Zumeist ist die Fortsetzung einer Herausgabe verbunden mit dem Zwang gegenüber dem ursprünglichen Werk nochmal eine Schippe drauf setzen zu müssen. Der Sinn einer Nachfolge soll ja auch gegeben sein. Im Kinoalltag entpuppt sich jedoch dieses Vorhaben allzu oft als Flop, da in aller Regel die überzogenen Erwartungen nicht erfüllt werden konnten. Ausnahmen wie „Terminator 2“, „Kill Bill 2“ oder „“Zurück in die Zukunft II“ bestätigen da als Ausnahmen die Regel.
Bei Kochbüchern erlebt man das noch viel seltener. Die Verlage gehen nur vereinzelt das Risiko ein, ein Buch erneut aufzugreifen, welches aufgrund der Aufmachung und Inhalt im Vergleich zum Vorgänger auf den ersten Blick für den Leser nichts Neues beinhalten könnte.
Entdecke ich trotzdem solch einen Band, so schaue ich gerne einmal genauer hin. So wie bei der zweiten Ausgabe von „Gemüse“ welches nun logischerweise mit dem Titel „Gemüse 2“ aufwartet. Kreiert haben es wieder Andree Köthe und Yves Ollech, beides gleichberechtigte Partner und Köche im Essigbrätlein in Nürnberg, dass seit 1997 den ersten und seit 2008 durchgehend den zweiten Stern im Guide Michelin aufweist. Für solche eine Auszeichnung ist natürlich Kontinuität und Kreativität von Nöten, und diese Eigenschaften scheinen die beiden zusammen mit ihrem Team dauerhaft aufbringen zu können.
Die Produkte für ihre Küche beziehen sie aus ihrer unmittelbaren Region, dafür scheint es erkennbar genügend Anbieter in der bayerischen Region zu geben. Auch wenn in diesem Buch laut Titel nur das Gemüse behandelt wird, bieten sie hier Rezepte samt Fleisch an. Selbiges darf man auch auf ihrer Speisekarte im Restaurant erwarten.
Das Ziel der von A. Köthe und Y. Ollech ist es mit diesem Buch erneut darzulegen, dass man mit ungewöhnlichen Produkten wie Birnenstäublingen, Wacholdernadeln oder Eisbergonienblüten ebenso fantastische Kompositionen schaffen kann, als würde man die klassischen Gemüsesorten wie Gartenbohnen, Spargel oder auch Sellerie einsetzen. Für solche Sorten verspricht man spannende Beispiele auf den insgesamt mehr als 220 großformatigen Seiten.
Insgesamt sind 52 Rezepte aufgeführt und es geht gleich beim ersten mit einem eher ungewöhnlichen Produkt los. Der sogenannte Ackerrettich wird einleitend in einem Absatz beschrieben und neben diesem wartet auch ein wunderbares Abbild dessen auf. Neben Infos wie weiteren Bezeichnungen („Wilder Rettich“, „Hederich“) wird die Haupterntezeit, die Beschaffenheit und Geschmack sowie Anwendungsgebiete in der Küche genannt. So bekommt man ein recht genaues Bild vom vielleicht noch unbekannten Produkt. Zudem verliert man hier noch ein paar Worte zum Werdegang des auf der Folgeseite gezeigten Gerichtes. Dieses offenbart sich als sehr kreativ und farbenfroh. Sie kombinieren den Ackerrettich mit einer milden Zwiebelcreme, einer süßen Magnolienessenz und eingelegten Rettichscheiben.
