Berliner Speisemeisterei • Life as a chef 👨🏻‍🍳

Mein Name ist Steffen Sinzinger (42). Ich betreibe den Blog die Berliner Speisemeisterei seit mehr als 13 Jahren und schreibe hier über alle gastronomischen Themen, welche mich begeistern. Ich bin gelernter Koch und habe den Großteil meiner beruflichen Karriere in der Berliner Gastronomie verbracht. Ich freue mich, dass Du zur Berliner Speisemeisterei gefunden hast.

Ein Besuch im GOLVET

Ein Besuch im GOLVET

So stelle ich mir die 20er Jahre in Manhattan vor. Nur dass ich dafür nicht über den großen Teich reisen muss, um das zu erleben. Das GOLVET tischt großartig auf und zelebriert eine internationale Küche, die dennoch auf regionale Elemente setzt. Der gerade mal 27 Jahre alte Chefkoch Jonas Zörner spielt auf der ganz großen Klaviatur und überzeugt mit einer leidenschaftlichen Raffinesse. Ich habe das Restaurant für Euch besucht.

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Jonas Zörner

Das GOLVET – Ein Sternerestaurant im Himmel über Berlin

Berliner werden die Räumlichkeiten des 40 Seconds noch bekannt sein. Damals gab es hier den bekannten Club mit Nähe zum Potsdamer Platz. Dieser Name hatte die bekannte Adresse aufgrund der Dauer, welche der Fahrstuhl vom Erdgeschoss in den 8. Stock benötigte. Aus dem damaligen Club wurde vor einigen Jahren das GOLVET.

Die Räumlichkeiten thronen pompös über der Skyline. Passierst Du die Garderobe und den Empfang, kommst Du an den Weinkühlschränken und der offenen Showküche vorbei, dessen reges Treiben die letzten Vorbereitungen für den Abend offenbaren. Der Service hingegen steht auf seinen Stationen und erwartet die Gäste, die nach und nach einströmen. Die Tische im GOLVET sind ausgebucht und nur die ledernden Barhocker unbesetzt.

Im GOLVET siehst Du rot

Das Design des GOLVETS besticht durch eine Menge Beleuchtungselemente, welche die Atmosphäre in ein starkes Rot tauchen. Überhaupt ist das Restaurant sehr bequem und einladend gestaltet. Als wir uns an der perfekten Aussicht sattgesehen haben, leiten wir unsere Aufmerksamkeit mehr auf das Interieur. Das besticht durch sehr elegante und überaus bequeme Ledersessel, dunklen Tischen und einer holzverkleidenden Decke. Im Zentrum liegt die Showküche. Die Tische reihen sich an den Fensterfronten ein. Im Hintergrund wummert leise Electro-Musik passend zur Historie.

Restaurant

Gerne auch mal ohne.

Nach der freundlichen Begrüßung bereitet man uns auf unser Menü vor. Der Service, allen voran Restaurantleiter Martin Wolf, bietet uns eine Getränkebegleitung mit und ohne Wein an. Die alkoholfreie Begleitung besticht durch Getränke, die organisch gebraut und auf der Basis von Kombucha & Wasserkefir zubereitet sind. Ebenso gibt es Mixgetränke aus der Bar, die nicht weniger kreativ, einzigartig und vielfältig in Erscheinung treten. Ich empfehle wenigstens teilweise die Weine mit den alkoholfreien Getränken zu ersetzen. Der Alkoholgenuss schränkt doch mit zunehmenden Gängen, das Vermögen ein, die großartigen Gerichte des Küchenchefs bewusst zu erleben. Und diese können sich wahrlich sehen und vor allen Dingen schmecken lassen. Der Küchenchef Jonas Zörner nämlich tischt groß auf.

