Hin und wieder passiert es, dass ich über Rezensionen von Journalisten stolpere, bei denen ich wenig bis teilweise überhaupt nichts davon nachvollziehen kann, was da steht. Normalerweise blättere ich dann weiter und gut ist. Bei der Besprechung zu dem Buch Die schönsten Restaurants & Bars aus dem Hause Callwey musste ich stark staunen. Denn hier wird in einem nahezu beispiellosen Verriss das Gesamtkonzept aufs Korn genommen. Nur leider verfehlt die Kritik das Zeil vollends. Hier geht es nicht um die dort erbrachte Küchenleistung oder was sich im Service abspielt. Es geht schlichtweg um Design, um nichts Anderes. Insofern ist es absolut unangebracht, ein Buch, welches im Kern einen Designerpreis verleiht, in der Luft zu zerreißen, weil man der Meinung ist, dass die Inneneinrichtung nichts mit der Qualität des Essens zu tun hat. My two Cents.
Die schönsten Restaurants & Bars
Der Callwey Verlag aus München ist, wenn es um das Thema Design und Kochkunst geht, ein Verlag, der immer wieder interessante Bücher herausbringt. Die sogenannte Tischkultur ist ein hohes Gut. Den betroffenen Branchen mit ausgerufenen Preisen Anerkennung zukommen zu lassen, haben sie sich zur Aufgabe gemacht.
Beispielhaft kann man dazu Werke wie die „Tischkultur des Jahres“, „Deutscher Innenarchitekturpreis 2019“, „Gärten des Jahres 2021“, „Ausgezeichneter Wohnungsbau 2020“ und nun eben auch „Die schönsten Restaurants & Bars 2021“ nennen. Das ist insofern nichts Neues, kennt man das doch gerade auch in der Gastrobranche bei der jedes Jahr vermutlich ein gutes Dutzend „Köche des Jahres“ ausgerufen werden. Da die Übersicht zu wahren, wird immer mehr ein Gewaltakt, doch das soll nicht Thema sein.
Ein Verriss erster Güte
Vielmehr beschäftigt mich die typisch (unnötig) kryptische Kritik von Jürgen Dollase, der darin schreibt, dass das Buch „… vielleicht gar nicht erscheinen sollte…“. Grund dessen, so deute ich den hier aufgeführten Text, ist die These, dass die Inneneinrichtung keinen großen Einfluss auf die Qualität der gebotenen Speisen hat. Es wird darin empfohlen, solch einen Preis erst gar nicht auszurufen, sondern bereits bestehende Interieurs zu bewerten. Er führt in seiner Beurteilung als Begründung an, dass er nur begrenzt benennen könne, wie die Inneneinrichtung der besten erlebten Speisen seines Lebens gewesen waren. Exemplarisch wird dafür das „El Bulli“ mit seinem traditionellen und einfachen Einrichtungsstil angeführt. Ebenso war das NOMA für ihn recht simpel gestaltet, wenn gleich die Arbeit eines Innenarchitekten erkennbar war.
Nicht mehr aber auch nicht weniger. In Die besten Restaurants & Bars wird weder die These gestellt, dass die Inneneinrichtung auch nur im Geringsten etwas mit der erbrachten Leistung auf dem Porzellan oder im Service zu tun hat. Noch zieht man in dem Buch erkennbar den Schluss, dass die hier aufgeführten Lokale Restaurants der Spitzenklasse wären und aufgrund des gezeigten Designs entsprechende Anerkennung verdienen. Es geht hier einzig und alleine um erlebbares Design.
Ist Design in einem Restaurant wirklich so unwichtig?
Diese Frage zwängt sich natürlich in diesem Kontext auf. Ich denke, dass hängt ganz entscheidend davon ab, was genau man mit dem Restaurantbesuch verbindet. Gehe ich in ein Restaurant, der reinen Essensaufnahme wegen, dann ist die Antwort sicherlich sehr leicht zu beantworten. Doch ich vermute mal die wenigsten tun das.
