Ich kann mich noch sehr gut an das erste Bild, welches ich von Susanns und Yannics bekannten Blogs KrautKopf gesehen habe, erinnern. Es war ein Cherry Pie. Schon damals zählte ich sie, was Foodtrends angeht, eher zu der trendsetzenden Fraktion. Sie haben eine unheimlich natürliche Art zu Kochen und setzen ihr Knowhow als gelernte Fotografen gekonnt ein. Dabei fällt es bei ihren Tellern nicht im Geringsten auf, dass sie rein foodtechnisch Autodidakten sind. Mir gefällt ihr Stil. Mit dem neuen Kochbuch Erde, Salz & Glut zeigen sie, dass sie seit dem ersten Werk keinesfalls stehen geblieben sind, ganz im Gegenteil.
Das perfekte Frühstück
Back to the roots mit KrautKopf
Neben den tollen, puristischen Kreationen, welche gänzlich ohne Schi Schi auskommen, setzen sie auf eine nachhaltige Umsetzung. Klar sind ihre Zutaten frisch und zumindest vegetarisch ausgewählt. Teilweise setzen sie ebenso auf vegane Küche. Raffinierter Zucker kommt ihnen nicht in die Töpfe. Bei ihrem ersten Kochbuch, welches 2015 erschienen ist, war dies bereits der Fall. Heute gehen sie einen Schritt weiter. Der Schwerpunkt liegt nicht nur in regionaler Küche, sondern in Zutaten, welche sie idealerweise aus ihrem eigenen Garten ziehen können. Insbesondere deren ursprüngliche Zubereitung gilt das Hauptaugenmerk.
Dabei wird im Laufe des Jahres mit vielen eingemachten Gemüse- und Obstsorten, die klassisch fermentiert, eingekocht oder eingelegt werden, der eigene Vorratsschrank gefüllt. Das ist insofern wichtig, diese Methoden zum Einsatz kommen zu lassen, da ansonsten viel zu viel der Ernte verderben würde. So ist das mitunter schon von der logistischen Seite her eine regelrechte Herausforderung.
Diese Thematik ist Kern ihres neuen Kochbuchs namens Erde, Salz & Glut. Der Titel verrät schon, dass es um viele natürliche Elemente geht, welche beispielsweise bei der Zubereitung oder Verarbeitung einzelner Bestandteile zum Einsatz kommen.
Wer jetzt keinen eigenen Garten zur Verfügung hat, der kann dennoch dieses Buch in Betracht ziehen, denn all die hier aufgeführten Rezepte sind lediglich Ideen oder Empfehlungen, die gerne individuell den eigenen Umständen entsprechend angepasst werden können. Der eigens gezogene Lauch ist also nicht notwendig. Zur Not tut es auch die Stange vom Markt.
Ein durchweg rundes KrautKopf Kochbuch
Direkt beim Öffnen fällt die wunderschöne Haptik und Optik des Buches auf. Ohne die Inhalte zu sehr in Augenschein zu nehmen, kann man in der Aufmachung sehr viel Liebe zum Detail erkennen. Doch dazu später mehr.
Die ursprüngliche Verarbeitung der in der heimischen Erde gezogenen und später geernteten Früchte- und Gemüsesorten soll also der Schwerpunkt sein. Dabei spielt die Zubereitung durch Hitze, jene in ihrer ältesten Form über Glut von statten ging, eine wesentliche Rolle. Salz ist bei vielen Prozessen ein nicht wegzudenkendes Element. Man nutzt es, um Speisen länger haltbar zu machen und um schließlich den Eigengeschmack der Produkte herauszuarbeiten.
Mehr Mut für neue Kombinationen
Die Kombination all dieser Elemente sorgt je nach Art des Einsatzes für spannende Gerichte, welche sich zuletzt auch dem Rhythmus der Jahreszeiten anpassen. Wer sich dem unterwirft, was der Garten einem zu Füßen legt, der handelt nachhaltig in seiner reinsten Form.
Somit machen Susann und Yannic dort weiter, wo sie mit dem ersten Buch aufgehört haben uns sind bei ihrem neuen Kochbuch nicht nur konsequenter sondern enorm experimentierfreudig unterwegs. Denn wer auf Garmethoden wie dem Grillen von Rhabarber setzt, muss offen sein, für neue Geschmäcker. Eine gebackene Schwarzwurzel hat geschmacklich ziemlich wenig mit der in Milch gekochten Variante zu tun. Durch diese Form der Zubereitung à la „Back to the Roots“ erweitern sie die möglichen Geschmacksrichtungen, die jedes Obst und Gemüse erreichen kann, ungemein.
Rotkohl mal gebacken
Jeder Leser, der sich darauf einlässt, kann nur gewinnen. Wenn zum Beispiel Rezepte wie „Gebackener Rotkohl mit Apfel und Mohn“ ausprobiert werden, und klar wird, dass dieser Kohl in seiner im Ofen zubereiteten Version viel mehr zu bieten hat, als würde man ihn wie gewohnt im Topf für mehrere Stunden köcheln lassen, dann ist das einfach nur spannend.
