Das Hotel Adlon ist eine Institution für sich. Wer hier arbeitet, leistet einen anderen Service. Tradition verpflichtet eben. Wer also im ersten Stock des Hauses auftischt, der kocht mit einem anderen Anspruch mit einer anderen Einstellung, als man es für den Rest der Republik erwarten dürfte. Hendrik Otto ist seit 2010 der Küchenchef im Restaurant Lorenz Adlon Esszimmer und seitdem verantwortlich für die kulinarischen Geschicke des Hauses. Ich habe ihn im Rahmen meiner „Berlin Chef Stories“ besucht und bin davon überzeugt, dass es nun doch endlich mit dem dritten Stern klappen muss.
Als ich Hendrik Otto für einigen Wochen zum ersten Mal persönlich auf den Chefdays über den Weg lief, kam mir sofort der Gedanke, dass ich diese Top-Adresse doch schon lange auf meinem Zettel zu stehen hatte. Doch irgendetwas ist bisher immer dazwischen gekommen. Diese Mal wollte ich es nicht weiter aufschieben. Ich sprach ihn an und passender Weise war ihm der Blog ein Begriff, so dass wir sehr schnell zu dem Entschluss kamen, dass wir das Projekt einmal angehen sollten.
Lorenz Adlon Esszimmer
So stand ich einen Monat später bei ihm in der Küche und baute meine Ausrüstung auf, um mich seinen Kochkünsten hinzugeben. Ihr werdet wie immer in einer Chronik den Tag von mir aufgearbeitet bekommen. Doch dieses Mal ist es ein wenig umfangreicher als gedacht. Ich werde also meinen Besuch in drei Teilen veröffentlichen. Unter dem Motto „HO-Q“ (Hendrik Otto – Quintessenz) gibt es eine Menüfolge sondergleichen. Ihr dürft gespannt sein.
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Chronik
17:04 Uhr
Ich komme mit meinem Equipment im prestigeträchtigen Hotel Adlon an. Mein Auto parke ich im Parkhaus. In der Lobbyhalle melde ich mich an und das äußerst herzliche Willkommensgeheiß zeigt mir, dass es selbst im 5-Sterne-Segment noch große Unterschiede unter den einzelnen Häusern gibt. Natürlich haben auch die anderen einen sehr guten Service. Aber hier ist alles exzellent und auf den Punkt. Das fällt sofort auf und man fühlt sich sehr wohl.
Die Halle ist sehr belebt und bildet gerade in diesem Hotel das Herz im Inneren. Hier ist ein lebendiges Treiben. Es ist alles nicht nur pompös und prunkvoll ausgestattet sondern mit viel Stil und Historie. Das gibt es kein zweites Mal in Berlin. Wer hier einkehrt, weiß um das Besondere, welches einem hier umgibt.
17:10 Uhr
Ich gebe bei der sehr freundlichen Dame am Empfang Bescheid, dass ich zum Fotografieren hier sei und erwartet werde. Man verweist mich ans Restaurant „Lorenz Adlon Esszimmer“ im ersten Stock. Dort angekommen habe ich über die Galerie von oben einen viel besseren Blick über die wohl schönste Empfangshalle der Stadt. Mir war von früher immer noch, und das war noch zu Zeiten als Karlheinz Hauser hier Küchenchef war, das Bild vor Auge, als hier zu Weihnachten ein riesiges Lebkuchenhaus aufgebaut wurde. Herrlich, wie sich in all der Zeit irgendwie alles aber dennoch das gewisse Flair an sich nicht verändert hat.
Vor dem Eingang des Restaurants hat sich bereits eine Gruppe von 6 Hotelgästen eingefunden. Sie selbst haben vermutlich wohl einen Tisch für den Abend gebucht und wollten sich vorab die Räumlichkeiten anschauen. Mit strahlenden Augen ließ man sie natürlich einkehren und in dort sehr elegant wirkenden Speisesälen die vorbereiteten Tische bestaunen. Sie waren alle sehr angetan und werden ihren noch kommenden Abend wohl nicht mehr so schnell vergessen.
17:15 Uhr
Herr Hendrik Otto himself und sein Maître Oliver Kraft empfingen mich per Handschlag und boten selbstverständlich ihre Hilfe beim Transport meiner Utensilien an. Vorab besichtigte ich meine zukünftigen Arbeitsplatz und betrat zum ersten Mal die heiligen Hallen, wo all die Speisen produziert werden.
Es ist eine sehr geräumige und vor allen Dingen lange Küche. Hier haben die Köche vergleichsweise sehr viel Raum zur Entfaltung. Der Pass bildet mit seinen Wärmelampen das Herzstück der Küche, bildet er doch wie auch in anderen Küchen den Übergang zum Service. Hier erfolgt die letzte Kontrolle von Hendrik Otto, welcher mir total unkompliziert sofort das „Du“ angeboten hat. Das Angebot nahm ich natürlich gerne an.