Gehe ich zum Beispiel für ein Date- Dinner in das Restaurant Colette oder in die Villa Kellermann in Potsdam so liegt doch ganz klar auf der Hand, dass die Inneneinrichtung, das Ambiente, die Laufwege, die Polsterung, die Tischhöhe, der Ausblick, der Geruch, die Wahl des Bestecks, die Musik, einfach alles Einfluss auf einen gelungenen Abend haben.
Was bei einem Restaurant wie dem NOMA, wo sich mit Garantie sehr viele Gedanken über das Design gemacht worden sind, die schlichte Eleganz dominiert, kann bei der Villa Kellermann fast schon der Hang zum klassisch- traditionellem Hang mit gewissem Twist attestiert werden, was ja auch perfekt zu den Speisen passt, welche dort ihren Ursprung haben und modern durch den Chefkoch Christopher Wecker interpretiert werden. Bei beiden Restaurants wird nichts dem Zufall überlassen.
Übt Design einen Einfluss auf das Essen aus?
Übt dessen Design einen Einfluss auf die Qualität der Speisen aus? Vielleicht nicht unmittelbar. Doch sollte das Design beispielsweise schlecht ausgefallen sein und gewisse Funktionen nicht erfüllen, dann kann es schon sein, dass sogar die nicht funktionale Inneneinrichtung die Qualität der Speisen verändert. Denken wir an Konzepte, bei denen unnötige Laufwege es dem Service unmöglich machen, schnell und unverzüglich am Gast zu sein. Kaltes Essen wäre die Konsequenz. Was ist mit störenden Deko- Elementen, die vielleicht hier und da sogar Unfallrisiken bergen, dass erlebt man nicht allzu selten. Wirkt sich das auf das Essen aus? Vermutlich nicht, auf das Gesamterlebnis ganz sicher.
Ich denke, Jürgen Dollase begeht hier zwei Fehler. Zum einen bewertet er ein Buch über Design viel zu sehr aus der Perspektive eines Restaurantkritikers. Selbst der Guide Michelin lässt beispielsweise die Einrichtung des Gastraums, die Servicequalität oder Annehmlichkeiten wie Einparkpersonal nicht mit in die Wertung einfließen. Warum vermischt Herr Dollase in einem Designerbuch über Restaurant- und Bardesign hier die Themen. Ich denke, es kann natürlich ein Preis über die schönsten (was auch immer hier die Kriterien sein mögen) Restaurants und Bars geben, ohne dass solch eine Bewertung Schaden in der Gastronomie oder größer gedacht der Gesellschaft anrichten wird.
Ist die Trennung der kulinarischen Leistung und dem Innendesign bei einem Restauranterlebnis überhaupt so astrein umzusetzen?
Auf der anderen Seite frage ich mich ernsthaft, ob die hiesige Masse der Restaurantbesucher, ebenso klar die Trennung wie Jürgen Dollase vollzieht. Logischerweise besucht ein Restaurantkritiker schlicht und ergreifend das Lokal in erster Linie wegen des Essens. Es ist ja in diesem Moment auch sein Job, sich darauf zu konzentrieren, wenn er es denn bewerten mag.
Ich persönlich kann mich beim besten Willen nicht mehr daran erinnern, wann ich zuletzt ein Restaurant nur wegen des Essens aufgesucht habe. Es ist stets ein Zusammenspiel von mehren Faktoren, wie die Lust, gutes Essen und Getränke inmitten einer guten Gesellschaft mit herzlichem Service und nicht zuletzt auch einem ansprechenden Ambiente erleben zu können. Das kann je nach Veranstaltungslage ein einfaches Bistro, ein formelles Restaurant oder auch mal ein Designerkonzept sein. Alle sind dem Anlass entsprechend passend ausgestattet. Bei den besten Restauranterlebnissen kann ich mich entgegen J. Dollase freilich an das Innendesign erinnern und habe heute noch eine Vorstellung davon, wie zum Beispiel die Räumlichkeiten im Reinstoff in Berlin, im Central in Lima oder dem Stereo Cafe in München gewesen sind. Ich trenne das nicht so strikt.
Insofern ist die Kritik von J. Dollase einmal mehr für mich schwer nachvollziehbar. Doch wie finde ich das Buch an sich?
