Mical und Karl-Louis sind treuen Lesern dieses Blogs sicherlich ein Begriff, habe ich doch ihr Pop-Up-Konzept mit Private-Dining-Atmosphäre im letzten Jahr vorgestellt. Sie haben nun ihre Zelte in der Sonnenallee abgebrochen, jedoch nicht, um Loumi Dining aufzugeben. Mit dem brandneuen Restaurant Loumi erfährt das Konzept ein gehöriges Upgrade. Die beiden erheben ihren Supperclub zu einem Fine Dining Konzept, das ihr nun in der Kreuzberger Ritterstraße besuchen könnt. Ich habe es für euch besucht.
Restaurant Loumi – das Restaurant, das in keine Schublade passt
Fine Dining, Casual Fine Dining, Comfort Fine Dining, Casual Dining – ich kann mit all den Zwischenkategorien in der Tat recht wenig anfangen. Vor allem die Bezeichnung ‚Casual Fine Dining‘ löst bei mir Stirnrunzeln aus. Was soll das eigentlich sein? Fine Dining mit etwas weniger Etikette? Für mich gibt es neben den Fast Food Restaurants, Bistros, Steakhouses und Cafés eigentlich nur Casual Dining und Fine Dining Restaurants. Mehr braucht es meiner Meinung nach nicht.
Vor allem dann, wenn ein Begriff wie Casual Fine Dining mir kein genaues Gefühl dafür gibt, worauf ich mich einstellen kann. Gleichwohl ist mir bewusst, dass es eben genau diese Art von Restaurants gibt. Restaurants, die nicht in eine Schublade passen, da sie einfach anders als alles Erlebte sind.
Vom Supperclub zum Restaurant
Solch ein Konzept ist das Restaurant Loumi. Die beiden Gründer namens Mical und Karl-Louis sind wahrlich keine absoluten Beginner. Mit dem Loumi Supperclub veranstalteten sie bereits seit 2017 in einer Hinterhofwohnung in der Berliner Sonnenallee Dinner für bis zu sechs Personen in einem wohnlichen Ambiente. Mehr könnt ihr in meinem Bericht nachlesen.
Bereits im Oktober letzten Jahres haben sie sich ihren Traum eines eigenen Restaurants erfüllt. In der Ritterstraße in Berlin Kreuzberg bieten sie nun Platz für 14 Gäste. Dabei könnt ihr euch aussuchen, ob ihr an einem der Tische oder direkt an der Bar mit Aussicht auf die offene Küche sitzen wollt. Das Restaurant ist dabei sehr minimalistisch und reduziert eingerichtet. Die Farben sind warm. Die Elemente allesamt zurückhaltender Natur. Hier fokussiert ihr entweder auf das Essen oder auf eure Begleitung, während ihr der recht unkonventionellen Musik lauscht. Mical versprüht als sehr lockere und sympathische Gastgeberin schnell eine vertraute Art, die uns sehr gefällt.
Spitzenprodukte, topfrisch und perfekt zubereitet
Wir nehmen an einem der Tische Platz. Während wir auf das erste Amuse Bouche warten, schauen wir aus dem recht großen Fenster und frönen den vorbeiziehenden Anwohnern an diesem recht verregneten Tag. Doch haben wir es glücklicherweise im Restaurant Loumi sehr warm und freuen uns über die erste Aufmerksamkeit in Form einer süß-sauren Auster mit Quittenreduktion.
Die Spitzenqualität und Frische der Auster aus der Bretagne überzeugt uns, genau das haben wir von Karl-Louis erwartet. Weiter geht es mit einem Wagyu Beef Tatar aus dem Auetal, welches mit einem Seeigel von Laurent Daniel aus der Bretagne gekrönt wurde. Mariniert ist es mit einer Kürbis Hot Sauce. Sehr delikat, schnörkellos und einfach auf den Punkt.
Tintenfisch, Key Lime Aguachile & Yuzu
Der in Olivenöl konfierte und abgeflämmte Tintenfisch kommt fein gewürfelt mit einer mexikanischen Cevichesauce von drei unterschiedlichen Limetten, frischem Yuzu, Wasabiöl und Gurke. Das klingt nicht nur besonders erfrischend, sondern ist es auch. Was in der Erklärung sehr kompliziert anmutet, entfaltet sich im Mund einfach nur als kleine Offenbarung. Wer die Küche des Loumis kennt, wird die sehr produktbezogene Art der Speisenbereitung zu schätzen wissen. Bei Karl-Louis kommt nur auf den Teller, was auch einen Mehrwert bietet.
Abalone, Shiro Kombu & Kartoffel
Voller Stolz präsentieren uns Mical und er die in Sake pochierte Abalone, serviert in ihrer Schale. Vervollständigt wird sie mit einem Zwiebelrelish mit Wilder Birne und Quitte. Die Brücke zwischen all den Elementen bildet der geräucherte Kartoffelschaum mit den Tropfen von Chili Vinaigrette. Für den Extra-Crunch sorgen die frittierten Shiro Kombu Algen. Chapeau, vor solchen Kompositionen kann man nur den Hut ziehen!
Kürbis, Taschenkrebs, Blood Lime & Lardo XO
Der in Butter und Honig konfierte Valenciano-Kürbis wird begleitet von einer XO-Sauce aus Jakobsmuschel und Crevette Bouquet, garniert mit einer voluminösen Steinpilz-Hollandaise, die mit Jakobsmuschelrogen bestäubt ist. Auf der Kürbisecke thront ein säuerlich mariniertes Taschenkrebstatar mit zart geschmolzenem Lardo. Bei solchen kleinen Meisterwerken könnten wir eigentlich stets und ständig den Superlativ bemühen. Einzig und allein der Kürbis war uns eine Spur zu fest.
