Nicht als Kochbuch oder Rezeptsammlung für eine möglichst große Leserschaft versteht Johannes King sein Werk, sondern als Dokumentation (s)eines Lebensabschnittes auf der Insel Sylt als Gastgeber im Söl`ring Hof.
Der 49-jährige Sternekoch lernte bereits in seiner frühen Kindheit auf dem Bauernhof im Schwarzwald den Wert von einfachen Gemüsesorten und dem überschaubaren Viehbestand, welcher vom Dorfmetzger verarbeitet wurde, zu schätzen.
„Johannes King – Das Kochbuch von Land und Meer“
Johannes King
Fotografie: Luzia Ellert und Christa Engstler
Collection Rolf Heyne, 2012 München
320 Seiten, gebunden, 49,90 EUR
Seitdem er im Jahr 2000 nach vielen Stationen wie z.B. Franz Keller, Henry Levy oder das Restaurant „Zum Hugenotten“ in Berlin absolviert hatte und er den letzten Schliff auf Weiterbildungsreisen bei Chapel, Maximin, Troigros, Giradet, Passard, Rebouchon, Senderen, Roux, Raymon, Blanc und Tailllevent bekam, ging er nach Sylt um dort aufzutischen.
Nun musste er sich natürlich die Frage nach der gewünschten Außendarstellung stellen und sich entscheiden, welchen Stil er einschlagen werde, damit der Söl`ring Hof ein wirklich einzigartiges Reiseziel für seine Gäste sein würde.
Gefunden hat er seinen eigenen Stil indem er möglichst respektvoll und kreativ mit den einfachen Produkten Gerichte mit Wiedererkennungswert schafft. Dabei spielt die Beute, welche der eigens angeschaffte Kutter namens „Traumfänger“ an Land zieht eine ganz wesentliche Rolle. Der „Nordseeknieper mit Erbsen und Minze“ ist ein schönes Beispiel dafür. Dort werden die Erbsen normal gepuhlt und geschnipst, und was bei den meisten Köchen üblicherweise in den Müll wandert, nämlich die Erbsenschale, gelangt bei King noch einmal ins Blanchierwasser und wird im Dörrgerät bis zur Knusprigkeit getrocknet.
Wie sollte es auch anders sein, geht es relativ fischlastig weiter.
Es gibt in diesem Buch vier Kapitel, welche in die Jahreszeiten unterteilt sind. So hält der Frühling noch Kompositionen wie den „Sylter Strandsalat“, die „Salzkartoffel und Morsumer Gartenspargel mit Ziegenbutterhollandaise“ oder gar vegetarische Gerichte wie „Radieschen mit Frischkäse“ bereit.
Aber er kann auch Fleisch. Sein „Kaninchenragout mit schwarzen Champignons und gebackenen Petersilienblüten“ oder der „Rehrücken und geschmorte Schulter, Mandelpüree und gebratenem Meerrettich“ sind da die ersten Vorboten, welche zeigen, dass auch bei den Vierbeinern mit viel Raffinesse gearbeitet wird.
Sein Hang sich dem traditionellen Gewächsen, im Neudeutschen auch gerne „Urgemüse“ genannt, hinzugeben und nachvollziehbare und sehr harmonische Kreuzungen zu schaffen, stellt ihn um so mehr als lukullischen Puristen dar, der es versteht zur Not auch ohne die Luxusprodukte auszukommen. Es hat schon etwas von Rene Redzepi, welcher diesen Stil ja auf die Spitze treibt und dem Gast nichts aufbürdet, was auch nicht in der unmittelbaren Umgebung in der Natur zu finden ist. Dort gibt es noch nicht einmal Olivenöl, sondern seit kurzem höchstens lebendige Ameisen.
Von solchen radikalen „Erziehungskuren“ ist Johannes King aber meilenweit entfernt.
Interessant klingt trotzdem sein „Siebzigminuten- Ei mit Apfel, Aal und dicken Bohnen“. Niedriggartemperaturverfahren (ein schreckliches Wort) haben somit auch auf der Insel Einzug gehalten und verhelfen ihm so zu noch mehr Texturvielfalt.
Begleitet werden die Kapitel natürlich durch ein erweitertes Grundrezeptregister mit Fonds und Saucenansätzen sowie verschiedener Konfektrezepte und einem eigenen Abschnitt rund um das Brot, welches ihm sehr am Herzen liegt.
Wer viele Anreize braucht, Fisch & Schalentiere zu verarbeiten, kommt hier voll und ganz auf seine Kosten, vor allen Dingen bei den gut und leicht verständlich geschriebenen Rezepten.
Die Fotografien von Luzia Ellert und Christa Engstler sind wieder einfach nur traumhaft und geben keinen Spielraum für Kritik. Eine sehr harmonische und ungekünstelte Darstellung der Gerichte aber auch der große Anteil der Außenaufnahmen von Rantum ist ein Hochgenuss. Irgendetwas muss zudem auf Sylt in der Luft liegen, dass es sämtliche Köche stets in die Natur nach draußen treibt um inszenierte Fotos gleich welcher Art zu schießen (#bodendorf).
Quellenangaben
Copyright sämtlicher Bilder: Luzia Ellert & Christa Engstler
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