Durch das Backen mit Honig karamellisieren die einzelnen Blattschichten so, dass sich teilweise herbe Aromen entwickeln und durch die Reduktion des Fruchtsaftanteils im Ofen der Eigengeschmack verstärkt wird. Heraus kommt ein Rotkohl, wie du ihn sicherlich noch nicht erlebt hast. Einfache Geschmacksakkorde wie denen des Apfels und Mohns unterstützen dabei das typische Aroma dieses Gewächses.
Grasig- frisches Apfel- Sauerampfersorbet
Wer es noch ein wenig mutiger mag, der testet das Apfel- Sauerampfer- Sorbet mit Sellerie. Hier muss man fast keine Kenntnisse über die Eisherstellung haben, denn es wird lediglich gemixt und das möglichst fein. Der Apfelsaft wird hierfür mit den Blättern des Sauerampfers feinpüriert und danach in der Eismaschine abgedreht. Fertig.
Dazu kommt gedünsteter Sellerie, welcher mit seinem sehr leichten Salzgehalt, den Eigengeschmack hervorhebt. Denn neben Hitze und Luft ist Salz genauso wie Zucker ein natürlicher Geschmacksverstärker. Das grasgrüne, säuerlich- süße Eis ist ein großartiges Beispiel für den kreativen Umgang von Wildgemüse in einem Dessert. Für mich passt er zum Beispiel hervorragend zu Erdbeeren.
Da in diesem Eis auch der Ballaststoffanteil sehr hoch ist, friert das Sorbet nicht durch und härtet komplett aus. So kann man immer wieder ohne Vorlaufzeit am Gefrierschrank vorbeikommen und sich eine Nocke gönnen.
Kraut|Kopf kochen komplexer
Was mir beim Blättern ebenfalls aufgefallen ist, sind die komplexer werdenden Gerichte. Das fällt durch die sehr reduzierte Anrichteweise und Fotografie nicht zwingend auf. Doch wenn man Gerichte wie „Tomaten mit Paprika und Fenchel“ näher betrachtet, kommt man zu diesem Schluss. Hierfür wird nämlich die Tomate, die viel Umamigeschmack in sich trägt, sehr vielfältig dargestellt.
So gibt es einen Sud aus abgehangenen Tomaten. Kirschtomaten werden gedörrt. Rauchige Noten fügen die beiden mit Hilfe von gehäuteter Paprika hinzu, dessen Schale dafür abgeflämmt wird. Dadurch entstehen die gewünschten Rauchnoten. Für leichten Anisgeschmack sorgt das eingesetzte Fenchelöl und der Bronzefenchel. In diesem Rezept wird der Tomatensud heiß serviert. Ich bin mir sicher, der schmeckt entsprechend abgeschmeckt bei heißen Sommertagen kalt noch besser.
Die beiden haben die einzelnen Protagonisten wunderschön herausgearbeitet und daraus ein fruchtig, frisches Ensemble für den Sommer geschaffen.
Aufbau und Inhalt
In dem KrautKopf Buch findet ihr also massig Anregungen, wie ihr bodenständige Zutaten à la Sellerie, Schwarzwurzel und Apfel in sehr kreativer Art und Weise zubereiten könnt. Die Inhalte werden dabei nicht zwingend in die unterschiedlichen Saisons gegliedert. Einige Haltbarmachungsmethoden, wie zum Beispiel das Fermentieren oder Einlegen, werden auf zwei Doppelseiten angerissen. Das ersetzt freilich keine ausführliche Erklärung.
Das war bei diesem Buch auch vermutlich nicht das erklärte Ziel, denke ich mal.
Die Rezepte sind dabei sehr gut aufgebaut, einfach lesbar und funktional strukturiert. Das Inhaltsverzeichnis orientiert sich nach gewissen Grundprodukten, unter denen weiter die jeweiligen Gerichte aufgeführt sind. Wenn schon keine Struktur in Kapitelform zu den einzelnen Jahreszeiten im Hauptteil des Buchs vorliegt, so hätte ich mir wenigstens ein extra Register, dass den Jahreszeiten unterworfen ist, gewünscht. Gerade ein Kochbuch, dessen Kulinarik sich dem Rhythmus der Natur widmet, könnte idealerweise mit einer solchen Funktion aufwarten. Das ist jedoch Jammern auf hohem Niveau.
Fotografie
Schaut man sich die Fotografie an, soso ist ein Sattsehen kaum möglich. Schöne, realistische Farben und angenehme Licht- und Schattenspiele sorgen für Spitzenfotos, die fernab jeglicher Bloggerfotografie mit tausend Dekoutensilien und Aufbauten aufwartet und so ein gestelltes Bild erkennen lassen. Die Bilder sind aufs Maximale reduziert und unaufgeregt und lenken somit nicht vom Hauptthema, den Superstars aus der heimischen Erde, ab.
Fazit
Wer bis hierhin noch nicht überzeugt wurde, der wird es ganz sicher jetzt sein. Denn für schlappe 32 Euro bekommst du auf ganzen 240 Seiten Naturpapier unzählige Rezepte. Jedes der Rezepte beinhaltet hier und da Tipps für den besten Umgang mit dem Geernteten. Die sehr vielfältige Auswahl lässt in ihrer wunderbar reduzierten Darstellung nicht so schnell Langeweile aufkommen. Versprochen.