17:35 Uhr
Die Fotoausrüstung ist derzeit nun schon nach oben getragen worden und ich beginne mich so langsam einzurichten. Am Pass herrscht schon jetzt viel Verkehr. Alles was auch nur im Ansatz vorbereitet werden kann, wird bereit gestellt. Man überlässt nichts dem Zufall. Alles hat seinen Platz und gehört auch immer dorthin gestellt. Ich bespreche mit Hendrik die Abfolge und wie wir die Fotoaufnahmen am besten gestalten wollen. Normalerweise richtet der Küchenchef bei dem ich die Fotos anfertige immer einen Gang zusätzlich an und schickt die Gerichte quasi „so nebenbei“ mit raus. Aber nicht im Adlon, nicht bei Hendrik Otto.
Er gibt sich keine Blöße. Für ihn heißt es „Vollgas geben“. Mit seinem Team hat er sich ein sehr umfangreiches Programm ausgedacht. Eine Menükarte wurde extra hierfür angefertigt. Beim Aufklappen habe ich mit einer kurzen Gesichtsentgleisung zu kämpfen. Ich überflog die sehr umfangreiche Karte kurz, um am Ende auf insgesamt elf Gänge zu kommen. Wer bereits in einem Sternerestaurant gegessen hat, weiß auch, dass es mit dem Menü an sich nicht getan ist. Ähnlich wie bei einem Flugzeugträger bei dem im Verband ja noch nebenbei verschiedenste Begleitschiffe mit unterwegs sind, ist bei einem Menü auf diesem Niveau noch mit einem wenn nicht gar mehreren Amuse Bouche Gängen und hinten raus noch mit einem Vordessert und Petit Fours Gang zu rechnen. Ich war also auf ein Gaumenfeuerwerk eingestellt. Doch kam vorher noch das Sichten und Fotografieren der Speiseräume.
17:55 Uhr
Man stellte mich Frau Held vor. Eine besonders sympathische Dame aus der PR-Abteilung, welche in ihrer leitenden Funktion sich es nicht nehmen lassen wollte, mich zu begrüßen und mir alles Gute für den Tag zu wünschen. Sie geleitete mich mit Hendrik ins Restaurant, wo ich nach einem kurzen anregenden Plausch über die heutige Art der Kommunikation und den Umgang im Social Media Bereich, so gleich ans Werk ging, um die bereits eingedeckten Tische in Augenschein zu nehmen.
Der opulente Blick durchs Fenster über den Pariser Platz aufs beleuchtete Brandenburger Tor ist einfach unbezahlbar. Hier lässt es sich gut gehen.
Während ich meine ersten Aufnahmen im Restaurant ablichte, kommt der Service für das alltägliche Briefing zusammen. Hier wird sehr genau kommuniziert, mit welchen Gästen man es zu tun hat, wie sich der Service auf den Gast am besten einstellen kann und natürlich welche Unverträglichkeiten vorliegen. Im Vergleich zu anderen Briefings, welche ich in meiner Karriere erlebt habe und auch Über die bereits erfolgten „Berlin Chef Stories“ beiwohnen konnte, habe ich das Gefühl, dass hier im Detail noch mehr abgesprochen wird und enorm das Bestreben vorliegt „Service at ist best“ anzubieten. Das macht den Unterschied. Aber wie es bereits in den bisherigen Zeilen durchgeklungen sein mag. Tradition verpflichtet eben.
18:40 Uhr
Es wird ernst. Die erste Gänge möchte Hendrik nach Möglichkeit noch vor dem offiziellen Start des Service` um 19:00 Uhr schicken. Das sagt er natürlich nicht, um mir nicht vor die Nase zu stoßen, das merke ich aber sehr deutlich. Ich bin bereit und nach dem Einstellen des Lichts dann auch vollends startklar.
Hendrik annonciert laut und deutlich. In jedem geht spätestens jetzt der Körper in eine gewisse Grundspannung über, der Fokus und die Sinne sind jetzt besonders geschärft. Die bis gerade eben recht lockere Stimmung geht über in eine Routine, die sich ausschließlich auf ein ergebnisorientiertes Arbeiten einstellt. Zwei Sterne kochen sich nun mal nicht nebenbei. Das ist allen klar.
18:45 Uhr: Appetizers
Es geht los mit den Appetizers. Das sind drei kleine mit der Hand zu essende Snacks bestehend aus einem gepufften Sauerteigbrot mit fränkischem Apfelkäse im Lardomantel und Schnittlauch, Exotik-Eis, Charontais-Melone mit Hummermayonnaise sowie ein Taco mit Bellotaschinken, Parmesan, Sardelle und Pistou. Separat reicht man hier in dem sehr schönen Holzsockel Parmesansticks aus Filloteig.
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Diese kleinen Happen haben es in sich. So schlägt das innere Belohnungssystem genau wie bei dem Verzehr von Kartoffelchips sofort beim Crunchen dieser knusprigen Bissen an. Der Wechsel der Texturen von cremig, knusprig und weich fühlt sich sehr gut an ganz zu schweigen vom süß, salzigen Geschmack, köstlich.
