Das Restaurant Macionga in Berlin Wilmersdorf ist wohl eine der spannendsten Neueröffnungen dieses Jahres. Mit André Macionga als Sommelier und Sebastian Leyer als Küchenchef haben sich zwei Größen der Berliner Gastronomie gefunden, um ein kaum einzuordnendes Gastro-Konzept auf dem hart umkämpften Berliner Markt zu etablieren.
Das Restaurant Macionga von André Macionga und Sebastian Leyer
Eröffnet in Berlin ein neues Restaurant, war ich noch nie der größte Fan davon, Gast der ersten Stunde zu sein. Bei frischen Konzepten ist es oft der Fall, dass es zu Beginn viele Ecken und Kanten gibt. Die Abläufe sind zumeist noch nicht zu 100 % eingespielt. Das Erlebnis ist nicht dasselbe, als würde ich erst ein wenig später zu meinem Besuch antreten. So tat ich es auch beim Restaurant Macionga, das bereits im Januar seine Pforten öffnete. Gastgeber dessen, sind für Berliner Szenekenner wahrlich keine Unbekannten.
Im Macionga wagen André Macionga und Sebastian Leyer einen Neustart
Den für den Gast sichtbaren Part übernimmt kein Geringerer als André Macionga. Einer der besten Gastgeber Berlins ist das, was nicht Wenige ein Urgestein nennen würden. Seinen Werdegang schmücken eine Menge Ehrungen, wurde er doch zuletzt Sommelier und Gastgeber des Jahres der Berliner Meisterköche. Zusammen mit Spitzenwinzern kreiert er eigene Champagner und Weine. Im Norden von La Palma hat er vor kurzem ein Weingut, das Bodega Macionga, erworben.
Du siehst, er ist äußerst umtriebig. Und nun kommt noch das eigene Restaurant hinzu, welches er zusammen mit Sebastian Leyer im Westen der Spreemetropole eröffnete.
Sebastian selbst gibt sich fast schon wortkarg, wenn es darum geht, seinen eigenen Stil zu umschreiben. Denn der will so gar nicht in eine der bekannten Schubladen passen. Und vielleicht ist es genau das, was diese Art zu kochen so charmant macht. Wer ihn kennt, der weiß, dass er für eine nachhaltige Regionalität steht, die er mit einem Wort umschreibt – „naturverbunden“.
Viel schnörkelloser geht es eigentlich nicht.
From the roots back to the roots
Sebastian hat es inmitten der Krise aufs Land gezogen, um nach der Station als Küchenchef im Le Faubourg oder dem Pauly Saal sich seiner eigenen Gemüsezucht zu widmen. Dort betrieb er eine nachhaltige Permakultur, die er für namhafte Kunden wie dem Restaurant Bonvivant oder dem Nobelhardt & Schmutzig aufgebaut hat.
Nach dieser „Auszeit“ auf dem Land kehrt er zu seinen Wurzeln an den Herd zurück und entwickelt nun wieder spannende Menüs im Berliner Gastrodschungel. Die Speisenfolge heißt im Restaurant Macionga „URKRAFT“ und kann vermutlich unter dem Pseudonym „Reduced to the max“ gewertet werden. Denn hier gibt es in der Tat fein herausextrahierte Aromen, die du nicht an jeder Ecke Berlins finden wirst.
NOT JUST ANOTHER FINE DINING CONCEPT
Der Tisch wird zu Beginn direkt mit „Brot & so“, welches bei uns mit einem Milchbrot und Ricotta auf einem Holzbrett angerichtet wurde, eingedeckt. Als kleiner einleitender Snack gab es eine Tartelette Disk mit geriebenem Rettich in Molke und einem Wildkräutersalat und eine krosse Tartelette mit kräftiger Käsesabayon, Apfel, Grünkohl und gebeiztem Ei.
Weide – Zunge | Miroboshi | Kohl
Zu der intensiv geschmorten Zunge wird getrocknete Mirabelle, eine sogenannte Miroboshi, mit einer Vinaigrette aus Mirabelle, Wildkräuter, Laktosefond und Kirschholz gereicht. Sebastian zeigt also direkt, worauf es ihm ankommt. Es ist eine produktbezogene Küche, welche auf unterschiedlichste, eher traditionelle Techniken setzt.
