Das erste Buch vom 2-Sternekoch Sebastian Frank ist im Matthaes Verlag erschienen. Der Österreicher möchte mit diesem Werk eine Essenz seiner persönlich erlebten Traditionen aufzeigen. Dafür, dass er nie der Typ gewesen sei, der nach Rezepten kocht und nie den Drang verspürte, ein Kochbuch zu schreiben, ist diese erste kulinarische Momentaufnahme ziemlich umfangreich geworden. Der Titel KUK [cook] ist seit Mitte April im Handel erhältlich. Ich habe es mir heute vorgenommen.
## Die Essenz der persönlich erlebten Tradition – KUK [cook]
Sebastian Frank ist für meine Begriffe ein recht unbekannter Koch, wenn man bedenkt, dass er zwei Sterne hat und sein Restaurant inmitten der Berliner Gastroszene nahe dem Paul-Linke-Ufer liegt. Das zeigt mal wieder, dass man sich in der Spreemetropole echt nicht um die Sterne schert und Foodies in der Hauptstadt sich mehr den Restaurants im direkten Umfeld annehmen, wie zum Beispiel dem Cocolo Ramen, dem La Lucha, dem Feed Back oder der Pizzaria ZOLA. Was aber nicht heißen soll, dass Sebastian samt Team nicht erfolgreich sind, sondern lediglich der Schwerpunkt in der alltäglichen Wahrnehmung, wie den sozialen Medien, woanders liegt.
Doch wer kulinarisch bewandert ist, kennt diesen Mann, dessen Restaurant „Horváth“ bereits seit 2011 mit zwei Sternen im Guide Michelin ausgezeichnet wurde. Weitere Auszeichnungen, wie „Berliner Meisterkoch“ oder „Bester Koch Europas“ konnte der Österreicher ebenfalls entgegennehmen. Wo Köche dieses Kalibers bei derartigen Preisen die PR-Maschinerie anwerfen, bleibt Sebastian jedoch am Boden und gibt sich bescheiden.
Alles begann mit der Ausbildung im Hotel Wende in Neusidl. Später vollzog er den Wehrdienst. Von dort ging es zu Stationen wie dem Restaurant des Burgtheaters, Restaurant Vestibül und dem vielfach ausgezeichneten Steiereck in Wien. Danach lernte er weitere Erfahrungen unter Christoph Zangerl im Restaurant Chef’s Table in Telfs. Hier lernte er die Mutter seiner zwei Kinder kennen. 2008 initiierte er eine Bewerbung für den Newcomer des Jahres im Restaurantführer Gault Millau. Er gewann.
Die Anstellung im Berliner Restaurant Horváth folgte zwei Jahre später. Hier sollte er nun ein wenig länger verweilen. Bereits nach einem Jahr, wurde der erste Michelinstern eingefahren. Es klappte alles, wie am Schnürchen.
Semivegetarische Küche als USP
Das Horvàth ist ein unkonventionelles Restaurant. Schon das Umfeld ist dafür nicht gemacht, ein Ort für ein gediegenes Lokal zu sein. Sebastian spielt hier mit einer gemüselästigen Küche auf. Hier und da ist von einer semivegetarischen Küche zu lesen.
Sellerie goes dry
Sein Star unter den Gemüsesorten ist offensichtlich der Sellerie, welchen er wie Trüffel adelt und durch unterschiedliche Zubereitungsarten geschmackliche Seiten heraus kitzelt, welche man woanders vergeblich sucht. Sein berühmtester Stunt ist wohl das Reifen der Knolle. Hier unternahm Sebastian 2012 das Experiment, einen in Salzteig gebackenen Sellerie im Teig zu belassen und über einen längeren Zeitraum Reifen zu lassen.
Bereits nach drei Monaten ähnelte der Sellerie in der Viskosität einem gereiften Käse. Geschmacklich erinnerte er an eine Fleischbrühe. Bei einer recht langen Reifung für sieben Monate glich das Ergebnis eher dem Parmesan. So ging man mit dem Gedanken schwanger, diesen zum Vollenden von Speisen einzusetzen und hobelte ihn mit einer Reibe. Doch dafür war er dann doch zu nass und man beließ die weiteren Exemplare für ganze 12 Monate im Teig.
