Berlin ist immer für eine kulinarische Überraschung gut. Glaubt man, dass die Szene bereits umfassend erkundet ist, poppt direkt in der unmittelbaren Nachbarschaft ein Konzept auf. Nicht neu jedoch für mich als eine kleine Offenbarung entpuppte sich das Restaurant Bricole direkt um die Ecke. Im Berliner Prenzlauer Berg entwickelte sich ein Nachbarschaftslokal zu einem besternten Fine Dining Restaurant. Umso erstaunlicher ist, dass sich trotz der kulinarischen Metamorphose die lässige und vor allen Dingen bodenständige Haltung der Gastgeber erhalten blieb.
Restaurant Bricole
Es war einer dieser vielen heißen Sommerabende, bei denen ich mit Jan-Peter vom Nomy Blog im Bricole einkehrte. Der Gastgeber Fabian Fischer empfing uns mit offenen Armen und seine tolle Art machte gleich klar, dass sich auch mit dem Stern im Guide Michelin sich nichts an der entspannten Art im Bricole geändert hat. Um das zu verstehen, muss man wissen, dass das Bricole ursprünglich ein Family Style Restaurant gewesen ist und nicht zwingend die Ambition hatte, einen Stern im bekannten Restaurantführer zu ergattern. Umso mehr war Fabian mit seinem Küchenchef Steven Zeidler mehr als überrascht als die Einladung vom Restaurantführer nach Hamburg eintrudelte.
Vom Stern überrascht
Zu Beginn dachten beide, dass ihnen der grüne Stern, welcher für Nachhaltigkeit steht, verliehen wird. Doch weit gefehlt. Spätestens als dieser an ein anderes Berliner Restaurant verliehen wurde, war ihnen klar, dass es um den wirtschaftlich nicht unbedeutenden roten Macaron ging. Und der Impact folgte auf dem Fuße. Knapp 100 Reservierungen gingen direkt am ersten Tag ein. An den beiden nachfolgenden Tagen waren es noch mehr. Die ersten Wochen waren somit schnell gefüllt – die Nachfrage ist bis heute immens hoch. Für sie war in Zeiten der Krise diese Auszeichnung ein Heilsbringer und Garant für ein voll ausgebuchtes Restaurant.
Business as usual? Nicht so ganz.
Es stellt sich nun die spannende Frage, was sich durch den Stern verändert hat. Fabian erwidert, dass sich sicherlich die Gäste im Mix ein wenig verändert haben. Es kommen des Öfteren Gäste mit „größeren Spendierhosen“ vorbei. Große und kostenintensivere Weine werden daher öfter angefragt. Er hat darauf reagiert und dementsprechend sein Angebot aufgestockt.
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Menü in 2 Versionen
An der Küche hat sich nicht viel geändert, warum auch? Denn Steven Zeidler zeigt mit seiner modernen und zumeist regionalen Art zu Kochen, dass Sterneküche auch unkompliziert geht. Angeboten wird im Restaurant Bricole das 6-Gang-Menü (112€) mit oder ohne Weinbegleitung (64€). Alternativ zu dem Standardmenü gibt es auf Anfrage auch eine vegetarische Alternative.
Salzgegarte Rote Bete
Unser Einstieg nach den Snacks mit Brot und aufgeschäumter Karamellbutter war eine in Salz gegarte Rote Bete mit Johannisbeere, Dillstaub und Beetensud. Und sogleich wurde uns klar, was uns an diesem Abend wohl erwarten würde. Denn dieser handwerklich sehr schön umgesetzte Spannungsbogen zwischen unterschiedlichen Texturen hat uns sehr gefallen.
Stör von den 25 Teichen
Wundervoll produktorientiert ging es mit der flambierten Stör von 25 Teiche an Dashigel und Favabohnen und Fichtenhippe weiter. Mir gefällt der verspielte Umgang mit den Produkten. Der Stör entfaltet mit dem kräftigen, umamihaltigen Dashifond eine tolle geschmackliche Bandbreite. Durch das finale Abbrennen entsteht zudem ein mildes Raucharoma. Sehr stimmig.
Pfifferlinge
Jeder von Fabian eingesetzte Teller ist ein Hochgenuss. Auch hier wird dem Trend gefolgt, Speisen mit einem kräftigen Fond anzurichten. Bei diesem Gericht mit Pfifferlingen, Blumenkohl, Trüffel und Pumpernickel ist es ein vollmundiger Pilzsud, der die angebratenen Pfifferlinge umgibt. Dieser Gang aus dem vegetarischen Menü wird vom Gastgeber als vielleicht nicht schönster, aber vermutlich mit leckerster Gang bezeichnet. Auf den Pfifferlingen thront ein sehr volumiger Blumenkohleschaum, welcher die Verbindung zu dem frisch aufgehobelten schwarzen Trüffel bildet. Obwohl dieser Gang vegetarisch ist, ist er durch die Pilzaromatik voll von Fleischgeschmack (umami) und ganz sicher ein Highlight des Abends.