Golvet

Das Wintermenü

Hühneressenz • Liebstöckel, Trüffel & Fett

Nach dem einleitenden Amuse Bouche und Aperitif, welche hier nur in schriftlicher Weise Erwähnung finden, folgt sogleich der erste Gang. Die Essenz ist vollmundig und vermengt sich beim Einschenken mit dem bereits eingesetzten Gelee. Der versprochene Liebstöckelgeschmack ist dabei nicht zu dominant. Das schonend gegarte Keulenfleisch superzart. Ein Teil des Geflügelfettes wurde mit Liebstöckel zu einem grasigen Öl verarbeitet und kleidet die Schale aus. In der schwarz lackierten Eierschale befindet sich ein Chawanmushi, das ist ein gestocktes Ei nach japanischer Tradition. Dieses ist mit wunderbar schmelzendem Trüffelespuma bedeckt. Ein grandioser Start, der zeigt, dass es hier vor allen Dingen um „No Waste“ geht und möglichst alle Teile vom Tier eingesetzt werden.

Hühneressenz

Kohlrabi • Baumnuss, Shoyu & Molke

Auf dem Mousse von Baumnuss, die Du gerne auch weiterhin getrost Walnuss nennen darfst, thront ein hauchdünn aufgeschnittener Kohlrabi. Der ist – sagen wir mal – halbroh und besitzt daher noch seinen Biss. Abgepudert ist der rund aufgedrehte Kohlrabi mit Pulver vom getrockneten Blattgrün. Zudem sorgt ein Molkecrunch für den Knuspereffekt und die damit verbundene Dopaminausschüttung. Ein sehr eigenwilliger Gang welcher durch den Einsatz von Shoyu eine ganz eigenwillige Komplexität erlangt.

Jakobsmuschel • Imperial Kaviar, Radicchio & Bergamotte

Die gebratene Jakobsmuschel ist umringt von leicht herben Noten des Radicchios, Zitrusaromen der Bergamotte und dem milden, nussigen Geschmack des Imperial Kaviars. Dieser Gang hatte uns besonders gefallen, war er doch sehr harmonisch ausbalanciert.

Jakobsmuschel

Rind • geräucherter Aal, Quitte und Rosenkohl

Das sehr spannende Ensemble von zart gegartem Rind mit geräuchertem Aal, dessen Rauchnoten ebenfalls die Hollandaise abrundeten, hatte mich stark an den Klassiker „Rosenkohl mit Birne und Speck“ erinnert. Aber natürlich nur ein wenig, denn diese Zusammenstellung war deutlich raffinierter. Die dünnen und saftigen Tranchen vom Rinderherz, wurden mit noch knackigen als auch gerösteten Rosenkohlblättern, eingelegten Quittenscheiben und Stücken des geräucherten Aals angerichtet.

Wunderbar herausgearbeitet waren die feinen Aalnoten, die sich durch die Aal-Hollandaise sanft über den ganzen Teller legten. Jede Gabel war ein einziger Genuss. Es ist gut, dass in der Speisekarte der Gast über den Einsatz von Rinderherz nicht informiert wird. Würde man das kommunizieren, würden ganz sicher nur wenige diesen Genuss wagen. Vielen Dank für diesen Schritt, der vermutlich viele Gäste einen Aha-Effekt bescheren wird.

Rinderherz

Bäckchen vom deutschen Duroc • Schinken, Baumkuchen, Shiso & Wirsing

Man merkt gerade beim Hauptgang, dass Jonas Zörner sehr gerne klassische Garmethoden anwendet. Als Basis für diesen Hauptgang dient ein Sockel von mit Dörrpflaume geschmortem Duroc Schwein, welches er in einen Kunstdarm gibt, gelieren lässt und in Scheiben aufschneidet. Das Thema Pflaume wird mit Gelee vollendet. Der napierte Baumkuchen, dessen Filigranität man unangeschnitten kaum ansieht, setzt er auf diesen Sockel bevor Jonas alles mit einer kleinen Wirsingpraline, die in sich Wirsing in Rahm trägt, krönt. Das ist wahrlich ein kleines Meisterwerk. Dieser Hauptgang ist durch und durch große Kochkunst – ausbalanciert – reichhaltig – kreativ und nachhaltig. Ein sehr durchdachter Gang.

