In einer Ära, in der Online-Bewertungen und soziale Medien den Ton angeben, werden Unternehmen und Gastronomen zunehmend mit den Folgen von „Couchprotesten“ konfrontiert, bei denen negative Bewertungen und Proteste aus der Ferne die Existenz bedrohen. Aktuell ist das wegen einer Gedeckgebühr beim Restaurant 100/200 in Hamburg der Fall. In diesem Blogbeitrag erkunde ich die wachsende Problematik von Online-Bewertungen und wie sie das Geschäft beeinflussen. Ich beleuchte kontroverse Fälle und analysieren die Auswirkungen auf Unternehmen, die oft weitreichender sind, als man zunächst annimmt. Schließlich werfen wir einen Blick auf Maßnahmen, die Unternehmen ergreifen können, um sich vor ungerechtfertigten Online-Bewertungen zu schützen und erfolgreich in der digitalen Ära zu bestehen.
Wenn Gastronomen/-innen nicht mehr frei entscheiden können
Es wird mal wieder Zeit für meine Kolumne Life as a Chef und das aus gutem Grunde.
Stell dir vor, ein Unternehmen in Deutschland möchte dem erhöhten Kostendruck mit Extragebühren beim Kunden begegnen. Wenn der Strompreis steigt, hat aufgrund der anhaltenden Krise vermutlich jeder Verständnis dafür und zuckt vermutlich noch nicht einmal mit den Schultern. Wenn Preiserhöhungen im Supermarkt durch versteckte Mogelpackungen durch gleichbleibende Preise, aber dafür deutlich kleinere Packungsinhalte, auch noch verschleiert durchgesetzt werden, regt sich vielerorts auch noch nicht viel.
Aber wehe dem, ein Restaurant wagt es, neue Preiskonzepte, wie diese Gedeckgebühr zu entwickeln, um die eigene Existenz zu sichern.
Die Gedeckgebühr von 35 €
Die Rede ist vom Fall des Restaurants 100/200 in Hamburg. Seit kurzem berechnet die Inhaberin Sophie Lehmann eine sogenannte Gedeckpauschale in Höhe von 35 €. Sie begründet dies wie folgt: „Die 35 Euro dienen dazu, einen Platz im positivsten Sinne zu belegen, umsorgt und unterhalten zu werden.“
In der Gastronomie darf wohl jeder mitreden
In anderen Branchen würde das vermutlich zu keinem Aufschrei oder gar Konsequenzen führen. Nur in der Gastronomie läuft es anders. Um einen Eindruck von der Reaktion zu bekommen, braucht man nur auf den Instagram-Kanal des Restaurants zu gehen. Dort ist bereits ein Statement zum bisherigen Verlauf zu sehen. Es liest sich schon recht befremdlich, da es sich hier doch um ein privates Unternehmen handelt und nicht um eine Charity-Veranstaltung.
Besonders aufgebrachte Menschen beginnen dann oft den Protest von der Couch aus und hinterlassen 1-Sterne-Bewertungen auf Google und anderen Plattformen, ohne überhaupt vor Ort gewesen zu sein. Das geschah hier aufgrund der Wut gegenüber dieser eigentlich total harmlosen Gedeckgebühr, und das nicht zu knapp. Der Auslöser war laut der Gastgeberin eine reißerisch formulierte Schlagzeile in der Hamburger Morgenpost. Die Reaktion war enorm. Es hagelte viele schlechte Bewertungen von Gästen, die offensichtlich nie dort waren. Es gab zahlreiche Anrufe mit Beschwerden oder Unmutsäußerungen, die beantwortet werden mussten. Dem getroffenen Wutbürger scheint jedes Mittel recht zu sein, um sich wichtig zu machen, selbst wenn er vielleicht nie Gast in diesem Restaurant gewesen ist oder geworden wäre.