Wie anfänglich versprochen geht man bei den durchaus bekannteren Gemüsesorten genauso kreativ um. Nach der Vorstellung der Aubergine suche ich vergebens auf dem Foto des wunderbar anzuschauenden Gangs die Eierpflanze. Erst das genaue Sichten des Rezeptes, welches hier in 8 verschiedene Bestandteile gegliedert ist, schafft die Erleuchtung. In diesem Fall wurde die Aubergine in 1,5 cm dicke Scheiben geschnitten, diese in eine Limettensaft- Zuckermischung gegeben, vakuumiert und im Dampfgarer gegart. So bekommen sie eine fast glasige, gelbe Färbung und sind selbst mit einem geübten Auge auf den ersten Blick nicht wieder zu erkennen. Zusammen mit einem Vogelmiereneis, Brunnenkresseöl, Luftschokolade, Schokoladenerde und ausgewählten Kräutern wie Sauerklee und japanischer Knöterich wird sie hier mal wirklich anders angerichtet.
Auch eine meiner geschmacklichen Entdeckungen der letzten Jahre überhaupt findet hier Erwähnung. Es geht um die Fichtentriebe. Dieses säuerliche Kieferngewächs, welches nur für einen kurzen Zeitraum im Frühjahr zu ernten ist, hat einen ganz eigenen unverwechselbaren Geschmack. Ich kann den experimentellen Einsatz in der eigenen Küche nur empfehlen, Ihr werdet sicherlich nicht enttäuscht sein. Hier kredenzen diese beiden Akteure einen sanft gegarten Hecht mit Joghurtmolke und Spargel. Aus den Fichtentrieben wird im Thermomix eine homogene Paste hergestellt. Breit auf dem Teller aufgestrichen soll diese merklich aber doch nicht zu aufdringlich bei jedem Gabelhieb den Gaumen entzücken.
Bei allen Zusammenstellungen benötigt man hin und wieder den Einsatz eines Dampfgarers, dem bereits oben erwähnten Thermomix, einen Pacojet oder auch eine Eismaschine. Der Rest des dort benötigten Equipments sollte eigentlich in jedem gut sortierten Haushalt zur Verfügung stehen.
Die Rezepte sind gut lesbar und logisch aufgebaut. Für die Fotografie zeichnet sich Peter Schulte verantwortlich, ich finde sie überzeugt durchgehend, zudem sind die Farben sehr schön natürlich wiedergegeben und kommen auch recht knackig rüber. Hin und wieder werden die Speisen mit einer sehr geringen Schärfentiefe dargestellt. Ansonsten gibt es da bei den fertigen Gerichten keine Spielereien. Ganz im Gegensatz zur Darstellung der unverarbeiteten Produkte. Diese werden teilweise in Makroaufnahmen gezeigt oder wie beim Spargel, hauchdünn aufgeschnitten und im Gegenlicht in Szene gesetzt.
Alles in allem macht dieses Buch große Freude und ist ein Garant für frische Ideen mit tollen adaptierbaren Vorschlägen, um wieder einmal frischen Wind in die eigene Gemüseküche zu bringen.
hach, einmal bin ich mit der Benotung eines Kochbuches wieder bei dir!
Kurz – es ist ein typisches Köthe/Oelich – viel versteckte Raffinesse, wenig Gedöns, hohe Kochkunst – aber, mein Gedanke beim Zuklappen des Buches war: “ ok, ist das alles?“
Insbesondere Köthe ist ja ein Meister des understatements – mag ich, ich finde das Resto (fast durchwegs) genial und doch ist meine riesige Vorfreude beim Aufklappen des Buches, einer ganz leichten Enttäuschung gewichen.
Ein kleines Beispiel, die Pistazienkreme wird mehrfach eingesetzt, sowas enttäuscht mich beim Großmeister der Gemüseküche in Deutschland enorm.
Weiter – die Pilze ausgenommen, nix Neues auf der Zutatenliste – gaaaanz leichte Entäuschung meinerseits.
Ein sehr gutes Buch, leider nicht mehr, hatte auch einen Meilenstein gehofft – aber das ist dann wohl mein Problem.
Na das beruhigt mich ja ein wenig, dass wir da endlich mal wieder eine Wellenlänge gefunden haben! Wie so oft werden bei Fortsetzungen Erwartungen bei dem einen oder anderen Konsumenten geschürt, die teilweise nur schwer zu erfüllen sind.