Doch wog die extrem harmonische Balance der restlichen Komponenten alles wieder auf. Im Restaurant Loumi fasziniert der Umstand, dass hier einfach alles auf den Punkt ist und nichts, absolut nichts dem Zufall überlassen wird. Das erkennt man bei der Erklärung der Speisen, bei der schnell klar wird, dass sich die Crew intensiv mit den Produkten und deren Herkunft auseinandersetzt.
St. Pierre, Vin Jaune & Steinpilz Tee
Was hier offenbar niemanden kratzt, sind klassische und konventionelle Menüregeln, die vorgeben, dass Produktwiederholungen zu vermeiden sind. Hier ist erlaubt, was schmeckt, auch wenn man dasselbe Produkt in mehreren Facetten serviert bekommt. Da bin ich eindeutig dafür.
Dieses Mal stellt uns Mical den glasig gegarten St. Pierre vor. Ein cremiges Topinambur-Püree mit einem kräftigen Steinpilztee mit Spinat, Haselnuss und Sudachi liegt unter einer Haube von aufgeschäumter Vin Jaune Sauce, die nur noch von einer großzügigen Nocke von Kaluga N25 Kaviar verdrängt wird. Einfach jeder Bissen ist eine perfekte Kombination von jodigen Meeresnoten, einem satten Umamigrundton und einer ausgeglichenen Säure, bei der man keine einzige Perle des Kaviars oder Tropfen des Steinpilztees übriglassen möchte.
Nebenbei muss ich eine große Lanze für Mical brechen. Ihre Weinbegleitung bzw. Weinempfehlung hat jedes Mal perfekt zum jeweiligen Gericht gepasst. Wer sich nicht sicher ist, welcher Tropfen zu welchem Gang passt, kann sich getrost auf Micals Expertise verlassen.
Milchkuh Ribeye, Monk Kohl & japanische Quitte
Die als Hauptgang servierte alte Kuh aus Österreich wurde ganze 13 Jahre alt. Das Ribeye wird begleitet von einem mit Sanyo-Pfeffer abgeschmeckten Köfte aus demselben Fleisch, Roscoff-Zwiebelpüree, einer Sauce mit spanischem Trüffel, wildem Kohl und einer Mole mit japanischer Zierquitte. Ergänzend lacht uns auf einem zusätzlichen Teller eine luftig, frisch duftende Brioche an.
Wir sind auch hier entzückt und erstaunt, mit welcher Selbstverständlichkeit all das hier vonstattengeht. Einzig und allein das Fleisch wirkte ein wenig zäh, doch wir jammern hier auf ganz hohem Niveau.
Molke Sorbet & Lakritz
Bevor wir das finale Dessert bekommen, dürfen wir ein wenig Luft holen. Das geschieht mit einem Molkesorbet mit einem Sud aus Süßholz und Tropfen von Katsuobushi Öl. Wer nichts mit diesem Begriff anfangen kann, dem sei gesagt, dass es sich hier um Bonitoflocken, also getrocknete und geräucherte Makrelenart, handelt.
Eine erste Desserterfahrung durfte ich mit einem grandiosen Bonitoflockeneis im ehemaligen 2-Sterne-Restaurant „reinstoff“ machen. Es war grandios. Auch hier wurden wir nicht enttäuscht. Alles in allem ein gelungener Sorbetgang.
Schokolade 70%, Pflaume & Holunderbeere
Der abschließende Schokoladengang mit zartbitter Schokolade erinnerte mich direkt an den berühmten Schokoladengang von Peter Gilmore aus dem Quay Restaurant, der Schokolade in fünf Texturen auf den Teller brachte.
Natürlich sitzen wir hier vor einem gänzlich anderen Schokoladengericht, welches in der Basis eine Crème Brûlée ist. Darauf gibt die Pâtisserie ein gesalzenes Karamell. Im Kern befindet sich eine Marmelade aus Holunderbeere und Dörrpflaumenmarmelade. Begleitet wird das Ganze durch einen Kakaodrink mit Raps und Salz abgeschmeckt.
Petit fours & das Fazit
Mit dem Reichen der Petit fours in Form eines weißen Schokoladenfudge mit Kardamom und Lavendel, einer mit Piment d’Espelette bestäubten Tangelo lo (Pomelo-Art) und einem Kaktusfeigen Paté de Fruit mit Timut Pfeffer und eingelegter Meyer Zitrone, sinnieren wir bereits über unser Fazit, welches bei der nun viel lauteren und noch lockereren Atmosphäre denkbar positiv ausfällt.
Während uns die enorm saure Kaktusfeige ein letztes Staunen entlockt, schauen wir uns noch einmal im Restaurant um, bevor wir nach der herzlichen Verabschiedung durch Mical und Karl-Louis uns wieder in das verregnete und kalte Berliner Nachtleben wagen. Die Menüauswahl kostet aktuell 111 € und kann mit zusätzlichen Extras wie dem N25 Kaviar oder derzeit verfügbaren Perigord Trüffel aufgewertet werden. Die Karte wechselt dabei regelmäßig. Wir haben den Abend sichtlich genossen und der Preis ist gemessen am Erlebten wahrlich sehr günstig, wie ich finde. Für euch spreche ich also gerne eine starke Empfehlung aus!