Wenn der gemeine Wutbürger zum Handy greift
Hier handelt es sich schlichtweg um ein 2-Sterne-Restaurant. Daher sind die Aufwendungen pro Gast anders als in einem Gasthof im Vorort, ohne dies bewertend zu meinen. Es obliegt einzig und allein den mündigen Geschäftsbetreibern, darüber zu entscheiden, zu welchem Preis sie ihre Produkte oder Dienstleistungen anbieten möchten.
Es sind aber auch professionelle Influencer, die ihren Einfluss missbrauchen
Ich habe persönlich einen besonderen Fall erlebt. Eine Influencerin aus München hatte in einem Restaurant einen Tisch für acht Personen reserviert und wurde bereits bei der Buchung nach der Kreditkarte gefragt, um im Falle einer Nicht-Erscheinung ohne Absage eine Gebühr zahlen zu müssen. Das ist in Zeiten von begrenztem Personal und hohen Betriebskosten nichts Ungewöhnliches mehr. Abgesehen davon hatte sie dieser Regelung zugestimmt, sonst hätte die Reservierung nicht vorgenommen werden können.
Als die Dame nach dem Nichterscheinen ohne vorherige Absage die Rechnung präsentiert bekam, nutzte sie ihre Popularität (mehr als 70.000 Follower), um ihren Unmut über diese No-Show-Gebühr zu äußern. Sie rief sogar zum Boykott des Restaurants auf. Die Konsequenz waren massenhaft 1-Sterne-Bewertungen auf verschiedenen Plattformen und zusätzlich negative Kommentare in den Social Media-Kanälen des Betreibers. Es wurde regelrecht Geld verbrannt, obwohl der Gastronom hier im Recht war. Das ist reine Willkür und vor allem unfair!
Vor allem hat dies Konsequenzen für die Gastronomen. Man sollte sich einige Punkte vor Augen führen:
Rufschädigung
Ungerechtfertigte negative Bewertungen können den Ruf eines Restaurants schädigen und potenzielle Kunden abschrecken, insbesondere wenn die Bewertungen von Influencern mit großer Anhängerschaft stammen.
Umsatzverlust
Negative Bewertungen können dazu führen, dass weniger Menschen das Restaurant besuchen, was zu einem Umsatzrückgang führen kann. Das kann zu Mitarbeiterentlassungen und im schlimmsten Fall zur Schließung führen. Derzeit sind viele Restaurants von der Schließung bedroht. Ein solcher Aufruf oder zu viele ungerechtfertigte Bewertungen könnten der letzte Tropfen sein.
Vertrauensverlust
Wenn Kunden sehen, dass ein Restaurant viele negative Bewertungen hat, könnten sie das Vertrauen in die Qualität des Restaurants verlieren, auch wenn die Bewertungen unberechtigt sind. Wie würden Sie sich fühlen, wenn Ihnen das passieren würde?
SEO-Ranking
Viele negative Bewertungen können sich negativ auf das SEO-Ranking eines Restaurants auswirken. Dies kann dazu führen, dass das Restaurant in den Suchergebnissen weiter unten erscheint und somit weniger sichtbar ist. Außerdem verfügen die meisten Eigentümer gastronomischer Einrichtungen nicht über ein großes Marketingteam, das die Kapazität und das Wissen hat, um mit solchen ungerechtfertigten Bewertungen umzugehen.
Mitarbeitermoral
Negative Bewertungen können sich auch auf die Moral der Mitarbeiter auswirken. Sie könnten sich entmutigt oder ungeschätzt fühlen, was sich auf ihre Arbeitsleistung auswirken kann.
Das Internet ist kein rechtsfreier Ponyhof
Zu guter Letzt ist das Internet, insbesondere Google und alle anderen Bewertungsplattformen, kein rechtsfreier Raum:
Verleumdung
Wenn jemand absichtlich falsche Informationen veröffentlicht, die den Ruf eines Unternehmens schädigen könnten, kann dies als Verleumdung betrachtet werden. In vielen Ländern, einschließlich Deutschland, ist Verleumdung illegal und kann zu Geldstrafen oder sogar Gefängnisstrafen führen.
