Über Berlin wird so viel erzählt, so viel geschwärmt. Dieser Ort gilt als eine Stadt der Vielfalt, der Mode, der Kreativen, der Gestalter. Hier entwickelt sich wie in kaum einer anderen Stadt die Foodszene in einer unglaublichen Geschwindigkeit. Doch Berlin hat auch seine Schattenseiten, die mehr und mehr alles zum Kollabieren bringen.
Berlin – eine Stadt gibt sich auf
Wer in Berlin lebt, tut sich vermutlich schwer daran, eine auch nur im Ansatz vergleichbare Stadt ein zweites Mal zu finden. Berlin ist einzigartig, mannigfaltig, bunt, dreckig, verschlafen, unruhig, wechselhaft, schnell, künstlerisch anspruchsvoll, laut, vibrant, innovativ, verstopft, immer wieder neu, tolerant, chaotisch und und und.
Ich kenne viele Freunde und Kollegen, die es bereits in eine andere Stadt gezogen hat. Alle berichten von der Ambivalenz zu dieser Metropole. Diese kulturverbundene Metropole findet man so in Deutschland nicht wieder. Jede andere Heimat stinkt dagegen nur ab. Insofern hinkt jeder Vergleich von vornherein.
Foodtrends & Co.
Foodtrends werden hier stets neu aufgesogen und von hungrigen Gastronomen eigens interpretiert und auf die Straße gebracht. Doch merke ich selbst, wie es immer mehr knirscht und knackt, wie immer mehr in der Stadt einfach falsch läuft. Doch es gibt auch das andere Berlin. Sich einige Dinge fast schon chronisch festsetzen und den Alltag bestimmen. Ich habe von Berlin von je her ein ambivalentes Verhalten. Doch habe ich mehr und mehr das Gefühl, dass dieses kippt und die Spreemetropole sich fast schon selbst aufzugeben scheint.
Nun habe ich mich gefragt, ob das jetzt ein rein subjektives Denken ist, oder es anderen auch so geht. So habe ich mich umgehorcht und neben meiner eigenen Meinung ein paar Influencer aus der Szene dazu befragt. Ich möchte das nicht als Berlin-Bashing verstanden wissen, sondern hier einfach einmal Dampf ablassen, zu Dingen, die vermutlich einfach mal gesagt werden müssen. Mir geht es offensichtlich nicht als einziger so.
Alexandra Laubrinus – Die Netzwerkerin
Als großartige Netzwerkerin und Kontaktknüpferin ist sie den meisten Köchen und Gastronomen in Berlin ein Begriff. Sie kennt in der Stadt einfach jeden, der einen Mehrwert in der Szene darstellt und kann daher auch so umwerfende Projekte, wie die Berlin Food Week eine ist, organisieren. Sie hat also immer einen besonderen Draht ganz nah bei den Berliner Machern. Was Alexandra zu diesem Thema zu sagen hat, ist:
"Als Kuratorin der Berlin Food Week finde ich die kulinarische Entwicklung, die Berlin seit einigen Jahren durchläuft, großartig. Diese basiert u.a. auch auf der internationalen Relevanz der Stadt: Akteure aus aller Welt kommen nach Berlin, experimentieren, probieren sich aus und setzen hier ihre gastronomischen Ideen um.
Schade finde ich nur, daß man an manchen Stellen das Gefühl hat, daß die Sprache auch Barrieren schafft. Berlin ist zwar beliebter Spielplatz, aber integrieren und austauschen kann man sich mit den Berlinern nur bedingt. Immer häufiger erlebe ich, dass in Cafés und Restaurants ausschließlich englisch gesprochen wird. Als gebürtige Ost-Berlinerin weiß ich, dass meine Eltern-Generation Russisch und nicht Englisch gelernt hat. Ich finde es daher schwierig, daß man in Mitte teilweise nicht einmal mehr einen Kaffee auf deutsch bestellen kann und würde mir hier mehr Bemühen von Zugezogenen wünschen. Berlin ist unser aller Zuhause und hier sollte man aufeinander zugehen und niemanden ausschließen, weil er kein Deutsch oder Englisch spricht."
Jan-Peter Wulf – Der Gastro – Kenner
Jan-Peter weiß einfach Bescheid. Gibt es neue Themen in und um Berlin, so ist er stets im Bilde. So schnell macht ihm keiner was vor. Sein Nomy-Blog, eine Gastro Seite aus Berlin, ist eine wunderbare Momentaufnahme der hiesigen Trends und Entwicklungen im Food- & Non-Foodsektor des Genusses. Allemal ist das natürlich für mich Grund genug, ihn hier zu Wort kommen zu lassen.
"Was mich an Berlin stört? Lässt sich auf einen Begriff komprimieren: Range Rover. In der Stadt ein solches Fahrmonster – oder ein ähnliches anderer Marken – zu besitzen und zu benutzen, vergegenständlicht für mich das Gegenteil des guten Zusammenlebens in der Stadt. Mobiles Prepping ist es, mit solchen Gelände-SUVs über den Kopfstein zu donnern. Absurd. Ich habe lange in Autostädten gelebt – Bochum, Dortmund – und sollte resistent sein. Doch bin ich früher gerne Rad in Berlin gefahren, gehe ich heute lieber zu Fuß. Zu stressig. Die BVG steckt lieber Geld in die unterhaltsame Kommunikation ihrer Mängel als in deren Behebung? Geschenkt. Der Flughafen wird nie fertig? Ist mir egal (schade nur um das Geld). Nein, mich stören die Jeeps und hochgetunten Spielzeugautos in Berlin. Sonst nicht so viel. Was die Gastronomie betrifft, wünsche ich mir weniger Selbstbedienung und mehr Mut zur eigenen lokalen, regionalen Identität. Im Vergleich zur stilbildenden Berliner Clubszene ist man hier noch sehr me, too. Ansonsten kann ich nur sagen: Berlin ist bislang gut zu mir und ich mag, wie groß und international die Stadt geworden ist. Ich bin gerne mal weg, freue mich aber immer wieder, wenn der Zug in Kürze Spandau oder das Südkreuz erreicht."
So habe ich hier die ersten zwei Stimmen, weitere werden folgen. Was sind Eure Gedanken hierzu. Ist für Euch Berlin immer noch arm aber sexy? Kommentiert fleißig, ich bin gespannt auf Eure Meinung.