Mit dem Konzept, bei der Verarbeitung von Fischen dem „second cut“ mehr Aufmerksamkeit zu schenken, hat sich Josh Niland mit der Eröffnung des Restaurants Saint Peter eine sehr spezielle Nische zu eigen gemacht. Viele Köche fokussieren sich in diesen Tagen auf das ganzheitliche Konzept beim Verarbeiten von Fleisch, welches „Nose to tail“ oder bei den Pflanzen „Leaf to Roots“ genannt wird. Bei den Fischen würde daher die möglichst vollständige Verarbeitung von der Floss bis zur Kieme heißen. Das Buch Der ganze Fisch ist voll von kreativen Rezepten, welche eben genau diese Nachhaltigkeit offenbaren.
Der ganze Fisch
Josh Niland besitzt bereits sei 2016 sein eigenes Restaurant namens Saint Peter. Es ist nach einem der delikatesten Fisch dieses Planeten benannt, dem St. Pierre. Dieses Lokal liegt in Sydney und die Mission ist recht schnell auf den Punkt gebracht. Es geht darum, australische Meeresfrüchte aus nachhaltiger Herkunft zu präsentieren, sie fachmännisch zuzubereiten und schließlich dem Gast zu servieren.
Dabei wird eng mit den Fischern aus ganz Australien zusammengearbeitet, um schlichtweg nur die besten Meeresfrüchte zu beziehen. Gekauft werden dabei die Fische stets im Ganzen, damit sie später in der Fischmetzgerei unter dem Restaurant verarbeitet werden können. Es gibt Fischarten, die in maßgeschneiderten Kühlräumen trocken gereift werden.
Das geschieht, um den Eigengeschmack zu verstärken bzw. ihn zu intensivieren. Nebenbei wird auf diese Art die maximale Hautknusprigkeit erreicht. Für mich ist es das erste Mal, dass das Konzept des Dry Aging, welches ich so nur von der Fleischreifung her kenne, bei Fischen eingesetzt wird.
Dieser nachhaltige Ansatz und die daraus resultierende Wertschätzung für den australischen Fisch zeigt sich in der Verwendung des gesamten Fisches und je nach Möglichkeit auch der Innereien.
Saint Peter wurde mit Auszeichnungen überhäuft
Das Team um Josh Niland wurde in den letzten Jahren vor Corona mit Auszeichnungen überhäuft. Das Saint Peter kam 2019 auf die Shortlist der World Restaurant Awards in der Kategorie „Ethical Thinking“. Viele Foodmagazine und Bewertungsplattformen hoben das Schaffen von Josh samt Team auf die ersten Plätze.
Für den Gourmet Traveller, die Australian Financial Review, die GQ und das Timeout war er der Koch des Jahres. Somit konnte er sich der Aufmerksamkeit sicher sein. In diesem Rampenlicht kann natürlich viel besser eine Diskussion über die Nachhaltigkeit und den zeitgemäßen Umgang mit Fisch geführt werden.
Kein normales Buch über Fisch
Josh ist davon überzeugt, dass es bereits viele Bücher mit Fischrezepten auf dem Markt gibt. Sein Wunsch ist es, mit diesem Buch dem Leser das zu vermitteln, was er selbst über die Zubereitung von Fisch erlernt hat.
Die Philosophie der minimalen Verschwendung und maximaler Geschmack spielt bei Josh dabei eine übergeordnete Rolle. Zwei Konzepte helfen ihm dabei: Die Verarbeitung des ganzen Fisches und das Reifen von Fisch (Dry Aging).
Die Einleitung gibt darüber Auskunft, was genau unter diesen beiden Begriffen zu verstehen ist. Aufbereitet wird das alles in einem sehr umfangreichen Wissensteil, der sich über ca. 60 Seiten erstreckt. Dieser große Teil gibt darüber Aufschluss, was alles so wichtig im Umgang mit Fisch ist.
Der Rezeptteil
Der Theorie folgt dann logischerweise die Umsetzung in Form von Rezepten. Dieser Teil ist untergliedert in fünf Kapiteln, die „Roh, gepökelt und eingelegt“, „Pochiert“, „Gebraten & frittiert“, „Gegrillt“ und „Im Backofen gegart“ lauten.
Es gibt so einige Bücher, die obwohl der Teller recht komplex wirkt, mit den Informationen bei der Zubereitung nur so geizen. Hier ist es komplett anders herum. Die Teller wirken reduziert und aufgeräumt. Die Zubereitung jedoch lässt etwas anderes vermuten. Beispielsweise beim „Rohen Red Snapper, grüne Mandeln, Feigenblätter und Garum“ kann man das sehr gut erkennen.
Neben einem ausführlichen Absatz, welcher die Zusammensetzung und den Fisch ein wenig erklärt, erhält der Leser Zugriff auf die Zutatenliste samt alternative Fischsorten und eine sehr umfangreiche Beschreibung, wie dieses Gericht zubereitet wird.
