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ie Entscheidung vom Guide Michelin das Jahr 2021 auf die Art zu bewerten, als gäbe es keine Pandemie, ist nicht motivierend sondern in erster Linie schädigend. Es beschädigt die abgewerteten Gastronomen. Es beschädigt vor allen Dingen auch das Image des Guide Michelin selbst. In normalen Jahren wurde es als kaum realistisch angesehen, dass all die 637 Restaurants von den 12 Inspektoren getestet werden können. Einige sogar mehrere Male. Wie das in der Pandemie funktionieren soll, muss man mir mal erklären. Auch gibt es Vertreter, welche gerade mal einen Monat geöffnet haben und bereits einen Stern erhielten. Wie geht das mit irgendwelchen Standards zusammen?
Es ist einfach nicht begreiflich und schon lange nicht mehr komisch. Als bereits die Pressemitteilung herausgegangen ist, dass der Guide Michelin auch dieses Jahr einen Führer mit den Sternebewertungen herausbringen wird, habe ich innerlich mit Kopfschütteln reagiert. Ich fragte mich, auf welcher Basis man die Konzepte beurteilen mag, wenn man schon zu normalen Zeiten mit der sehr limitierten Anzahl von 12 Inspektoren die aktuell 637 Restaurants wiederholt testen möchte, um zu einem Entschluss kommen zu können, der ansatzweise realistisch erscheint. Das ist mit einem normal sterblichen Tester wohl nur schwer hinzubekommen. Insofern habe ich wirklich eher mit einer symbolischen Veranstaltung gerechnet.
Der Guide Michelin
schafft nicht
nachvollziehbare Standards
Als dann der erste Paukenschlag erklang, war schnell klar, dass man dieses Jahr wirklich ernst macht. Das 3- Sterne- Restaurant von Klaus Erfort verlor die Bestbewertung und startet nun mit 2 Sternen aus dem Lockdown heraus. Man begründet die Wegnahme damit, dass gerade in diesen Sphären der Küchenchef vorgewarnt wird und es in der Regel eine Entwicklung von mehreren Jahren widerspiegelt. Das liest sich für mich schlüssig, dennoch frage ich mich, wie man denn getestet haben will. Denn jeder weiß, dass ein Platz im Restaurant, gerade in den 3 Sterne- Lokationen oft auch mit langer Reservierungsdauer einhergeht. In Zeiten eines Lockdowns haben die meisten Restaurants es mit den Abstandsregeln und all den wirtschaftlichen Maßnahmen geschafft, lediglich ca. 50 % des Restaurants mit Plätzen zu öffnen.
Auch gab es viel mehr Schließtage als zuvor, da ebenfalls die Kostenfrage in der Pandemie mit mehr Schließtagen beantwortet wurde. Insofern wurde die Reservierungslage ganz sicher bei nicht wenigen Restaurants dieser Klasse noch einmal verschärft. Wie soll dann ein Tester in der kürzeren Öffnungszeit mit zwei Lockdowns über mehreren Monate hinweg in der Lage gewesen sein, wenigstens zwei Mal einen Tisch zu bekommen? Das frage ich mich ernsthaft. Glaubhaft konnte mir das in dem Livestream am Freitag auch keiner beantworten.
Als gäbe es die Pandemie nicht.
Nun gut. Das mit dem Restaurant von Klaus Erfort mag vielleicht eine Sache für sich sein. Gerne schenke ich dem Fakt Glauben, dass sich das über mehrere Monate und Jahre hinweg entwickelt habe und man daher nun einen Strich ziehen musste. In Zeiten der Pandemie, wo man auf einmal mit Kostenmanagement konfrontiert wird, welches nicht selten das Gesamtkonzept infrage stellt, halte ich es für enorm herausfordernd, gerade für diese Art der Gastronomie, überhaupt zu exisitieren. Es gab unzählige Restaurants, die innerhalb der Sternegastro dicht gemacht haben.
