In der Berliner Spitzengastronomie wurde in den letzten Jahrzehnten der eine oder andere Star, welcher über die Stadtgrenzen hinaus bekannt ist, hervorgebracht. Hat dieser jene sogar in einem traditionsreichen Haus wie das Adlon gearbeitet, verstärkt sich sogleich seine mediale Wirkung um ein Vielfaches. Karlheinz Hauser ist einer dieser Köche, die es geschafft haben, mit dem gut aufgebauten Image im Berliner Prestige- Hotel, erfolgreich Wege in die Selbstständigkeit zu beschreiten. So ist er bereits mehr als ein Jahrzehnt sein eigener Chef und widmet sich neben dem Gastrokonzept des Süllbergs nahe Hamburg nun auch stärker dem betriebswirtschaftlichen Teil dieser Anlage.
„Karlheinz Hauser: Rezepte, Konzepte,
Geschichten, Philosophie“
Karlheinz Hauser
Fotografie: Thomas Ruhl
Fackelträger Verlag
Köln, 2013
288 S., gebunden, 69,00 EUR
ISBN: 978-3771645427
An diesem Konstrukt wird schnell klar, was für ein umtriebiger Mensch Karlheinz Hauser ist. Dort gibt es ein legeres Restaurant, eine Gourmetküche, den „Süllberg Biergarten“, die Almhütte mit entsprechendem Angebot und einen Cateringservice, welcher Gästeaufkommen mit Kapazitäten um die 2.000 Personen bewirtschaften kann. Alles in allem tanzt er so auf vielen Hochzeiten.
Sein 11- jähriges Bestehen nimmt er nun zum Anlass, diese kulinarische Vielfalt, welches sein Team Tag für Tag auf die Beine stellt, in einem Kochbuch festzuhalten, um den Leser außerdem an seiner Philosophie teilhaben zu lassen. Ein authentischer Einblick wird im Vorwort versprochen.
Herr Hauser duckt sich nicht weg, er ist dabei sehr präsent, das merkt man sofort. Halten sich bei vielen Kochbüchern heutzutage die Schöpfer im Hintergrund, nimmt man auf diesen Seiten K. Hauser sehr aktiv wahr. Auf den ersten 40 Seiten quasi pausenlos. Die einleitenden Zeilen, bei denen er durch Vorworte von Thomas Ruhl, Eckart Witzigmann, Gerd Käfer oder auch Otto Koch auf einen eigenen Sockel gehoben wird, sind auch eine kleine Zeitreise durch die vergangenen Jahre in denen er sich gerne einmal mit Größen wie einem Hollywoodschauspieler oder dem amerikanischem Staatsoberhaupt selbst zeigt.
Aber auch der folgende Background gehört zu seiner Lebensgeschichte hinzu. Die Zeit als Chef- Gardemanger und später Souschef im sagenumwobenen Restaurant Aubergine, in dem er unter der Führung von Jahrhundertkoch E. Witzigmann sein Handwerk bestreiten durfte, wird genauso umrissen, wie die nachfolgenden Jahre als Küchendirektor im Hotel der Kempinski Kette.
Zusätzlich finden auch seine ersten Stationen als eigener Chef hier nicht nur Erwähnung, ausführlich schildert er, wie dabei beispielsweise die anfänglichen Verhandlungen rund um das umfangreiche Projekt verlaufen sind oder er später seine Mitarbeiter aussuchte und später auch zu führen pflegte, allen voran die drei agierenden Küchenchefs Marcel Görke, Marco D`Andrea und Benjamin Zehetmeier.
Ein kulinarischer Höhepunkt ist zweifelsohne das mit zwei Sternen im Guide Michelin ausgezeichnete Restaurant „Seven Seas“. Es wird in diesem von den Konzepten her dreigeteilten Buch zuerst vorgestellt. Die Region um den Süllberg herum findet bei der Speisengestaltung laut eigener Aussage natürlich Beachtung, aber geht man da nicht so kompromisslos vor, wie manch anderer Gastronom, daraus macht man hier auch kein Geheimnis.
