Die Schließung des Restaurant Noma, oder sagen wir besser die Bekanntgabe dessen, hat ein enormes Echo in der kulinarischen Presse verursacht. Oft wurde es als das beste Restaurant der Welt betitelt – nun macht es zu und gleichzeitig bringt es ein Hinterfragen bezüglich der Nachhaltigkeit zutage. Kann ein Restaurant im Fine Dining überhaupt erfolgreich wirtschaften?
Noma is soon no more.
In der Tat habe ich unmittelbar nach dem Lesen des Interview in der Times über das Noma einen Impuls verspürt, dazu einen Bericht zu verfassen, ist doch die Schließung dieses Ausnahme-Restaurants Ende 2024 direkt mit der sich aufzwingenden Frage verbunden, ob ein Betreiben eines Fine Dining Konzepts überhaupt sinnvoll, machbar und vor allen Dingen profitabel sein kann.
Was ist passiert?
René Redzepi hat mit dem „Noma“ beeindruckende Erfolge erzielt. Er gilt als einer der einflussreichsten Köche der letzten zehn Jahre und hat sich als Pionier der „New Nordic Cuisine“ einen Namen gemacht. Unter anderem wurde er mit drei Sternen im „Guide Michelin“ und fünfmal als „World’s Best Restaurant“ ausgezeichnet. Jetzt jedoch hat Redzepi beschlossen, dass Schluss sein soll. Er teilte der „New York Times“ mit, dass er sein Restaurant zum Ende des Jahres 2024 schließen wird.
Das Noma kann nicht nachhaltig betrieben werden.
In dem Artikel lässt er verlauten, dass sich ein Konzept wie dieses einfach nicht profitabel betreiben lässt, insbesondere wenn in der Luxusgastronomie die Mitarbeiter fair bezahlt werden müssen.
Ein René Redzepi hat sicherlich die Zeiten des Fachkräftemangels aus einer sehr noblen Position heraus beobachten können. Während in den meisten Gastronomien die Mitarbeiter immer rarer werden und in der Masse nach gerechteren Löhnen fordern, vermute ich, dass sich im Noma noch immer die Bewerbungen um ein unbezahltes Praktikum gestapelt haben.
Arbeite im Noma zur Not auch unbezahlt
Ziel der Bewerber ist es zumeist, neben der kulinarischen Erfahrung einen Eintrag im eigenen Lebenslauf zu sichern. Dafür mag nicht wenigen (erfahrenen) Köchen es recht gewesen sein, auch ohne eine angemessene Entlohnung zu arbeiten.
Dass ein Restaurant wie das Noma ein großes Team benötigt, liegt in der Sache begründet, dass sie Speisen in unzähligen Gangfolgen offerieren, die aufwendiger kaum sein könnten. Das braucht viele helfende Hände. Mitarbeiter die Beeren nach Größe sortieren. Köche, die Blütenteile mit Pinzette zupfen oder nur die perfekten Teile dessen aussortieren. Auch werden eben Tierknochen für den späteren Einsatz ausgekocht und aufpoliert. Natürlich wird auch klassisches Mise en place gekocht.
Es wird davon berichtet, dass in diesem Restaurant ca. 25 bis 35 Mitarbeiter beschäftigt wurden, die gänzlich unbezahlt waren. Das brachte Redzepi natürlich viel Kritik ein. Im Oktober letztes Jahres beschloss er, diese Leute zu bezahlen – nach zwanzig Jahren Bestehen des Noma wohlgemerkt. Dass dies der Grund der Restaurantaufgabe sei, wird von ihm jedoch bestritten.
Nachhaltigkeit und Bezahlung gehen Hand in Hand
Für meine Begriffe endet Nachhaltigkeit nicht bei den Lebensmitteln oder den Produzenten, mit denen man arbeitet. Sie hört auch nicht beim möglichst kleinen CO2-Fußabdruck auf. Sie schließt für mich sicher auch die angemessene und faire Bezahlung der Mitarbeiter mit ein.
Das ethisch fragwürdige Betreiben eines Spitzenrestaurants
Ein Betreiben eines Spitzenrestaurants wie das Noma, welches bis vor einigen Monaten noch auf dem Konzept aufgebaut hat, Mitarbeiter (teilweise mit jahrelanger Erfahrung), in unbezahlten Praktika einzustellen, um teure Gerichte mit unzähligen Handgriffen für ein Elite-Publikum zu stemmen, ist aus mehreren Gründen nicht sinnvoll.