Acker – Kohlrabi | Ei | Tomate
Dabei entspringen mitunter Aromen, die du vielleicht nicht direkt miteinander verorten würdest. Wie zum Beispiel ein Mini-Kohlrabi mit Lauchöl, wildem Kohl, einer Vinaigrette aus Kohlfond, Chilisauce und Honig sowie einem gebeizten Eigelb, welches nach dem Wasserentzug so fest ist, dass du es wie Parmesan reiben kannst. So ist dieser Start unerwartet frisch und komplex zugleich.
Feld – Kartoffel | Zwiebel | Radieschen
Ein Gegenkonstrukt dazu war die passend zum Namen sehr erdig gehaltene Kartoffel, in Form einer geschichteten Schnitte, die ziemlich kross gebacken wurde. Dazu richtete er mit dem Team im Hintergrund eine Zwiebelcreme an und garnierte dies mit Pilzpulver & Shoyu Trester. Angegossen wurde es mit einem Sud aus gerösteten Kartoffelschalen.
Bei jedem Gang offerierte André eine perfekte Symbiose als Weinbegleitung, die kurz und knapp am Tisch zu präsentieren vermochte. Uns haben die sehr kurzweiligen Einleitungen über den Abend hinweg sehr gefallen.
Wasser – Saibling | Schmand | Kräuter
Mir gefällt ebenfalls die schlichte und zurückhaltende Art und Weise, wie im Restaurant Macionga die Gerichte präsentiert werden. Das Produkt ist der Star. Das verhält sich analog zu den offerierten Weinen, die André einfach zu erklären weiß. Seine hingebungsvolle Art lässt schnell die Leidenschaft erkennen, die ihn mit den Weinen verbindet.
Auf dem Teller gibt es nun einen pochierten Saibling mit eingelegtem Garum und einem kräftigen Sud, der im Geschmack fast schon einer Bouillabaisse gleicht. Dazu gesellte sich in einem zweiten Teller ein asiatischer, gebratener Salat mit einer Vinaigrette aus Schmand und Wunderlauch und einer superkrossen Störhaut – die Dopaminausschüttung war also garantiert.
Wiese – Schwein | Ferment | Rettich
Auch der Hauptgang war eine Mischung aus Geschmackskonzentration und sanft gegarten Elementen. Die extrem zart geschmorten Schweinebäckchen wurden mit einer gerösteten lacto-fermentierten Gemüsecreme angerichtet. Dazu schenkte der Service am Tisch eine Demiglace und eine Sauerkraut Beurre blanc ein. Die Gemüsecreme bedeckten hauchdünne Scheiben von Rettich. Ein sehr spannendes Element war ein auf Holzscheitel gebetteter Weizenchip mit süßer Senfsaat und Lagerapfel, der mit gehobelten Scheiben vom Conshino Stück bedeckt wurden. Mein heimlicher Star des Abends.
Vordessert : Zitronenverbene + Verbene Puder
Das Vordessert, ein Grantité von Zitronenverbene (geschabtes Wassereis) und Verbene Puder, brachte eine kleine Erfrischung mit gleichzeitigem Kalibrieren der Zunge herbei.
Süßes mal drei
Selbst beim Dessert geht es sehr naturverbunden zu. Sebastian serviert einen dreiteiligen Abschluss. Es gibt ein mit Heu geräuchertes Joghurtgmousse, eine Anis-Fenchel-Meringue, Pappel Öl und Honigkuchen. Alles in allem fehlte mir bei diesem abschließenden Gang bei all der Süße ein Hauch von Säure – das ist aber Jammern auf sehr hohem Niveau.
Ich freue mich sehr, dass André und Sebastian im Macionga einen Ort gefunden haben, an dem sie beiden mit vollem Tatendrang ihrer Leidenschaft nachgehen können. Jeder für sich weiß auf seine Art zu Brillieren und das in absolut unverkrampfter Weise. Ich bin gespannt, wie die beiden das Macionga weiter entwickeln werden. Denn ich bin mir sicher, dass sie erst am Anfang einer sehr spannenden Reise sind.
Das Restaurant Macionga ist ein Muss für alle Weinfans und alle, die denken, kulinarisch in Berlin schon alles gesehen zu haben.
Restaurant Macionga
Xantener Strasse 9
10707 Berlin
Öffnungszeiten:
Donnerstag bis Samstag ab 18:00 Uhr Sonntag und Feiertags von 12:00-16:00 Uhr