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er Lieferdienst hierzulande erfindet sich zum zweiten Lockdown gerade zu neu. Immer mehr Konzepte sprießen aus dem Boden und sorgen für eine ungeahnte Vielfalt in der Branche. Kaum einer hätte noch vor einem Jahr an solch eine große Bandbreite in der Gastro für zuhause geglaubt. Es sind Pickup Dienste wie die des Kochu Karu, welche den Lieferdienst, wie wir ihn bisher kennen, infrage stellt. Mit einem neuartigen Out- of- the- Box- Denken geht man hier innovativ vor und schafft zudem ungeahnte Synergien mit Weinhändlern. Das koreanische Restaurant Kochu Karu in Prenzlauer Berg geht neue Wege, um das Essen in unser Heim zu bringen.
Ich war ein wenig überrascht, als mir Bini Lee- Zauner am Telefon erklärte, dass sie ihr Konzept bereits seit mehr als sieben Jahren ihr eigen nennen können und sie sich in dieser Zeit bereits eine Menge Fans auf ihre Seite bringen konnten. Ihr Konzept galt als eines der ersten Ausläufer einer koreanischen Trendwelle, welche die Hauptstadt bereicherte. Doch so richtig authentisch wollte man in diesem Kochu Karu nie sein. Der spanische Küchenchef José Miranda Morillo sorgte vor der Pandemie für eine koreanische Fusion- Küche, welche den Tapas- Gedanken aus Spanien aufgriff, um daraus außergewöhnliche Kreationen zu schaffen und das auf hohem Niveau. Denn der Guide Michelin prämiert sein Jahren dieses Restaurant mit dem Bib Gourmand und der Gault & Millau adelte deren Küche mit 15 Punkten im Führer.
Takeaway
vom Kochu Karu
im Glas!
Somit ist sie also zertifiziert und für gut befunden, die spanisch- koreanische Crossover- Küche vom Küchenchef José. Doch wie sieht solch eine Fusion aus? Denn wenn ich an Fusion denke, kommt mir direkt das Schreckgespenst in den Sinn, welches kurz nach der Jahrtausendwende bei so vielen Restaurants Einkehr gehalten hat. Damals war man als Koch auf einmal mit so vielen unterschiedlichen Strömungen konfrontiert worden. Da gab es den molekularen Baukasten von Ferran Adria, die vielen neuen Produkte aus aller Herren Länder, die unzähligen Interpretationen berühmter Klassiker im Netz, die gerade mit Instagram immer mehr Tag für Tag visuell aufbereitet worden sind.
Man wollte so vieles miteinander kombinieren, was als nicht vereinbar galt. Vielerorts wurde mit Konventionen gebrochen. Süße Aromen drängten in pikante Hauptgänge. Salate wurden in Desserts eingesetzt und Speisen dekonstruiert und mit den Texturas neu aufgepeppelt und neu zusammengesetzt. Ganz gleich, ob die daraus resultierende Kombination passte oder nicht. Es galt als ein ungeordnetes Chaos, was aus Gastperspektive vermutlich kaum auszuhalten war. Doch so schnell wie die Crossover Kitchen damals begonnen hatte, so schnell war sie auch wieder vorbei.
Dahingehend kann ich jeden Interessenten, welcher gerne das „Nimm Mahl“ Konzept von Bini ausprobieren mag, beruhigen. Im Gegensatz zur Fusion Küche, die nun bereits zwei Jahrzehnte zurückliegt, ist diese Art der Crossover Küche herzlich ausbalanciert und aufeinander abgestimmt. Wer hier sein Takeaway ordert, der bestellt Küche mit hohem Spaßfaktor und viel Abwechslung. Doch bevor ich mich den Speisen widme, muss ich ein Wort über die sehr intelligente Art des Takeaway Konzepts schreiben.
Denn Bini und José haben sich viele Gedanken über den Verpackungswahn in der Lieferdienstbranche gemacht. Teilweise setzen auch nachhaltig geführte Restaurants bei ihren Speisen auf massiv viel Verpackung in Form von Vakuumbeutel. Denn die Speisen müssen später in diesen Plastikbeuteln im Wasserbad erwärmt werden. Das ist für die Gerichte sicherlich schonend doch für die Umwelt bedeutet das ein Mehr an Belastung, dem sich Bini nicht hinreissen lassen wollte.
