Die große Herausforderung bei Kochbüchern ist, dass sie es leider nicht vermögen, den Duft der gezeigten Gerichte zu transportieren. Zu schön wäre es doch, wenn es bei jedem gezeigten Gang ein kleines Geruchssample geben könnte, bei dem direkt und unmittelbar ein Gefühl für die Aromen vermittelt wird. Das Kochbuch von Andreas Mayer namens „Der Duft von Gemüse“ greift das Thema über die Dimension des Geruchs auf und zeigt spannende Kombinationen, die allesamt vegetarisch ausfallen.
Kulinarische Dufterinnerungen in Der Duft von Gemüse
Es ist vorteilhaft, einen guten Riecher zu haben. Ursprünglich hilft er enorm bei der Gefahrenerkennung, bei der Nahrungssuche und auch bei der Partnerwahl. Das Riechorgan spielt im Leben also eine zentrale Rolle. Das hat auch Andreas Mayer für sich erkannt. Denn sein neues Kochbuch namens „Der Duft von Gemüse“ handelt von eben dieser Dimension und all ihren Auswirkungen in Verbindung mit seinen Rezepten. Der Untertitel unterstreicht zudem den pflanzlichen Kontext. Dieses Buch schließt tierische Zutaten als Bestandteil aus.
Andreas Mayer – mit der Passion fürs Vegetarische
Andreas Mayer ist kein Vegetarier oder gar Veganer. Dennoch kann er sich durchaus für die Pflanzenwelt begeistern. Sein erster nachhaltiger Kontakt war der Umstand, dass er vor mehr als 20 Jahren eine vegetarische Freundin hatte, was natürlich auch auf die Art, wie Andreas zu kochen pflegte, Auswirkungen hatte. Heute ist es für ihn eine Selbstverständlichkeit, stets vegetarische Optionen im Angebot zu haben. Dabei fallen sie weder langweilig noch belanglos aus. „Der Duft von Gemüse“ bildet nur einen Teil davon ab, was er in der Lage ist, für Gemüsefans umzusetzen.
Mehr Genuss durch Parfüms
Dabei spielt er vor allen Dingen mit dem Einsatz von Düften. Er greift sich den Duft von einzelnen Aromen heraus, um mit derem Einsatz das Erlebnis durch maximal herausgekitzelter Geschmäcker zu unterstreichen. Er entwickelte dafür einzelne „Parfüms“, die er seinen Gästen bei einigen Gängen anbietet. Diese Düfte sollen vorab im Gehirn die Erinnerungen und Empfindungen aktivieren. Dadurch sollen dann die Geschmacksaromen viel intensiver wahrgenommen und genossen werden können – soweit die Theorie.
Ein Aromarad für das Geruchspairing
So leitet Andreas Mayer zu Beginn mit einem Aromarad ein und erklärt das Zusammenspiel von unterschiedlichen Geruchsbeispielen. Er führt an die Thematik des Schmeckens mit diversen Fakten heran. Selbst ein kleines Praxisbeispiel mit Zucker und Zimt wird dem Leser ans Herz gelegt.
Zudem gewährt der Kochbuchautor einen kleinen Eiblick in die eigene Genussparfümherstellung. Jedoch rät er nicht dazu, dass zuhause nachzumachen. Denn diese Produktion ist mit der Anschaffung der Gerätschaften ein sehr kostspieliges und zeitfressendes Hobby.
Die Rezepte in Der Duft von Gemüse
Es folgen die Rezeptkapitel, die sich in „Vorratsschrank“, „Fingerfood“, „Vorspeisen“, „Suppen“, „Zwischengerichte“, „Hauptgerichte“, „Desserts“ und „Drinks“ aufteilen. Insgesamt werden in diesem Teil über 70 vegetarisch-vegane Rezepte gezeigt.
Was bei anderen Kochbüchern gerne mal die Basics genannt wird, ist hier der Vorratsschrank. Dort finden sich beispielsweise Rezepte für eine Gemüsebrühe, Blumenkohlcremesuppe, diverse Schäume, Nudelteig, Pesto oder geklärte Butter.
In der Fingerfood-Sektion warten Karotten-Ingwer-Lollis, Frischkäse-Rote-Bete-Türmchen mit Rot Bete Kaviar oder etwa ein Buchweizen-Burger mit Brioche und Trüffelcreme darauf, nachgemacht zu werden.
Hohe Spreizung zwischen Klassik und Moderne
Was mir besonders auffällt, ist, dass Andreas Mayer mit seiner Art zu kochen viele unterschiedliche Stile bedient. Zum Einen erkennt man recht traditionelle, klassische Gemüseterrinen mit Sülzeinlagen, wie bei der Version mit Sellerie, Petersilienwurzelsalat, Pekannuss und schwarzem Trüffel. Wenig später zeigt er mit der Variation von Waldpilzen eine eher kleinteilige Arbeit bei der er intensive Pilzaromen mit dem Trocknen, Pulverisieren und Ausbacken von verschiedenen Pilzen erreicht wird. Diese bettet er auf ein Moos und Trockeneis, welches durch die Zugabe von Wasser einen aromatische Waldduft erzeugen.