Das Ergebnis war ein optimales Zusammenspiel von Viskosität und Geschmack. So wird dieser in Salzteig gereifte Sellerie heute in dem Gericht „Sellerie reife und jung“ angeboten. Dabei wird der Knollensellerie der aktuellen Ernte mit dem gereiften Sellerie aus dem Vorjahr gewürzt. Insgesamt benötigten sie dreieinhalb Jahre Kreativarbeit, was nicht nur sinnbildlich für die Beharrlichkeit Sebastians steht.
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KUK ist ein sehr ruhiges Buch
Was mir an KUK vor allen Dingen auffällt, ist, dass es ein sehr ruhiges Buch ist. Man wird als Betrachter von Kochbüchern in der heutigen Zeit üblicherweise mit recht vielen Reizen angesprochen. Sei es über die Fotografie, der Typo, dem Design oder am Ende auch der Haptik des gebundenen Bandes. Es wird versucht, neben den Rezepten und eigenen Kreationen noch möglichst viel dem Leser bieten zu können.
Das ist bei diesem Buch nicht der Fall.
Same same but different
Was dafür sorgte, dass ich mit diesem Buch zu Beginn fremdelte. Empfand ich es doch beim ersten Durchblättern von der Aufmachung her als vielleicht ein Stück weit zu vorhersehbar und eintönig, gänzlich ohne Spannungsbogen. Jede Seite wirkte irgendwie ähnlich der Vorherigen und man sah gefühlt stets das Gleiche auf dem selben Teller. Für knappe 80 Euro habe ich da andere Erwartungshaltung an dieses Buch gestellt. Doch dieser erste Eindruck entpuppte sich als ein Trugschluss. Denn gerade dieses Buch funktioniert auf seine eigene Weise ganz wunderbar.
Man hat natürlich in allen Belangen eine hohe Qualität vorliegen. Anders kann ich mir das bei Werken aus dem Hause des Matthaes Verlag heute nicht mehr vorstellen. Das Format ist angenehm, die Schrift ist sehr gut zu lesen und dabei ansprechend im Design gesetzt. Die Fotografie von René Riis aus Berlin wunderbar natürlich, unaufgeregt und präzise. Man setzt zudem beim Anrichten der Speisen auf einen einzigen Teller, welcher auch nie getauscht wird. Einzig und allein Schälchen für Saucen und Öle werden noch gezeigt. Der Rest spielt sich auf dem Teller von Hering ab. Warum macht man sowas?
Diese Ruhe bringt einen näher an das Konzept der Arbeit, welches umreist, wie Sebastian kochtechnisch unterwegs ist und welchen Stil er in diesen Zeiten pflegt. Nämlich bei allen Erfolgen und Auszeichnungen ist er bodenständig und entspannt. Diese Ruhe strahlt dieses Buch förmlich aus und der weiße Grundton lädt zusammen mit dieser Stimmung geradezu ein, seine Experimente in absoluter Entspannung zu studieren. Denn auch so sollte man in diesem Buch mit seinen Kreationen verfahren. Man darf sich auf diese Reise durch Sebastians experimentelle Arbeiten wagen, um die Methodik die hinter Tellern wie dem „Gemüse-Espresso“ steht, zu verstehen.
Hier nutzt er die Technik des Kaffeesiebträgers, um aus gerösteten Petersielienwurzeln, Topinambur und Blumenkohl ein „Espressopulver“ herzuleiten, welches dann wie der klassische Espresso extrahiert wird. Darauf muss man erst einmal kommen.
Reduced to the Max
Dieser Claim umschreibt wohl ziemlich gut, was Sebastian außerdem imstande ist zu leisten. Durch den sehr experimentellen Trieb, stellt er mit seinen Lebensmitteln Dinge an, welche für andere Köche wohl viel zu aufwändig wären. Wie zum Beispiel bei dem oben beschriebene Sellerie nutzt er auch zeitaufwändige Verfahren, um alles an Geschmack zu ergründen, was es zu entdecken gibt.
