sind auf ihre Art auch noch relativ klassisch betont und keinesfalls zu extrovertiert und geben sich auch nicht der Versuchung hin avantgardistische Züge anzunehmen. Einzig und allein Folien aus unterschiedlichen Lebensmitteln wie Birne, Apfel oder Hagebutte deuten diese Richtung nur ansatzweise an.
Eigene Tendenzen in Bezug auf den differenzierten Einsatz von Gemüse und Kräutern sind in diesem Buch ganz klar auszumachen und geben so Nils Henkel die Möglichkeit seine eigene Diversität darzustellen und weiter voranzutreiben. Ihm bleibt nur zu wünschen, dass man ihm den Spielraum auch lässt, so dass er uns von seiner mit Sicherheit bestehenden Intention den 3. Stern zurück zu erlangen, überzeugen kann.
Bleibt noch anzumerken, dass der Gault Millau hingegen im letzten Jahr bei seinen 19 Punkten, der zweithöchsten Note überhaupt, verblieben ist. Er fördert wohl mehr mutige Entscheidungen in der Gastro- Szene.
Copyright sämtlicher Bilder: Thomas Ruhl Hinweis der Redaktion
Ein Teil der besprochenen Produkte wurden von Unternehmen zu Testzwecken zur Verfügung gestellt.
Das Buch ist ein absolutes “must have”. Ich konnte mich noch gar nicht darin satt lesen und sehen, obwhol ich es schon seit eine zimlich lange Zeit besitze.