Das zeigt sich gleich bei den Vorspeisen wie „Languste, andalusische Würze, falsche Oliven, Tomate“ oder auch „Jakobsmuschel & Gänsestopfleber, Artischocken, Trüffel, Frisée“. Man merkt relativ schnell, dass hier offensichtlich der Weg gegangen wird, dem Gast vorwiegend mit den Edelprodukten dieser Welt zu begegnen. Die Gänge sind allesamt recht modern präsentiert, aber rein subjektiv macht sich bei mir das Gefühl breit, dass gerne auf Elemente der klassischen französischen Küche zurück gegriffen wird. Das zeigt sich mir an Beispielen wie der Miral- Taube mit Gänseleberkern im Spinatmantel oder der Steinbuttroulade mit Kaisergranatfüllung.
Das ist alles nicht schlecht und mit Sicherheit auf höchstem Niveau verarbeitet, aber für mich setzt man bei diesem Konzept der Produktauswahl ein wenig zu sehr auf die elitäre Schiene. Das sagt natürlich nichts über die Qualität der einzelnen Gerichte an sich, aber doch interessiert mich bei diesen Herren ihrer Zunft auch der Umgang mit den bodenständigeren Lebensmitteln.
Das steht komplett im Kontrast zum Dessertbereich, dem man auf der Gourmetschiene merkwürdigerweise mehr Seiten widmet, nämlich insgesamt 51, als sämtlichen Gängen zuvor. Das mag daran liegen, dass sich Karlheinz Hauser mit Marco D`Andrea einen recht prominenten Patissier gesichert hat. Ist er doch 2012 mit dem Titel „Junger Wilder“ prämiert worden und seitdem immer mal wieder in der Presse zu entdecken. Seine Dessertkreationen sind viel stärker mit den Einflüssen der kulinarischen Entwicklung der letzten Jahrzehnte verwoben und wirken deshalb umso zeitgemäßer. Die verschiedenen Gänge werden häufig einem Thema unterworfen, welches dann über die einzelnen Komponenten erarbeitet wird. Er reflektiert zum Beispiel mit der Nachspeise „Mama`s Müsli“ eine Kindheitserinnerung, die er hier auf kalte Weise erzählt. Die Bestandteile dieser Cerealienmischung wie dem Joghurt, frischen Beeren oder auch Honig werden hier auf eine zumeist unerwartete Art gereicht.
So verarbeitet er den Joghurt zu einer gefrorenen Hohlkugel, welche beim Anrichten mit Müslipuder, Beeren- Joghurtschnee, Rosinen, gehobelten Haselnüssen, Cookis, Cornflakes und frischen Beeren gefüllt wird. Abgerundet wird das am Tisch mit dem Zerstoßen dieser Eiskugel und dem Drapieren von frischem Honig, Joghurtespuma, Müsli, Kresse und Blüten. Ein aufwändiges aber doch mit Sicherheit unterhaltsames Unterfangen. Von der Optik her sehr ähnlich mutet seine eigenwillige Interpretation von „Joghurette“ an, welche ebenso eisgekühlt und ganz auf die Kugel getrimmt ist. So kommt es, dass ich mich bei diesen sehr schönen Dessertkompositionen bedeutend länger aufhalte, gerade weil das Anrichten in kleinen Schritt für Schritt Fotos dem Betrachter beigebracht wird.
Das erste Kapitel schließt mit weiteren Desserts, Petit Fours und auch dem Käsewagen, den sich nicht viele Restaurants mehr leisten wollen, ab.