Kochu Karu kommt ganz ohne Pappe und Plastik aus.
So überlegten sie sich, wie sie die Speisen ohne all die Pappbecher und Plastikbeutel an den Mann oder die Frau bringen konnten. Eine Lösung war schnell gefunden. Glas wäre in diesem Fall ein sehr guter Rohstoff, der zum Einen sich sehr gut für den Transport und zweitens für das Erwärmen eignet. Doch die Anschaffung der Weck- Gläser ist nicht zwingend günstig. Infolgedessen überlegten sie, wie sie ein attraktives Mehrwegsystem aufbauen konnten, bei dem die Gläser ohne viel Mehraufwand zurückgeführt werden konnten.
Sie kamen auf die Idee, mit bekannten als auch unbekannten Weinhändlern der Stadt ins Gespräch zu kommen, um dort nicht nur ihre Pickup- Spots zu eröffnen, sondern auch über diese Händler die Rückführung der Gläser zu gewährleisten. Als Köder erhält jeder Kunde, welcher die Gläser wieder zurückgibt, eine Flasche Wein – kostenlos. Und das Konzept geht auf, nicht nur für die Restaurantbetreiber.
Eine neue Art der Kundenakquise
Denn viele der Kunden von Bini und José haben so Kenntnis über den Weinhändler in ihrer Umgebung erhalten, den sie vorher vermutlich überhaupt nicht kannten. Bei der Abholung des Nimm- Mahls des Kochu Karu würden viele zugleich eine oder zwei Flaschen Wein mitnehmen. Somit haben auch die Weinhändler bei diesem Konzept einen großen Nutzen. Einfacher kann man Neukundenakquise nicht betreiben.
So entstand über die Zeit ein recht großes Netz mit über zehn Anlaufstellen, bei denen man die Bestellung am Tag darauf abholen kann. Viel besser kann man sich sowas kaum ausdenken. Gläser, welche man immer wieder verwenden kann, faktisch kaum Abfall beim Transport produzieren und das Erwärmen der Speisen höchst schonend von statten geht. Zudem bilden sie Synergien mit kooperierenden Weinhändlern. Für mich ist das in diesen Zeiten eine großartige Maßnahme, die zeigt, wie sehr wir uns Gastronomie selbst in fatalen Pandemien wie dieser mit kreativen Ideen und Konzepten behaupten können.
Was steckt in Deinem Nimm Mahl vom Kochu Karu?
Was darfst Du nun erwarten? Das ist leicht beantwortet. Herrlich unprätenziöse, kreative Küche mit Soulfood Charakter. Von Dienstag bis Samstag kannst Du Dir aus dem Angebot, das aus 4 Vorspeisen, 3 Hauptgängen, 2 Desserts, Kimchi, Tofu Creme, Queso Espanol und Bottled Cocktails von der Bar „Beckett’s Kopf“ besteht, dein eigenes individuelles Menü zusammenstellen. Je nachdem, für was du dich entscheidest, wird alles frisch zubereitet, in die Weck- Gläser angerichtet und sorgfältig in einer Box verpackt und eingeschnürt. Sogar über das Packaging samt Tragegriff hat sich Bini Gedanken gemacht.
Als ich das Paket dann vom Pickup Punkt bei meinem Weinhändler um die Ecke in Pankow abgeholt habe, bemerkte ich direkt, dass solch ein Paket voller Gläser ein wenig mehr wog, als die Konzepte, die ich bisher kennen gelernt habe. Aber das ist natürlich die logische Konsequenz.
Zuhause angekommen packte ich die gelabelten Gläser aus. Die beigelegte Anleitung hilft dir beim Temperieren der Hauptspeisen und gibt zudem Aufschluss über die notwendigen Schritte, damit du beispielsweise deinen Hauptgang ideal erhitzt bekommst.
Vorspeise: Pommersches Rind & Bachsaibling
Wir hatten uns bei diesem Lieferdienst Test für den Bachsaibling und das Pommersche Rind entschieden. Beides ist vom Konzept so gedacht, dass es direkt aus dem Glas gegessen wird. Denn ein Umsetzen auf dem Teller würde die Optik nur zu sehr zerstören.
