In meinem letzten Beitrag behandelte ich die sogenannte Gedeckgebühr, die im 100/200 Kitchen in Hamburg erhoben wurde. Diese Diskussion löste auf Social-Media-Kanälen und Bewertungsplattformen wie Google Maps und TripAdvisor zahlreiche Reaktionen aus. Eine reißerisch formulierte Schlagzeile einer Hamburger Zeitung heizte die Debatte weiter an und ließ sie außer Kontrolle geraten. Doch eines steht fest – Restaurants sehen sich heute anderen Kosten gegenüber als vor Corona und der Inflationszeit. Gebühren bei No-Shows sind eine Möglichkeit, gegen die steigenden Kosten anzukommen.
Des Weiteren werden nun Kosten für den Service erhoben, die bisher für Gäste selbstverständlich waren. Das stößt verständlicherweise nicht bei allen auf Zustimmung.
Mangelnde Einsicht aufgrund fehlenden Hintergrundwissens bei No-Shows
Ein Kommentar zu meinem letzten Beitrag kritisierte die Gedeckpauschale und ging noch weiter: „Eine Gebühr für das Nichterscheinen bei einer Reservierung halte ich für einen falschen Weg. Man kann bei der Reservierung ein 15-minütiges Zeitfenster vorgeben, ansonsten ist die Reservierung als Stornierung anzusehen.“ Dieser Kommentar verdeutlicht, dass vielen offensichtlich nicht klar ist, mit welchen Kosten normale Gastronomien heute konfrontiert sind, besonders wenn Gäste nach einer Reservierung nicht erscheinen. Ich versprach dem Leser eine baldige Antwort in Form eines separaten Blogposts, dem ich heute nachkomme.
Lieber eine Gebühr bei No-Shows als Ticketverkauf
Persönlich bin ich kein großer Fan von Ticketverkäufen für Restaurantbesuche, insbesondere wenn man im Voraus bezahlen muss, ohne zu wissen, wie der Abend verläuft. Hingegen habe ich volles Verständnis für No-Show-Gebühren.
Während meiner Zeit als Küchenchef erlebte ich oft, dass Gruppen mit etwa 6 oder mehr Personen reservierten, aber dann nicht erschienen. Der reservierte Tisch konnte nicht anderweitig vergeben werden. Gerade an Wochenenden erlebten wir solche Buchungen, bei denen es sich später herausstellte, dass wir nicht das einzige Restaurant waren.
Die genauen Kosten bei unangekündigten No-Shows des Gastes
Doch was kostet es eigentlich, wenn beispielsweise ein Tisch für acht Personen ohne rechtzeitige Stornierung nicht erscheint? Viele Profis finden es schwer, dies abzuschätzen. Für euch habe ich das anhand von zwei unterschiedlichen Szenarien berechnet: Einmal in einem gehobenen Restaurant mit einem Menü für 95 € und einem Getränkeumsatz von 45 €, brutto.
Zwei Gastronomiekonzepte, die die Kosten von No-Shows veranschaulichen
In einem weiteren Beispiel handelt es sich um ein Sterne-Restaurant, also Spitzengastronomie, mit einem Menüpreis von 230 € und einer Getränkebegleitung im Wert von 195 €, ebenfalls brutto.
Die Foodcost liegt bei beiden Konzepten bei 34 %, was in der Spitzengastronomie schwer zu erreichen ist. Dennoch habe ich mich daran gehalten. Die Kosten für die Getränke wurden auf 19 % geschätzt. Hinzu kommen Betriebskosten, die je nach Konzept stark variieren können, etwa 19 %.
Foodcost, Getränkekosten, Personalkosten…
Die Personalkosten in gehobenen Restaurants liegen bei 31,9 %, während ich in der Spitzengastronomie aufgrund des deutlich höheren Aufwands 40 % angesetzt habe. Die Differenz reduziert den Gewinn.
Um auch zu verdeutlichen, was es für das Personal bedeutet, wenn Gäste nicht erscheinen und kein Trinkgeld geben, habe ich dies ebenfalls in die Kalkulation einbezogen und einen durchschnittlichen Trinkgeldsatz von 7,5 % berücksichtigt.
Stromkosten, Miete, Gebühren…
Basierend auf diesen Werten kann ich eine stark vereinfachte Tabelle erstellen, die zeigt, mit welchen Mindereinnahmen Gastronomen bei No-Shows rechnen müssen.
In der gehobenen Gastronomie zeigt sich, kann man also anhand dieser Zahlen erkennen, wie hoch ungefähr der Gewinn gelegen hätte.*
Bei No-Shows geht nicht nur um entgangenen Umsatz
Der Gastgeber muss nicht nur den entgangenen Gewinn, sondern auch die tatsächlich entstandenen Kosten berücksichtigen. Diese sind deutlich höher.