Karlheinz Hauser zeigt aber, wie schon angekündigt, nicht nur die Kirsche auf dem Sahnehäubchen. Es wird mit der Präsentation des „Deck 7“ auf die Küche für den etwas kleineren Geldbeutel verwiesen, welche ich hier als sehr angenehm aufbereitet empfinde. Der Umgang mit den „einfacheren“ Produkten wird gepflegt, jedoch wirkt dies aber nicht zweitklassig. Die Verarbeitung dieser Lebensmittel empfinde ich als viel anspruchsvoller. Er kann in diesem Buch so viel besser die Brücke zur heimisch kochenden Fraktion schlagen, welche von Hause aus schon viel eher an Fleischsorten, wie Kalbsbäckchen und -kotelette oder Zutaten für seine „neu interpretierte Rinderroulade“ herankommen. Das Ausmaß an rezeptierten Gerichten ist hier etwas kleiner bemessen, genauso auch seine Rezepte zur Almhütte, die er im Winter mit Speisen wie die „badische Zungenschwarzwurst“, „Maultaschen“ oder dem klassischen „Kalbstafelspitz“ bewirtschaftet.
Das Kochbuch schließt nach diesen drei Kapiteln mit einigen Worten zu seinem Cateringkonzepten ab und viele Fotos von diversen Veranstaltungen geben einen guten Eindruck.
Für die Bildsprache der einzelnen Gänge zeichnet sich Thomas Ruhl verantwortlich. Man kennt ihn vom „Port Culinaire“ Magazin, welches auch vierteljährlich erscheint. Wer einige dieser Ausgaben bereits in den Händen gehalten hat, wird wissen, worauf er sich hier designtechnisch einlässt, wurde das „Look & Feel“ nahezu 1:1 übernommen. Das muss jetzt kein Nachteil sein, ist man denn mit dem Ergebnis zufrieden. Ich für meine Begriffe finde es nicht so gelungen. Gerade auch die Funktionalität leidet darunter, wenn sie wegen des Designs hinten angestellt wird. Die Zutatenzusammenstellungen als auch die Zubereitungsschritte sind vom Textfluss für meine Begriffe nicht praxisnah gestaltet.
Ich habe Mühe die einzelnen Zutaten beim Kochen herauszusuchen, weil ich immer wieder mit dem Lesen neu ansetzen muss. Auf die Spitze treibt man es hier bei den enorm ausgedehnten Textblöcken, welche die Geschichten und Anekdoten von Süllberg beinhalten. Teilweise gibt es keinen einzigen Absatz pro Seite, so dass ich schon beim Anblick dieser Wortansammlung dermaßen viel Respekt habe, dass mir in diesem Moment schon wieder die Lust vergangen ist, mich da durchzuarbeiten. Das habe ich auch schon bei Christian Baus letztem Buch bestaunen können. Denkt man da auch an den Leser?
Auch frage ich mich, wer auf die Idee gekommen ist, solch ein Rezeptregister zu entwerfen. Mir drängt sich hier der Vergleich zu einer Speisekarte eines beliebigen asiatischen Restaurants auf, was ich aber absolut nicht nachvollziehen kann. Das Auge sucht vergeblich nach einem Anhaltspunkt.
Dass man zudem keine einheitliche Bildsprache gefunden hat, ist natürlich mit den mannigfachsten Fotos aus der Vergangenheit von K. Hauser zu erklären, bei dem Rest im hinteren Teil wiederum nicht. Auch die Fotografie ist ganz klar immer eine rein subjektive Sache, dessen Wahrnehmung und Bewertung stark im Auge des Betrachters liegen. Die Gerichte sind hier immer etwas größer abgebildet, als sie wirklich sind, so habe ich persönlich immer das Bedürfnis, das Buch aus etwas mehr Entfernung betrachten zu wollen. Thomas Ruhl ist aber ein international ausgezeichneter Fotograf, dessen Arbeit ich hier auf keinen Fall in Abrede stellen will. Mir liegt nur dieser Stil eben nicht.
Wer damit aber keine Probleme hat, und ich denke, dass sind die Meisten, wird sich an diesem Buch mit gut gelungen Rezepten von Karlheinz Hauser erfreuen.
Hinweis der Redaktion
Ein Teil der besprochenen Produkte wurden von Unternehmen zu Testzwecken zur Verfügung gestellt.