Es lagert Teile des Geschäftsrisikos auf die Belegschaft aus
Vor allen Dingen ist es ethisch fragwürdig, Menschen zu bitten, ihre Zeit und Arbeit unentgeltlich zur Verfügung zu stellen, um ein Restaurant oder was auch immer zu betreiben. Diese Menschen müssen dennoch ihre anfallenden Kosten zahlen.
Gute Arbeit ist die Grundlage einer funktionierenden Gesellschaft und die Erhaltung unseres Wohlstands. Sie ermöglicht uns, unsere Bedürfnisse und Wünsche zu befriedigen. Die bezahlte Arbeit trägt zur Entwicklung unserer individuellen und kollektiven Fähigkeiten bei. Mit dem Geld entstand ein Medium, mit dem wir unsere Arbeit auf eine objektive und vergleichbare Weise bewerten und entlohnen können.
Arbeit in einem Fine Dining Restaurant
Ohne eine angemessene Entlohnung für gute Arbeit würden viele Menschen keine Anreize haben, ihr Bestes zu geben und ihre Fähigkeiten und Talente voll auszuschöpfen. Sie würden sich auf die reinen Grundbedürfnisse beschränken. Die Arbeit würde nicht als Mittel zu Selbstverwirklichung und zur Verbesserung der Lebensqualität angesehen werden.
Geht nun ein so geadelter und prämierter Koch wie Redzepi voran und entlohnt seine Mitarbeiter für deren geschätzte Arbeit nicht, dann schafft er damit ein Vorbild, welches im Zweifel von anderen Teilen seiner Zunft nachgemacht wird. Somit wird es immer schwieriger sein, in solchen gut betuchten Restaurants (bezahlt) Karriere zu machen. Es kann sich nicht jeder leisten, erstmal for free zuarbeiten.
Abgesehen davon halte ich es in diesen Zeiten für eine perfide Form der Ausbeutung, wenn bestens ausgebildete Mitarbeiter, Speisen für die Elite der Gesellschaft produzieren, die ohne dieses kostenfreie Engagement, die Betriebskosten in die Höhe treiben würden und die Gerichte in der Konsequenz unbezahlbar wären.
Was heißt das für mich als Kunden? Muss ich Fine Dining deswegen aufgeben?
Ich denke, es ist auf vielen Ebenen für den Sterne- oder Spitzenkoch von heute aber auch für alle Chefköche und Gastronomiebetreiber in jedem Casual Dining Konzept wichtig und essenziell, nachhaltig zu agieren. Wenn das Konzept aufgrund der zu hohen Betriebskosten es nicht hergibt, dass es beispielsweise hochkant gebratene Schnitzel oder karierte Maiglöckchen auf der Karte gibt, dann ist es nicht tragfähig. Es ist kein geeigneter Weg, das über unbezahlte Überstunden, unbezahlte Praktika oder ähnliche Methoden abzufedern. Dadurch wird das Image der Gastronomie nachhaltig beschädigt.
Der Zweck darf nicht alle Mittel heiligen. Dann ist es mir auch herzlich egal, wenn ich eben nicht Zeuge der nächsten kulinarischen Revolution bin, weil ansonsten dafür hinten in der Küche zwei Dutzend unbezahlte Köche hart für nichts und wieder nichts schuften müssten. Wenn darunter die Kochkunst und die Entwicklung der Kulinarik leiden muss, dann ist mir das lieber, als würden international tausende Köche nicht bezahlt werden, damit sich solch ein System tragen kann.
Wie geht es mit dem Fine Dining weiter?
Und dennoch bin ich mir sicher, dass es weiterhin großartige Fine Dining Angebote geben wird, die nicht daraufsetzen, dass im Küchenbereich 20 Köche eingestellt werden müssen, weil vorne raus nur Menüs mit 20 Gängen und mehr serviert werden. Ich glaube auch nicht, dass es ein Problem für die Entwicklung der Kulinarik darstellt, dass Betreiber von Gastronomien gezwungen werden, den Köchen ein Gehalt zu zahlen, ganz im Gegenteil. Es zahlt auf deren Nachhaltigkeit im Umgang mit den Kollegen ein. Nur so kann eine Gesellschaft funktionieren. Ich bin gespannt, wo die Reise hingeht.
Interessante Perspektive!
Wenn ich das richtig verstanden habe, will er das Restaurant in seiner jetzigen Form schließen.
Vielleicht gibt es ja eine Fortsetzung mit etwas weniger „Chi Chi“
Genau. Es wird dann später in Pop-Ups überführt. National wie international. Eines war ja von vorn herein schon in Kyoto geplant. Das ist bereits dieses Jahr.