Berlin hat viele kulinarische Ecken, bei denen es eine hohe Dichte an Restaurants und Bars gibt, bei denen du nichts falsch machen kannst. Solch eine Ecke ist zum Beispiel die Gegend rund um die Große Hamburger Straße. Dort tummeln sich für jeden Geschmack die unterschiedlichsten Konzepte. Magst du Burger, gehst du zu Shiso Burger – ist Sushi Dein Ding, solltest Du mal im Kuchi vorbeischauen – ein Benchmark für die besten Ramen der Stadt wird das Cocolo Ramen sein – Soul Food aus der Bowl findest du im Beets&Roots – die besten Döner der Stadt hat Kebab with Attitude – willst du einen Abend mit bestem Essen und Wein genießen ist das CORDO genau dein Ding.
Aufmerksame Leser werden das CORDO bereits von der Vorstellung des Lieferdienstes kennen. Deren Menü hatte ich bereits hier besprochen. Doch dieses Mal geht es für uns ins Restaurant in der besagten Großen Hamburger Straße.
Interior & Design des CORDO
Kehrst du im CORDO ein, welches einst aus der Cordobar entwachsen ist,
Dann wird dir sogleich das hochwertige aber dennoch bodenständige Ambiente auffallen. Du wirst dich sehr schnell wie zuhause fühlen. Hier bilden Naturholztische und Stühle mit Lammfellen ein sehr charmant-lockeres Innendesign. Offene Regale mit teils witzigen Einrichtungsgegenständen lassen durchblicken, dass die Gastgeber Sinn für Humor haben. Wir hatten sogar das Vergnügen auf einem der Hochtische im hinteren Teil des Restaurants sitzen zu dürfen. Wir empfanden die als besonders bequem. Zu den wärmeren Temperaturen gibt es zudem die Möglichkeit, im Innenhof draußen Platz zu nehmen.
Der Küchenchef des CORDO • Yannic Stockhausen
Der Stil von Yannic ist nicht einfach zu umschreiben. Was auffällt, ist die frische Brise, welche vor allen die Fischgänge mit sich bringen. Es gibt viele Beispiele, die mich einfach an enorm frischen Fisch und dem Geruch von Seetang erinnern. Manche gar an den Hamburger Fischmarkt, der mit seinem frischen und reichhaltigen Angebot ein ganz besonderes Flair versprüht. Er vermag es sehr gut, genau dieses Feeling in ein schmeckbare Erfahrung zu verpacken.
Die Teller sind passend zum Frühling gespickt mit viel Kräutern, knackigem Gemüse und natürlich Spargel.
Amuse Bouche & Brot
Wer Yannic kennt, der weiß, dass es bei ihm keine halben Sachen gibt. Fulminant geht es bereits beim dreiteiligen Amuse Bouche los. Ein Miniburger mit „Buns“ aus Rote Bete Baiser ist gefüllt mit Rauchfischcreme, Stör und Gewürzgurke. Dieser gefüllte Macaron ist unser erster Bissen und einfach nur grandios.
Auf dem zweiten Sockel findet sich eine Tartelette mit Garnelentatar, Kräutercreme und Kaviar. Den Abschluss macht die lauwarme Brioche auf dem ein Wagyu Beefeater mit fermentierten Schalotten und fein geriebener Bergkäse thront.
Kurz darauf wird das Brot samt Kräuterorgie, man verzeihe mir den Begriff, eingedeckt. Die sogenannte Wiesenkräuterbutter hält, was sie verspricht. Die grün-gelb marmorierte Butter, die auf einen dünnen Film von Kräuterstaub liegt, ist gefüllt mit einem Kräuteröl. Und weil Yannic das noch nicht genug ist, setzt er darauf noch ein zusätzliches Nest von frischen Wildkräutern. Einen erfrischenderen Aufstrich für das krosse Brot gibt es wohl kaum.
Forelle • Kirschblüte • Rauchmandel
Die Spargelsaison greift Yannic in genau zwei Gängen auf. Der Erste kommt in Form einer Forelle mit grünem Spargel, Kirschblüten, getrocknetem Eigelb und Rauchmandel. Dieses Gericht besteht aus unzähligen Einzelkomponenten und ist daher im Geschmack eine sehr gut ausbalancierte Mischung aus jodigen Aromen, frischen Kräutern und Rauchmandel.
Spargel BBQ
Ein Stück weit experimenteller geht es beim zweiten Spargelgericht zu. Das glasierte und geröstete Stangengemüse ist hälftig geöffnet und mit einem sehr feinen Sauerkraut gefüllt. Für mehr geschmackliche Tiefe sorgt die fein geriebenen Späne von Parmesan, eine BBQ Mayonnaise und Schweine-Popcorn.
Jeder Bissen dieses genial zubereiteten Spargels kann durch die Parmesan Emulsion und das Bärlauchöl gezogen werden, welche eindrucksvoll auf dem Porzellan angerichtet sind. Hätten wir nicht gewusst, dass noch weitere Gerichte auf uns warten, wäre dieser Spargelgang nachbestellt worden.
Erbsen • Bauchschinken • Petersilie
Für mich ist eine der essenziellen Aufgaben eines jeden Kochs, das Herausarbeiten des maximalen Geschmacks. Hierfür ist alles erlaubt, was das Grundprodukt nicht allzu sehr verstellt oder unkenntlich macht. So können selbst banal wirkende Grundnahrungsmittel sehr delikat herausgearbeitet werden.
Ein wunderbares Beispiel ist der Erbsen-Zwischengang mit Vulkanschinken, einer Speck- Velouté.