Das Pommersche Rind kam in Form eines Tatars mit Nash Birne, Perrila Öl und Anchovis Chips. Ein sehr herzhafter und kräftiger Start, der wunderbar funktionierte.
Der Saibling mit Traubensalsa und einer Rauchmayonnaise wurde in einer gebeizten und einer gegrillten Version angerichtet. Die zwei Vorspeisen sind nicht nur sehr schön anzusehen, sondern ebenso delikat. So stelle ich mir ungezwungene und gehobene Gastronomie vor. Der Vorteil dabei ist, dass man lediglich den Deckel abnehmen muss. Denn durch das fertig angerichtete Konzept muss man hier erstens nicht mit Verpackungsmüll kämpfen und zweitens keinen Handschlag mehr tun. Das ist manchmal auch nicht verkehrt.
Hauptgang: Shortribs und Pescado
Auch beim Hauptgang haben wir uns für je ein Fisch- und ein Fleischgericht entschieden. Beide kamen mit separaten Contiments. Hier spielt sich der Vorteil der Verpackung erneut aus. Denn das Weck- Glas ist geradezu ideal, um Speisen schonend und abgedeckt zu erwärmen. Idealerweise setzt du die Gläser abgedeckt in ein warmes Wasserbad und erhitzt die Hauptgänge im Ofen, bevor du mit den Vorspeisen anfängst. Wir haben uns wieder nicht die Mühe machen müssen, alles auf Teller anzurichten.
Es ist höchst abwechslungsreich, die Speisen einmal so zu verzehren. Die koreanisch geschmorten Shortribs waren butterzart und kommen in reichlich gehaltvoller Sherry- Sauce mit jungen Shii Take Pilzen und wilden Möhren.
Auf der anderen Seite besticht der Fischgang durch gut gegartes Fischfilet mit Pulpo und Gamba vom Planchagrill mit einem spanischen Kartoffelsalat, der auch kalt dazu gegessen werden kann.
Dessert: Cheesecake & Hoppang
Mit Hoppang bekommst du einen südkoreanischen Brioche ins Glas. Er ist mit Jujube & Cashewnutsfüllung zubereitet. Auf ihm thront eine gefächerte Ingwer- Zimtbirne. Liebevoll angerichtet kommt dieses authentische Dessert sehr gut bei uns an. Ebenso wie der Cheesecake mit eingelegter Werder- Pflaume. Wer mag, kann diesen auch etwas erwärmen. In jedemFall sollten beide Desserts Zimmertemperatur haben, damit sie den vollen Geschmack entfalten können.
Nicht nur über Food hat sich Bini und José Gedanken gemacht. Denn mit den abgefüllten Cocktails, die in Flaschen geliefert werden, kann du dir deinen Aperitif einfach dazu ordern. Wir hatten einen weißen Negroni. Diesen braucht man lediglich mit dem Trinkglas für 15 Minuten vor dem Verzehr ins Tiefkühlfach stellen und am besten ohne Eiswürfel servieren. Fertig.
Fazit vom Kochu Karu
Alles in allem kann man nur anerkennend anmerken, dass die beiden sich enorm viele Gedanken über einen nachhaltigen Lieferservice auf hohem Niveau gemacht haben. Mit dem Pickup sparen sie viele Autofahrten, dessen kurze Distanzen nun durch den Kunden locker zu Fuss erledigt werden können. Gerade die große Menge an Umverpackung und Plastik wurde auf ein Minimum reduziert und durch wiederverwendbares Glas ersetzt, welches bei Rückgabe zudem noch eine kostenlose Flasche Wein als Pfand vorsieht.
Der Weinhändler, welcher als Pickup Station herhält, kann korrespondierenden Wein vorschlagen und dem Kunden zusätzlichen Service anbieten, den man bei anderen Lieferdiensten sucht. Das Essen war großartig und wird auf jeden Fall dafür sorgen, dass man das Kochu Karu spätestens bei der Wiedereröffnung nach dem Lockdown besuchen möchte.
Das Nimm Mahl von Kochu Karu
das „Nimm Mahl!“ ist zurück – jetzt noch flexibler, beliebter und nachhaltiger!