Duroc Schwein

Mais • Popcorn, Oabika, Karamell

Es ist für jeden Pâtissier eine große Hürde, nach all den pikanten Höhepunkten noch Akzente bei den Desserts zu setzen. In diesem Haus ist das sehr gut gelungen. Solch eine Maiskomposition hat es sicherlich hier und da schon gegeben. Doch was das GOLVET-Team ausmacht, ist dass sie gerade produkttechnisch um die Ecke denken und Elemente einsetzen, welche man auf diese Weise wohl eher selten finden wird.

Hier ist es Oabika, dass auch das Gold der Kakaofrucht genannt wird. Oabika ist ein Kakaofruchtsaftkonzentrat, dass aus dem Fruchtfleisch der Kakaofrucht gewonnen wird.

Es hat ein recht nuancenreiches Aromaprofil aus fruchtigen und säuerlichen Noten. Die sirupähnliche Textur und Bernsteinfarbe machen das Konzentrat zu einem Aromastoff und zur neuen Schlüsselzutat. Hier kommt es als Geleewürfel zum Einsatz und ergänzt die Maiscreme, das mit Karamell überzogene Popcorneis und Minimais. Alles in allem ein sehr verspieltes Dessert, welches entgegen der Erwartung nicht allzu süß schmeckt.

Valhrona Bahibe • Aronia, Moosbeeren & Weizengras

Ein weiteres Beispiel für ungewöhnliche Zutaten ist das zweite Dessert mit Valhrona Bahibe und Aronia, sogenannten Apfelbeeren. Das Zusammenspiel von diesem Aroniabeerenkompott, dass unter dem Ziegenkäsessorbet samt Zabaglione liegt, ist leicht herb- fruchtig und erinnert fast an die Cranberries. Daneben sitzt sehr hübsch angerichtet ein Zusammenspiel von Moosbeeren-Panna-Cotta mit Schokoladen-, Ziegenkäse- und Weizengrascreme.

Ein in sich stimmiger Gang bei dem sich alle Bestandteil zu einem sagenhaften Gesamtgenuss vereinen. Zudem erwirken kalte, cremige, schaumige und geleeartige Konsistenzen ein sehr spannendes Mundgefühl.

Somit ist der Pâtisserie der Stunt, den vorhergehenden Gängen noch eins draufzusetzen gelungen. Diese beiden Desserts gehen nicht unter und zeigen wunderbar, dass auch im süßen Bereich viel Leben und Entwicklung steckt.

Moosbeere

Die Weinbegleitung

Was soll ich sagen? Ich bin immer ein großer Fan davon, dem Weinexperten, oder wie in meinem Fall der Weinexpertin, mein vollstes Vertrauen auszusprechen. Ich wurde nicht enttäuscht und habe eine grandiose Weinbegleitung erfahren. Für die zusammengestellten Tropfen zeichnet sich im GOLVET José Vinagre verantwortlich. Bedient wurde ich jedoch von Amelie Bailey, welche uns aufs Beste versorgte und mit umfangreicher Expertise aufwartete.

Fazit

Alles in allem muss man sich ums GOLVET wohl keine Sorgen machen. Der Küchenchef Jonas Zörner sprudelt nur so von großartigen Ideen und bedient auf selbstverständliche Art und Weise Themen wie Regionalität, Saisonalität und Nachhaltigkeit ohne ein allzu großes Bohei darum zu machen. Das gefällt sehr gut und das GOLVET wird somit einen festen Platz in meiner Liste erhalten.

Das GOLVET ist Mittwoch bis Samstag von 18:00 bis 22:45 Uhr geöffnet. Es befindet sich in der Potsdamer Straße 58, 10785 Berlin.

ERLEBNIS BUCHEN

GOLVET

Credits aller Bilder: © Lukas Kirchgasser

Steffen Sinzinger

Steffen Sinzinger, Jahrgang 1980, ist ein in Berlin lebender Küchenchef und seit nun mehr als 14 Jahren ein passionierter Foodblogger. In der deutschsprachigen Bloggerszene ist er ein fester Bestandteil und spricht mit seinen breitgefächerten Themen sowohl die professionellen Köche als auch die am heimischen Herd kochende Fraktion an.

There is 1 comment on this post
  1. Linus
    Februar 13, 2022, 12:30 pm

    Danke für den Tipp. Schon rein optisch ein sehr ansprechendes Lokal.

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