18:53 Uhr: Doradencarpaccio mit Sake-Tee
Der zweite Gruß aus der Küche ist ein Krabbenchip mit Doradencarpaccio im Tomatengelee mit eingelegtem Ingwer mit Koriandermayonnaise und sphärischen Kern aus der bekannten Tom Kha Gai. Der Verzehr dieses Snacks gestaltet sich wieder als ein Moment an dem man kurz innehält und das Gespräch vergisst. Der Genuss drängt in den Vordergrund.
Der anschließende Verzehr des dazu gereichten Mixgetränk der aus Earl Grey Tee mit etwas Sake, Lorbeerblättern, Orangenzesten und einer Spur Zimt zubereitet wird, ist einfach nur ein Genuss in kalt, welcher als Eistee der asiatischen Art den Appetitanreger perfekt ergänzt. Ich war nun eingestellt auf die Dinge, die da kommen mögen und auf so ziemlich alles gefasst.
Das hier eigens produzierte Brot wird auf einem Kiesbett angeboten. Es besteht aus Malz-, Laugen- und Butterbrötchen mit Thymian samt Trüffeldip, gesalzener Butter, getrockneten Blüten und Schnittlauch. Vor dem Einsetzen am Gast wird es noch ein- zweimal mit Thymian bestäubt. Das ist auch der Grund, warum dieser Duft, vorrangig am Pass um diese Zeit zu vernehmen ist. Und es sind eben diese kleinen Schritte, die den Unterschied machen.
19:01 Uhr: Gänseleber / Parfait, gefroren, roh • Ananaspapier, Molke, braisierter Pfirsich, Estragon
Das eigentlich Menü beginnt nun mit der ersten Vorspeise. Ich habe mich rein fototechnisch warmgeschossen und bin bereit für den ersten richtigen Gang. Hier erwartet mich eine neue Interpretation der Gänseleber, welche er in drei Formen darbietet. Sie kommt in Form eines Parfaits, roh ganz dünn aufgeschnitten und gefroren. Diese drei Versionen stellt Hendrik immer wieder neu dar.
Im aktuellen Menü reicht er zum Parfait ein Sauternesgelee, die eiskalte Gänseleber als gefrorene Luft und roh aufgeschnitten und gerollt mit Maldon Sea-Salt sowie einer Pfeffermischung aus Langpfeffer, weißen Pfeffer und schwarzen Pfeffer. Der Ananaschip und der Molkeespuma samt Estragoncreme ergänzen das Gericht um säurehaltige als auch kräuterrige Noten. Das klassisch französische Baguette in Miniform unterstreicht die örtliche Verankerung dieses Gerichts.
Handgeschriebene Captain Orders
Im Restaurant selbst werden gerade die ersten Gäste empfangen und platziert. Vorab unterhielt ich mich mit Hendrik über die Reservierungslage. Für ihn gibt es längst nicht mehr die Tage an denen das Restaurant halb voll ist. Derzeit sind sie gut gebucht und das Reservieren ist prinzipiell sehr angeraten. Die ersten Amuse Bouches und Brötchenauswahl samt Dip verlassen die Küche. So langsam beginnt auch hier der Motor warm zu laufen.
Natürlich kommen hier auch Staatsgäste vorbei
Laute Annoncen mit fester und bestimmter Stimme geben den Ton an. Hendrik erhält handschriftliche Captain Orders, die ihm zeigen, welcher Gast eingekehrt ist und für was er sich entschieden hat. Das ist im Gegensatz zu den zumeist gedruckten Bons die klassische Variante. Gerade wenn man so Gäste wie den US-Präsident Barack Obama samt Bundeskanzlerin Angela Merkel hat, ist solch eine handgeschriebene Bestellung im Nachhinein viel schöner anzuschauen.
So herrscht an der sogenannten Bonleiste schon kurz nach halb sieben viel Betrieb. Es ist auch seine Aufgabe, hier für Ordnung in den Abläufen zu sorgen. Welcher Tisch bekommt was, wann ist es Zeit, um den Fisch einzulegen, wann kann das nächste Amuse raus? All das muss er im Blick behalten, um die richtigen Anweisungen an das Team zu geben.
Stets erfolgt natürlich eine Rückkopplung mit dem Service. An einem Tisch ging die Meldung unter, dass die Dame keinen Fenchel mag. Es gibt natürlich nicht wenige Restaurants, wo langwierig herum lamentiert wird, wer jetzt in dieser Situation „geschlafen“ hat. Hier spart man sich das, und reagiert spontan. Sie erhält eine Schwarzwurzel und ist happy.
Dies war der erste Teil der Berlin Chef Stories im Lorenz Adlon Esszimmer des Hotel Adlon Kempinski. Der zweite Teil folgt in wenigen Tagen.
Hey Steffen Sinzinger, danke für diesen tollen Blog, froh, dass ich hier bin, teile ihn weiter mit uns.