Saint Peter ist ein nicht an Profis gerichtetes Kochbuch
Entgegen der Meinung, dass nun solch eine sehr detaillierte Beschreibung folglich, dass die Zubereitung zu Hause nicht möglich sei, tauscht. Denn genau dieser Ansatz, dem Leser möglichst viel an Informationen an die Hand zu geben, versetzt ihn gleichzeitig in die Lage, genau das Wissen auch in die Tat umzusetzen. Was nämlich auf den ersten Blick nicht nachkochbar erscheint, wird spätestens beim zweiten Versuch viel einfacher umzusetzen sein.
Vielseitige Rezepte à la Leberpastete oder Speck vom Fisch
So zum Beispiel der panierte Hornhecht mit Joghurt Sauce- Tatar und Kräutersalat. Oder etwa die spanische Makrele mit Aubergine und XO- Sauce. Bei diesem Gericht wird die Aubergine zusammen mit Spinatblättern als Beilage gereicht und mit der XO- Sauce getoppt. Die XO- Sauce ist eine Sauce aus Fischinnereien, welche einen sehr hohen Umami- Geschmack aufweist.
Aus der Leber des Petersfischs zaubert Josh eine Leberpastete und unterstreicht die Art der vollumfänglichen Verwertung auf sehr spannende Weise.
Der Zackenbarsch hat ebenfalls tolle Leberwerte vorzuweisen und daher spricht also nichts dagegen, eine gebratene Zackenbarschleber & Petersilie auf lockerem Sauerteigbrot anzurichten.
Englische Muffins mit Spiegelei und Speck vom Schwertfisch sind somit auch kein Problem mehr, vorausgesetzt man schaut sich vorher das Rezept zum Pökeln von Schwertfisch an. Denn dieses versetzt den Leser in die Lage, das Filet dieses Fisches erstens haltbar und zweitens intensiver zu gestalten.
Fischfilet Wellington
Ich weiß nicht, was es eigentlich auf sich hat, dass der Klassiker Beef Wellington in diesen Monaten wieder so populär geworden ist. Vermutlich gab die Marketingabteilung der hiesigen Blätterteigindustrie den Ton an und hat dieses Gericht in alle Kanäle gepusht.
Jedenfalls ist das einer der sich stark wiederholenden Stunts in der Gastronomie als auch Hobbykochszene der letzten Zeit. Josh bietet eine Version mit einem Kern aus Meerforellenfilet an. Wie auch bei der klassischen Originalversion wird dieses in eine Pilzfüllung gewickelt, jedoch kommen zudem noch gekochte Linsen hinzu. Der Spinat wird mit Noriblättern ersetzt. Auf dem ersten Blick ist kaum ein Unterschied auszumachen, nur wer genau hinsieht, erkennt, dass sich in diesem knusprig gebackenen Blätterteig ein Fischfilet verbirgt. Chapeau!
Photographie und Aufmachung
Das Buch Der ganze Fisch wurde vom Prestel Verlag für den deutschen Buchmarkt lizensiert. Die deutsche Version ist sehr gut gelungen, wie ich finde. Der Aufbau ist trotz der hohen Textmenge immer noch übersichtlich und klar strukturiert. Die Seiten haben eine angenehme Griffigkeit. Besonders stark ist in meinen Augen die Photographie, welche natürlich und geerdet die Speisen auf eine herrliche Natürlichkeit wiedergeben.
Für wen ist das Buch?
Eigentlich für so viele Kochbegeisterte wie nur möglich. Denn gerade die Fischzubereitung ist im eigentlichen Sinne kein Hexenwerk. Wer sich ein wenig mit der Materie und den Garmethoden befasst, wird schnell merken, dass sich hier und da vieles wiederholt. Somit würde ich zwar den Grad der gezeigten Speisen als gehoben aber dennoch nicht als unerreichbar einstufen.
Das ist ganz klar ein Buch für zuhause. Sicherlich verfolgt es ebenfalls den Anspruch, gut genug für die professionelle Zunft zu sein, doch würde ich hier ganz klar davon absehen, dass das ein Buch nur für Profis ist.
Fazit von Der ganze Fisch
So bleibt mir abschließend noch, das Resümee des Buchs Der ganze Fisch zu ziehen und das ist durchweg positiv. Es gibt viele Bücher, welche sich mit den Praktiken der Fischzubereitung auseinandersetzen. Dort wo diese eher klassischen Fischbücher aufhören fängt Josh Niland mit seinem Content an. Er zeigt, was alles so mit den „Nebenprodukten“ möglich ist, ohne dabei allzu verstörende Dishes hervorzubringen.
Die Bildsprache ist extrem „mouthwatering“. Die Rezepte sind sauber aufbereitet. Für Ostern ist das mit Garantie ein großartiges Geschenk an alle, welche schon immer mit dem Gedanken gespielt haben, Essen aus Teilen des Fisches abseits der Filets zu zaubern.
Nebenbei ist mir der Prestel Verlag sehr positiv in Erscheinung getreten. Für mich war nicht klar, dass dieser Verlag hochwertige Kochbücher auf den Markt bringt. Ich werde da öfter mal vorbeischauen.