Petersilienöl und feinen Würfeln von Salzzitrone. Salzig, süß, knackig, sauer, frisch – dieser Gang ist Erbse pur und Yannic holt einfach alles aus diesem Gemüse heraus und suggeriert, dass es sich offensichtlich um ein Premium-Produkt handeln muss.
Nebenbei sei angemerkt, dass sehr positiv auffällt, dass die Größe der Gerichte stets perfekt ausbalanciert sind. Zu oft erlebe ich gerade bei Menüs mit vielen Gängen, dass die die Menge auf dem Teller einfach zu viel ist und der Genuss mit fortschreitendem Gang ein Kampf wird. Hier sind wir selbst nach diesem insgesamt 5. Gang absolut guter Dinge und freuen uns auf den nächsten Geniestreich, welcher uns noch lange in Erinnerung bleiben wird und symbolisch für die Küche Yannics steht.
Auster • Beurre Blanc • Schnittlauch
Dieser Erfrischungsgang ist ein perfektes Zusammenspiel zwischen der mineralischen Auster, einem cremigen Beurre Blanc Eis (dessen Rezept ich am liebsten mitnehmen will) mit eingelegter Gurke, Sauerteigbrotwürfel und Schnittlauch. Hier stimmt einfach alles. Es viel schwer sich von diesem Geschmacksakkord zu verabschieden. Ich wiederhole mich – würden nicht weitere Gänge auf uns warten, wir hätten diesen nachbestellt, zweimal wenigstens.
Weidehuhn Entier
Alle reden bei der Zubereitung der Tiere vom sogenannte Nose to Tail Prinzip bei dem einfach alle Bestandteile des Tieres zum Einsatz kommen. Das Küchenteam zelebriert das Konzept am Gast, indem das Weidehuhn in drei einzelnen Gängen verarbeitet wird.
Hahnenkamm & mehr
Den Start macht ein Ragout von Hahnenkamm, -herz, und -leber, welches sehr gehaltvoll mit Morcheln, Hühnerhautcrunch und einer Sauce Hollandaise, die aus dem Hühnerfett hergestellt ist, in einer Cocotte serviert wird.
Hühnerkeule & Champignons
Der zweite Teller entspricht offenkundig einer weiteren Umami-Bombe. Hier setzt er sich mit der Hühnerkeule auseinander. Diese ist butterzart und zusammen mit vielen Scheiben von Champignons, Pilzbutter, Arganöl, Eigelbcreme und Pilzpulver aufgetürmt und durch die mannigfaltige Extraktion des Pilzgeschmacks ein sehr intensives Erlebnis.
Hühnerbrust & Sauce Vin Jaune
Der dritte und finale Teller mit der Hühnerbrust bildet den krönenden Abschluss. Neben der Brust, welche mit Schnittlauch und Hühnerhautknusper bedeckt ist, reicht er eine klassische Sauce Von Jaune in einem gerösteten Zwiebelring. Aromatisches Specköl rundet das Gesamtbild ab.
Es ist höchst beeindruckend, mit welcher Selbstverständlichkeit Yannic uns Gang für Gang des Weidehuhns vorsetzt und dabei den Bogen nie überspannt, indem er bei den Aromen oder den Kombinationen zu viel will. Alles ist sehr gut aufeinander abgestimmt.
CORDO
Große Hamburger Str. 32
10115, Berlin
fon: +49 30 27581215
Rhabarber • Pistazie • Stracciatella
Beim Dessert angekommen erwartet uns eine frühlingshafter Rhabarbergang mit Broteis, sie Pistazien in Form eines Pestos, Brotchips und Stracciatella. Es war ein schönes Pre-Dessert. Auf den Punkt brachte es jedoch der finale Gang.
Birne • Nougat • Fichtensprossen
In diesem Gedicht von einem Dessert steckt enorm viel Handarbeit. Bereits die Auflistung der Komponenten würde einen Absatz füllen. Ich versuche dennoch, es in Worte zu fassen. Aus der Birne wurde eine Mousse zubereitet, welches in Birnenfond getaucht wurde.
Neben der Nocke Birnensorbet wurde auf Roggensand Fichtencreme und Birnengel dressiert. Eine kleine, runde Nougatplatte trägt ebenfalls die Fichtencreme mit dem Birnengel und wurde mit Fichtenpulver abgepudert. Jeder Löffel dieses Ensembles ist Genuss pur. Das perfekte Zusammenspiel der unterschiedlichen Texturen und Geschmäcker könnte kaum besser sein.
Petit Fours
Legendär und nicht ausbleiben darf natürlich nicht sein winziges Franzbrötchen, welches als eines der favorisierten Gebäckteilchen von Yannic bei keinem Menü ausbleiben darf.
Fazit über das CORDO
Was Yannic samt Team hier auf das Porzellan gezaubert hat, wird uns noch lange in Erinnerung bleiben. Wir haben einen sehr angenehmen und kulinarisch mehr als überzeugenden Abend genossen. Die Weinbegleitung war exzellent. Das CORDO ist bei weitem nicht nur ein Ort für exzellentes Essen. Mit Nina Scheinhart, die extra vor ein paar Monaten aus Wien nach Berlin gezogen ist, zeigt sich für die Weinauswahl verantwortlich.
Für das Wohl der Gäste sorgt sich auch die Gastgeberin Gudrun Ellinghaus. Bei ihr laufen abends die Fäden zusammen. Alles in allem spielen hier viele einzelne Protagonisten ein einzigartiges, kulinarisches Ensemble. So schafft es das CORDO-Team inmitten eines lukullischen Schmelztiegels herauszustechen, was gerade in Berlin nicht leicht ist.