Konfierter Kabeljau
Folgt man strengen Menüregeln, dann wäre eine Rohstoffwiederholung ein Fauxpas. Entpuppt sich diese mit dem zweiten Akt des Blumenkohls so köstlich wie im Bricole, dann sind sie mir doch herzlichst willkommen. Steven serviert einen konfierten (in Öl gegarten) Kabeljau auf einer Blumenkohlcreme, mit marinierten Rösschen vom selbigen, frittierten Kapern und einer schaumigen Blumenkohlsauce. Blumenkohl at ist best quasi.
Aubergine „Sous Vide“
Beim erneuten Abstecher in das vegetarische Menü, ereilt uns ein Klassiker aus der griechischen Küche. Die Aubergine „Sous Vide“ erinnert stark an das Tsatsiki, welches hier mit einer sehr cremigen Joghurt- Gurkenemulsion angerichtet wird. Auf der sanft gegarten Aubergine wurde eine Rauchmayonnaise gestrichen und Avocadocreme dressiert. Für die Dopaminausschüttung im Kopf sorgen die knusprigen Sticks von der Lindakartoffel. Im Fachjargon heißt das dann Pommes Alumettes – Streichholzkartoffeln. Einfach nur großartig. Eine wunderbar ausbalancierte Knoblauchnote wurde in die genannten Aromen eingebettet. Es schwingt unentwegt das Gefühl vom letzten Griechenlandurlaub mit. Auf diesem Teller stimmen leichte und kräftige Aromen sehr gekonnt das Orchester im Munde an. Mehr davon.
Die klassische Kochschule lehrte mich einst, dass eine klassische Speisenfolge so aufgebaut ist, dass der kulinarische Höhepunkt gefälligst beim Hauptgang zu folgen hat. Doch frage ich mich bei dieser Retrospektive des Bricole Menüs, was ist, wenn das Menü nur aus Höhepunkten besteht.
Onglet vom Black Angus Rind
Der Hauptgang bestand aus dem Onglet vom Black Angus Rind mit gegrilltem Lauch, Olivencreme und Cassis mit Staudensellerie. Wenn Du Onglet nicht kennst, dann sei Dir gesagt, dass dies ein weniger bekanntes Stück Rindfleisch aus dem Lendenteil des Zwerchfells ist. Streng genommen wird es sogar den Innereien zugeordnet, was vermutlich der Grund ist, warum es eher in Frankreich oder den USA einen höheren Bekanntheitsgrad genießt.
Dieses unheimlich zart gegarte Stück Rind setzte Steven sehr gekonnt mit gebratenem Lauch, Cassis und Staudensellerie in Szene. Die am Tisch angegossene Jus ist ebenso eine große Stärke dieser Hauptspeise. Ich kann alle Leser nur dazu ermutigen, bei Gerichten wie diesen, öfter zuzuschlagen. Der Mut wird mit tollem Geschmack belohnt.
Kirschen von Bauer Riedel
Das Dessert mit Kirschen von Bauer Riedel samt Kirschsorbet und Joghurtrahm, Krapfen und Buchweizen ist eine kleine Hommage an die Berliner Pfannkuchen, welche in der Hauptstadt so ja überhaupt nicht genannt werden (dürfen). Sollte es doch lieber ein Käsegang sein, so kann das Menü ebenfalls mit einer gut sortierten Variation abgeschlossen werden.
Die Weinbegleitung im Bricole
So lange ich auf meinem Blog keine Expertise für Wein als Co-Autor:in vorweisen kann, bleiben vollumfängliche Weinkommentare leider aus. Mein Thesaurus und vor allen Dingen meine Weinexpertise hält sich leider in Grenzen, wenn gleich ich bekennender Weinliebhaber bin. Es bedarf eines eigenen Beitrags, was Fabian an diesem Abend an Weinspektakel geboten hat. Seine ausgesuchten Weine haben jeden einzelnen Gang nicht nur abgerundet, sondern auf ein anderes Level gehoben. Wir haben die Weinbegleitung sehr genossen.
RESTAURANT
BRICOLE
Fazit: Restaurant Bricole
Wie oben bereits erwähnt, entpuppt sich das angebotene Menü des Restaurant Bricole als eine recht monotone Speisenfolge. Hier reiht sich ein Höhepunkt an den nächsten, was dafür sorgt, dass man aus dem Schwärmen nicht herauskommt. Insofern kann und möchte ich jedem dieses Restaurant in Berlin Prenzlauer Berg jedem empfehlen. Es ist eine kulinarische Perle, die ganz sicher jeden Umweg wert ist.
Ein tolles Konzept mit einem Verlierer
PS: Einen kleinen Verlierer des Hypes um das Bricole konnte Fabian leider ausmachen. Es sind die Nachbarn, die nun leider nicht mehr ebenso vorbekommen können, um im Bricole einzukehren. Sicherlich gibt es auch im Bricole hin und wieder No-Shows, doch sind die Tische in der Regel bis zu drei Wochen im Voraus ausgebucht. Daher lohnt es sich stets, sich rechtzeitig um einen Tisch zu kümmern.