Wenn 8 Personen mit einem Menüwunsch erscheinen, wird das Essen nicht erst bei ihrer Ankunft zubereitet. Es ist bereits vorbereitet. Jedoch kann nicht das gesamte vorbereitete Essen für andere Gäste genutzt werden.
Es ist anzunehmen, dass bis zu 30 % der Kosten verloren gehen. Das bedeutet bei einem Wareneinsatz von 241.52 € für 8 Personen eine Lebensmittelverschwendung von etwa 72,45 €.
Wenn das Personal nicht effizient arbeitet
Außerdem wurde Personal eingesetzt, um die Gäste zu betreuen. Für einen Tisch, der nicht erscheint, hätte vielleicht ein Mitarbeiter frei bekommen können. Das hätte dem Gastgeber bei einem durchschnittlichen Verdienst von 2000 €/Monat etwa 100 € gespart.
Zusätzlich zu dem nicht eingenommenen Umsatz entsteht ein realisierter Verlust von 275,39 € allein durch dieses No-Show-Szenario.
Für den Service bedeuten ausgebliebene Gäste ein Trinkgeldverlust von 84 €.
Detailierte Auflistung für die gehobene Gastronomie
- Ausgebliebener Gewinn: 106,56 €
- Entstandene Kosten: 172,46 €
- Entgangene Trinkgelder: 84 €
Kostenart | Prozentsatz | Nettobetrag in Euro pro Gast | Gesamtbetrag in Euro für 8 Gäste |
Menüpreis | 95.00 | 760.00 | |
Mehrwertsteuer | 7% | 6.21 | 49.68 |
Menüpreis | 88.79 | 710.32 | |
Foodcost | 34% | 30.19 | 241.52 |
Getränkepreis | – | 45.00 | 360.00 |
Mehrwertsteuer auf Getränke | 19% | 7.98 | 63.84 |
Getränkepreis | – | 37.02 | 296.16 |
Wareneinsatz für Getränke | – | 7.03 | 56.24 |
Personalkosten | 31.9% | 28.32 | 226.56 |
Weitere Betriebskosten (Strom, Miete, etc.) | 19.5% | 17.31 | 138.48 |
Gewinnmarge | 15% | 13.32 | 106.56 |
Deutlich höhere Kosten in der Spitzengastronomie
Die Kosten in der Spitzengastronomie sind höher. Die eingesetzten Produkte sind teurer, der Personalaufwand ist enorm. Doch ich belasse den Wareneinsatz unverändert und nehme für den Mitarbeiter ein höheres Monatsgehalt von etwa 2400 € an.
Ein Ausbleiben von 8 Personen in einem Spitzengastronomie-Restaurant mit einem Menüpreis von 230 € und einer Weinbegleitung im Wert von 195 € führt zu einem Gewinnausfall von 257,92 €.
Für den nicht eingesetzten Mitarbeiter, der hätte frei haben können, muss der Gastgeber nun 120 € zahlen, die er auch hätte einsparen können, wenn die Plätze nicht leer geblieben wären.
In der Spitzengastronomie wird konsequenter mit Lebensmitteln umgegangen. Sind sie nicht einwandfrei, können sie nicht für den vollen Preis angeboten werden. Somit wäre bei einem No-Show mit über 30 % Foodwaste zu rechnen.
Hier ergeben sich für 8 Personen Kosten in Höhe von 417,32 € bei einem No-Show, wenn man die Personalkosten mit einberechnet.
Dem Service entgehen dabei Trinkgelder in Höhe von 255 €.
Detailierte Auflistung für die Spitzengastronomie
- Ausgebliebener Gewinn: 257,92 €
- Entstandene Kosten: 417,32 €
- Entgangene Trinkgelder: 255 €
Kostenart | Prozentsatz | Nettobetrag in Euro pro Gast | Gesamtbetrag in Euro für 8 Gäste |
Menüpreis (brutto) | 100% | 230.00 | 1840.00 |
Mehrwertsteuer | 7% | 15.05 | 120.40 |
Menüpreis | 93% | 214.95 | 1719.60 |
Foodcost | 34% | 73.08 | 584.64 |
Getränkepreis | – | 195.00 | 1560.00 |
Mehrwertsteuer auf Getränke | 19 % | 31.13 | 249.04 |
Getränkepreis | – | 163.87 | 1310.96 |
Wareneinsatz für Getränke | 19 % | 31.14 | 249.12 |
Personalkosten | 40% | 89.58 | 716.64 |
Weitere Betriebskosten (Strom, Miete, etc.) | 19.5% | 41.91 | 335.28 |
Gewinnmarge (Reduziert auf etwa 6.5%) | 6.5% | 13.82 | 110.56 |
Dies ist eine konventionelle Berechnung. Hier sind noch nicht die Personalkosten für die Zubereitung der Speisen berücksichtigt, da diese aufgrund ihrer Komplexität ausgelassen wurden. Anhand der Gewinnmarge könnt ihr jedoch gut erkennen, wie lange es dauert, bis ein Gastronom mit einer Marge von 6,5% bis 15% die entstandenen No-Show-Kosten wieder hereinspielen kann.