Inhalt von Die schönsten Restaurants & Bars
Der Aufbau des Buchs ist schnell erklärt und gestaltet sich denkbar einfach mit einem Vorwort, welches erklärt, wie dieser Preis entstanden ist und welche Funktionen erfüllt werden müssen, um diesen von der 7-köpfigen Jury zugeteilt zu bekommen. Danach schreitet man direkt zu den Gewinnern. Aus insgesamt 50 herausragenden, gastronomischen Interior- Design- Konzepten konnten sich drei Restaurants/ Bars/ Café & Bistros besonders hervorheben. Es gewann im Bereich der Restaurants den 1. Preis das Fuji Yama in Nürnberg, während das Blau in Stuttgart für die Jury als Gewinner im Segment der Bars am Ende feststand. Der Preis für das beste Bistro & Café geht an die Tankturm Gastwirtschaft in Heidelberg.
Das Buch Die schönsten Restaurants & Bars wäre ein sehr dünnes Buch, wenn lediglich diese drei Gewinner vorgestellt werden würden. Dem ist natürlich nicht so. Obendrein finden hier weitere 50 herausragende Konzepte ihr Podium.
Form follows Function
Jedes dieser Konzepte wird in einem ausführlichen Dossier hervorgehoben. Dabei kommen neben den Projektdetails über die Gastronomie, Fläche, Gastraum, Arbeitsfläche, Personen im Service, Anzahl der Sitzplätze und dem Standort freilich ein ausführlicher Text über das Designkonzept an sich zum Tragen. Eine umfangreiche Bildersammlung darf ebenso wenig fehlen, wie ein Raumplan, der zeigt, wie alles aufgeteilt ist.
So kann auch auf professioneller Ebene nachvollzogen werden, wie die gastronomische Arbeit in welchem Environment umgesetzt wird. Dabei finde ich den Ansatz, sogar die Mitarbeiteranzahl und Anzahl der Sitzplätze anzugeben, sehr interessant. Denn die Kunst bei der Innengestaltung von Gastronomien ist neben dem attraktiven Ambiente für die Gäste den Mitarbeitern einen möglichst effizient nutzbaren Arbeitsplatz zu bieten. Das darf bei aller Liebe zum Design eben nicht vergessen werden.
Aufbau und Gestaltung
Der Aufbau ist dabei gut durchdacht. Die Vorstellung der einzelnen gastronomischen Konzepte ist gut gestaltet. Lediglich die Schrift ist mir teilweise ein wenig zu groß geraten. Speziell die Einleitung wirkt für mich stark überdimensioniert. Der Druck und die Haptik sind von hochwertiger Qualität. Das Buch macht im Gesamten einen sehr guten Eindruck. Jedes Lokal wird in einer sehr ansehnlichen Weise vorgestellt. Über die kulinarische Ausrichtung bzw. Qualität wird so gut wie kein Wort verloren. Insofern maßt sich dieses Werk auch nicht an, in irgendeiner Weise ein kulinarischer Kompass zu sein.
Fazit über Die schönsten Restaurants & Bars
Es geht hier schlicht und ergreifend nur um Design von Gastronomien, wie sie teilweise unterschiedlicher kaum sein könnten. Der Titel beansprucht natürlich eine Wertung, die abschließend ganz sicher nicht zu treffen ist. Genauso wenig kann man auf anderen Ebenen einen „Besten Koch des Jahres“ hochfeiern, denn das ist ebenfalls kaum auszumachen. Doch muss man einen Buchtitel/Preis finden, der kurz und knapp darstellt, um was es eigentlich geht. Das ist, so denke ich, leicht nachzuvollziehen. Dem Konzept daraus einen Strick zu drehen, halte ich für zu kurz gedacht.
Diese „schönsten“ Orte wurden für meine Begriffe in einem sehr guten Buch umgesetzt, welches meine Ansprüche jedenfalls mehr als zufriedenstellen konnte. Ich würde mir wünschen, dass der Preis insbesondere Konzepte ehren würde, die besonders nachhaltig gebaut wurden. Zu erfahren, wie diese umgesetzt wurden, würde sicherlich eine Menge Leser bzw. Investoren neuer Konzepte interessieren. Nachhaltigkeit sollte beim Designen neuer Konzepte eine große Rolle spielen.