Nicht weniger komplex geht es bei der Variation von Blumenkohl zu. Dort zeigt er den Blumenkohl in unterschiedlichen Facetten, wie einer Mousse, in gebratener Form und als Eis. Zusammen mit einem Rührei und einer Blumenkohlterrine spielen auch die unterschiedlichen Temperaturen eine große Rolle. Hier folgt ebenfalls eine Aufwertung mit schwarzem Trüffel, welche meines Erachtens nicht notwendig gewesen wäre.
Nicht zwingend neue, jedoch nicht weniger spannende Geschmacksakkorde
Andreas Mayer erfindet bei den Rezepten nicht das Rad neu. Er zeigt mit seinen Gerichten, die sich ebenso eher betagten Zubereitungsformen à la Terrinen oder Sülzen bedienen, dass diese Speisen immer noch ansprechend aufbereitet werden können.
Wie bei dem farbenfrohen Gang „Terrine von Paprika und Frischkäse mit Kräutersalat und Paprikaeis“, welcher cremige, knusprige und kalte Texturen bereithält.
Kreative Gemüseverarbeitung in mannigfaltiger Form
Solltet Ihr Inspiration für die unterschiedlichsten Arten der Gemüseverarbeitung suchen, seid Ihr bei diesem Buch absolut richtig. Es wird wirklich jede Art und Weise, wie man mit den Pflanzenbestandteilen umgehen kann, umgesetzt. Sei es als Creme, Suppe, Eis, Terrine, gebraten, geschmort, gefüllt oder luftigem Schaum – gerade für Letzteres scheint er neben dem Trüffel eine Schwäche zu haben. Ich selbst war nie ein großer Fan von Lecithin-Schäumen, da sie mir nur allzu oft gehaltlos erschienen.
Sehr delikat scheint mir der „Klare Pilzravioli mit Wirsinggemüse“ zu sein. Dieser wird zusammen mit einem Glas von Waldpilzsuppe gereicht. Auf dieser thront erhaben ein durch und durch elegant wirkender Waldpilzespuma, der cremiger nicht sein könnte.
Hauptgerichte mit südeuropäischem Schlag
Bei den Hauptgerichten mehren sich die Gänge mit den Kohlenhydraten, welche in Form von Ravioli, Gnocchi oder Kartoffel dargestellt werden. Eine Umamibombe dürfte das Pilzgulasch auf Graupenrisotto sein, wohingegen der Spinatknödel mit Bergkäse auf Rucola mit einer Bröselbuttersauce im Munde wunderbar zu schmelzen scheint.
Desserts & Drinks
Bei den Desserts finden sich bekannte Evergreens wie ein geeister Kaiserschmarren mit Rumtopf, eine abgeflammte Zitronentarte samt Sorbet oder etwas Neuartiges in Form eines Topfensoufflés mit Ananas und Gurke.
Den Abschluss bilden sieben Drinks, welche mit Rezept samt Foto auf zwei Doppelseiten abgebildet werden.
Fotografie & Design in Der Duft von Gemüse
Die Fotografie zeigt sich harmonisch und überzeugt mit erhabener und unaufgeregter Ästhetik. Sie lenkt nicht vom Essen ab. Das Design ist funktional, die Rezepte sind gut lesbar. Die Zubereitungsanleitungen sind in einzelnen Schritte gut gegliedert. Das Rezeptregister ist übersichtlich. Was mir immer öfter bei Kochbüchern auffällt, ist das Fehlen eines Stichwortregisters. Suche ich beispielsweise nach einem bestimmten Produkt wie Rhabarber, könnte ich so schnell danach suchen und den Einsatz auf den jeweiligen Seiten nachvollziehen. So muss ich die Rezept nach und nach durchgehen. Das würde ich mir bei Kochbüchern immer öfter wünschen.
Fazit von Der Duft von Gemüse
Der Duft von Gemüse ist ein spannendes Buch, welches zeigt, wie vielseitig eine zeitgemäße Gemüseküche sein kann, ohne zu viel zu wollen. Andreas Mayers Arbeit ist höchst solide. Er zeigt routiniert, was Ihr zuhause ohne viel Schnickschnack umsetzen könnt, was nicht heißen soll, dass die Küche beliebig ist. Diese Rezepte sind in ihrer Art und Weise sehr ausbalanciert und bestechen durch den Einsatz, wenn wir einmal vom Trüffel absehen, von bodenständigen Produkten, die in nicht zu utopischen Kombinationen gezeigt werden. Das macht das Buch so universell einsetzbar. Für knapp 50 Euro bekommt Ihr eine Menge Speisen geboten, die euch eine besondere Armenvielfalt am heimischen Herd entstehen lassen.
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