Ein schönes Beispiel ist obendrein das „Wiener Panier“. Auf einem Spiegel von Reiswasser wird roh geriebener Brokkoli gestreut, eine Backhendlemulsion dressiert, Anchovis und Zitronenschale arrangiert und das Ganze mit frittierter Petersilie und Preiselbeere garniert. So entsteht eine neue, grüne Variante dieser österreichischen Spezialität, welche die DNA des ursprünglichen Geschmacksbilds in sich trägt aber in dieser Form mehr als überrascht. Man kann förmlich spüren, wie hier das Team gewillt ist, mit bekannten Konventionen zu brechen, um geschmackliche Barrieren zu erweitern.
Seine Speisen bilden eine neu aufgearbeitete Darstellung, der erlebten Geschmackserfahrungen. Man kann vielleicht von einer Wiederbelebung sprechen, wenngleich auch nur im kulinarischen Sinne.
Der Aufbau
Das Buch ist in der Kategorie der Produkte und Rezepte in 11 Kapitel aufgebaut und umfasst dabei Themen wie natürlich den „Knollensellerie“, „Tierisches Fett“, „Zwiebeln und Knoblauch“, „Korn & Co.“ oder etwa auch den „Magics“. Diese „Magics“ sind zum Beispiel selbst hergestellte Zutaten oder etwa auch Würzmittel. Sie eignen sich sehr gut in der Kombination mit verschiedenen Produkten und sind in Sebastians Küche stets vorrätig und geben den Speisen den letzten Schliff.
Da wäre ebenfalls das Kapitel der alkoholfreien Getränkebegleitung. Jeder, welcher bereits ein mehrgängiges Menü mit Wein genossen hat und sich später für alkoholfreies Menü entschlossen hat, wird bei den meisten Restaurants auf recht ideenlose Alternativen blicken. Im Horváth hat man sich enorm Gedanken darüber gemacht und eine Begleitung zum Menü nach dem Bausteinprinzip entwickelt. Diese Getränke ergänzen die Gerichte geschmacklich und können so als eine Art Verlängerung angesehen werden. So gibt es ein Gemüsebier oder etwa einen Gemüsesaft mit Röstgemüseöl. Gurke mit Kresse- Eiswürfel oder ein Seitlingswasser mit geschäumten Hühnerfond.
Keep it simple but not stupid
Die hier gezeigten Speisen wirken in ihrer Zusammensetzung nie exotisch und stets bodenständig. Doch der Schein trügt. Der Teufel liegt hier wieder mal im Detail. Wer sich an die Rezepte heranwagt, wird schon ein wenig Wissen mitbringen oder wenigstens mit der gleichen Beharrlichkeit und Experimentierfreudigkeit ans Werk gehen müssen, wie es der Autor getan hat. Die Zubereitungsanleitungen sind in der Mehrheit eher außergewöhnlich und vermutlich so in kaum einem weiteren Buch wiederzufinden. In der Regel kommt hier jeder Teil mit maximal vier bis fünf Komponenten aus, selten sind es mehr. Mitunter ist es diese Art der Reduktion auf das Wesentliche, welches dieses Buch mit der hohen Bandbreite an sehr kreativen Gerichten zu einem einzigartigen Buch erheben.
Fazit
Sebastian Frank ist mit seinem ersten Kochbuch etwas wahrhaft Großes entsprungen und beachtlich dabei ist nach wie vor seine stoische Ruhe und Gelassenheit gepaart mit seinem Understatement, welches sich immer hinter seine Teller stellt. Für dieses Werk gibt es eine uneingeschränkte Kaufempfehlung meinerseits.
PS: Rezeptecheck
Nachgekocht wurde die Reissauce, welche aus Jasminreis gekocht werden sollte. Funktioniert hat dieses Rezept auch nach mehrmaligem Probieren leider nicht.