Zusammenfassung über die Auswirkungen von No-Shows
Foodcost und Foodwaste
Wenn Gäste nicht erscheinen, werden die für sie gekauften und vorbereiteten Zutaten möglicherweise nicht verwendet und müssen weggeworfen werden.
Personalkosten
Das Restaurant stellt Personal ein, um einen hervorragenden Service zu gewährleisten. Wenn Gäste nicht erscheinen, wird dieses Personal unter Umständen nicht effizient genutzt.
Wirtschaftlichkeit
Jeder verlorene Verkauf hat einen direkten Einfluss auf die Rentabilität des Restaurants.
Atmosphäre
Ein leerer Tisch, insbesondere ein großer, kann die Atmosphäre in einem Restaurant beeinträchtigen und das Erlebnis für andere Gäste mindern.
Service und Trinkgeld
Trinkgelder machen oft einen erheblichen Teil des Einkommens des Servicepersonals aus. Wenn Gäste nicht erscheinen, entgehen dem Servicepersonal diese Trinkgelder.
Je hochwertiger das Restaurant, desto seltener kann der Tisch anderweitig verkauft werden, in der Regel maximal zweimal. Stellt euch vor, ein Tisch um 19:30 Uhr ist gebucht, aber bleibt in einer Öffnungszeit von 18-22 Uhr 90 Minuten ohne Umsatz. In diesen Krisenzeiten ist es schwierig, einen solchen Tisch direkt wieder zu füllen, wenn sich herausstellt, dass er umsonst geblockt wurde.
Es sollte daher selbstverständlich sein, bei Nichterscheinen rechtzeitig den Tisch abzusagen.
*Dies sind keine belastbaren Zahlen. Die Aufschlüsselung dient lediglich dazu, dem potentiellen Gästen zu verdeutlichen, wie hoch die realen Verluste sind, die jeder Gastronom bei No-Shows zu tragen hat. Wenn gleich hier von Gewinnen die Rede ist, muss klar sein, dass diese erst am Ende des Jahres mit der Bilanz gezogen werden können. Ich bitte das zu berücksichtigen.
Lieber Steffen Sinzinger, vielen Dank für diese dezidierte Aufstellung! Solch eine Transparenz gegenüber den Verbrauchern / Gästen ist schon lange überfällig, zumal der Großteil der Kundschaft immer noch der Meinung ist, mit Gastronomie wird man super schnell, schwer reich. In allen Wirtschaftsbereichen unserer Gesellschaft gibt es klare Regelungen, wie mit Stornierungen und nicht-abgerufenen Leistungen umgegangen wird. Die Akzeptanz, dass auch die Gastronomie Herstellungskosten vor dem Eintreffen der Gäste hat, wird jedoch sehr vermisst. Besonders hart trifft es die Gastronomen in den ländlichen Regionen, die ihre Tische am Abend eben nicht 3x besetzen können. Danke, dass Sie mit Ihrem Blog dazu beitragen die Gäste zu mehr Verständnis und Einsicht zu bewegen.
Lieber Steffen Sinzinger, Sie haben sehr klar dargestellt, welche wirtschaftlichen Schäden No Shows tatsächlich in der Gastronomie verursachen. Ich möchte den Kern des Problems noch etwas verständlicher herausstellen: „In allen Wirtschaftsbereichen gibt es klare Regelungen, wie mit nicht abgerufenen Leistungen umgegangen wird“, so schreibt eine Vorgängerin ganz richtig. Das bedeutet: In allen Wirtschaftsbereichen ist Vertragserfüllung selbstverständlich und Schadenverursacher haben für Schäden aufzukommen. Nur nicht in der Gastronomie, denn hier befürworten Gäste und viele Gastronomen, das „Grundrecht“ der Kulanz solle Vorrang haben. Erst wenn das Fatale an der Kulanz verstanden und die Idealisierung aufgelöst wird, erst wenn das allgemeine wirtschaftliche Grundverständnis in der Gastronomie ankommt, erst dann kann Gastronomie an Wertschätzung und Rentabilität gewinnen. Dann wird Kulanz wieder zu dem, was sie ist: ein Entgegenkommen des einzelnen Gastronomie-Unternehmers in einzelnen Fällen.
P.S. Meine Website wird derzeit aktualisiert