Irreführung und unlauterer Wettbewerb
Falsche negative Bewertungen können als irreführend angesehen werden, da sie ein ungenaues Bild des Unternehmens vermitteln. Dies könnte als unlauterer Wettbewerb angesehen werden, insbesondere wenn die Bewertungen von einem Konkurrenten stammen.
Verstoß gegen die Nutzungsbedingungen
Die meisten Bewertungsplattformen haben Nutzungsbedingungen, die das Veröffentlichen von falschen oder irreführenden Bewertungen verbieten. Ein Verstoß gegen diese Bedingungen kann dazu führen, dass die Bewertung entfernt wird und der Nutzer von der Plattform ausgeschlossen wird.
Wenn solche „Couchprotestler“ an den falschen Betreiber geraten, kann dies schnell sehr teuer werden. Die Influencerin hat jedenfalls Post vom Anwalt des Restaurants in München erhalten und daraufhin den Protest direkt wieder aus dem Netz genommen. Die Kosten für das nachträgliche Entfernen auf allen Plattformen kamen noch hinzu. Es ist also nicht zu empfehlen, einen solchen unbegründeten Couchprotest zu führen. Die meisten Betreiber wehren sich immer mehr gegen ungerechtfertigte Bewertungen. Daher sollte jeder, der so etwas im Sinn hatte, einfach dort nicht essen gehen.
Meine Meinung zur Gedeckgebühr
PS: Ich halte eine solche Pauschale für ein absolut legitimes Mittel, das klar im Voraus kommuniziert wird. Nachdem, was ich gehört habe, entfällt die Gedeckgebühr, wenn man sich für das Menü entschieden hat. So relativiert sich das mit steigendem Umsatz wieder.
Sicher steht es jedem Unternehmer frei seine finanzielle Planung selbst zu gestalten, ob diese dann jedoch in realität angenommen wird steht auf einem anderen Blatt. Zu einer Gedeckgebühr von 35 Euro kann ich meiner Meinung nur sagen, für eine 4 köpfige Familie wären das 140.- Euro für eine Leistung die der normale Gast eigentlich voraussetzt und für das Geld noch nichts gegessen oder getrunken hat. Bisher wurden solche Kosten über Preise der Karte kalkuliert. Sollte sich dieses durchsetzen wird demnächst vorab eine Abwaschgebühr für das Geschirr berechnet. Können die Gäste in diesem Restaurant eigenes Besteck mitbringen um die Gebühren zu umgehen sicherlich nicht. Eine Gebühr für das Nichterscheinen bei einer Reservierung halte ich für einen falschen Weg man kann bei Reservierung ein 15 Minütiges Zeitfenster vorgeben, ansonsten ist die Reservierung als Stornierung anzusehen. Meiner Meinung nach schadet sich der Gastronom nur selbst mit solchen Aktionen, was sich dann ja auch in den Bewertungen zeigt.
Glückwunsch an den Vorkommentierenden, Sie haben es echt nicht verstanden.
Liebe Mel,
ich glaube, nicht jeder versteht, was es genau an Aufwand bedeutet, wenn ein Gast das Restaurant betritt. Daher möchte ich das in einem extra Beitrag beleuchten. Dennoch sollte jeder hier seine Meinung sagen dürfen, ohne dass man gleich zynisch angegangen wird. Ich bin mir sicher, wir haben alle das gleiche Ziel – nämlich verstanden zu werden. 🙂 bis bald
Lieber Herr Müller,
vielen Dank für Ihren Beitrag. Ich möchte sagen, dass ich auf diesen Beitrag gerne antworte. Da die Antwort aber ausführlicher sein wird, werde ich dazu einen eigenen Beitrag veröffentlichen. Dort werde ich auf ihre Punkte eingehen. Ich kann aber erkennen, dass es wirklich noch mehr Aufklärungsarbeit braucht, um verständlich zu machen, was genau eigentlich die die Gedeckgebühr abdeckt und warum vor allen Dingen No Shows nicht eben mal so ok sind. Bis dahin wünsche ich einen angenehmen Tag.