Das ist bekanntlich vor allen Dingen auf Corona zurückzuführen. Dass dann die zugesagten Hilfen spät und erst Stück für Stück ausgezahlt wurden, ist da wenig motivierend und aufbauend. Wenn dann aber in dieser absoluten Ausnahmesituation, in der wir Köche auch enorm viel Fluktuation der Mitarbeiter sehen, so getan wird, als wäre alles beim Alten, ist für mich nicht motivierend sondern enorm destruktiv. Es zerstört die Gastro in ihren Grundfesten, wenn der bewertende Inspektor von seinen Prinzipien nicht absehen kann und meint eine Bewertung auch in diesem Jahr abgeben zu müssen.
Juroren mit dem fehlenden Gespür
Ich hatte einen nicht vergleichbaren aber dennoch nicht weniger sinnfreien Fall erlebt, als in der Tat am 1.1. eines Jahres der Tester hineinkam und den Service am Abend so bewertete, als gäbe es den 31.12. zuvor nicht. Bekanntlich hat am letzten Tag des Jahres die Gastro voll aufgedreht, auch bei uns. Logischerweise fuhren wir mit einer reduzierten Aufstellung und nicht wenigen Krankmeldungen (wie jedes Jahr) auf.
Dennoch gaben wir unser Möglichstes. Doch das war für den Tester kein Grund, uns nicht im vollen Umfang zu testen. Klar zeigten wir Schwächen. Für mich und das gesamte Team war es ein Unding, da der darauffolgende Artikel uns ordentlich geschadet hat. Auch hier sehe ich eine Verantwortung bei den Juroren, mal Milde walten zu lassen. Aber das ist eine andere Geschichte.
Ein Stern geht ans Faelt? Bitte was?
Ganz besonders sticht mir bei allen Bewertungen eine ins Auge. Das Restaurant FAELT in Berlin wurde in der Ausgabe nach der Neueröffnung mit einem Stern geadelt. Ich möchte vorab anmerken, dass ich noch nie im FAELT gegessen und auch keine Ahnung von dem Handwerk des Küchenchefs Björn Swanson habe. Ich bewerte es nicht, freue mich sogar, wenn er diese Auszeichnung nun erhalten hat, wenngleich es absolut nicht nachvollziehbar ist, wie er dazu kommen konnte. Denn dieses FAELT Restaurant hat seine Pforten am 1. Oktober 2020 geöffnet. Der Lockdown für die Restaurants hat in Berlin am 2. November zugeschlagen.
Alle Restaurants wurden geschlossen. So reichten den Juroren beim Guide Michelin also lediglich 1 maximal 1,5 Monate (bei 2 Schließtagen in der Woche sind das maximal 30 geöffnete Tage) aus, um zu bescheinigen, dass dieses Restaurant in der Lage ist, das konstant hohe Niveau über einen längeren Zeitraum darzustellen. Das ist in meinen Augen Wettbewerbsverzerrung.
Wenn ich mich recht erinnere, gab es mal beim Gault & Millau die jährliche Grenze, welche auf den 31. August datiert war, damit man noch in den neuen Führer aufgenommen werden konnte. Das ist nachvollziehbar und vor allen Dingen sinnvoll, gerade wenn es um das Abbilden einer gleichbleibenden Leistung geht. Behandelt man hier alle Restaurants gleich, wenn einige bereits nach 2,5 Monaten Service in den Führer schon aufgenommen werden? Wie geht das denn in diesem Fall zusammen?
Unterstützung sieht anders aus
Wenn die Maßstäbe der Bewertung für Gastronomen und Gäste so undurchsichtig und nicht nachvollziehbar sind, wie es der Guide Michelin zu Tage kommen lässt, wird sich dieser Führer hier mehr und mehr selbst Schaden zufügen und die einst sehr angesehene Sternebewertung an Wert verlieren. Der Gault & Millau ist für mich längst nicht mehr so wichtig wie früher, der Guide Michelin ist auf besten Wege dahin. Ich neige immer mehr der Schwarmintelligenz à la Google zu folgen. Denn hier ist sicherlich der einzelne Gast nicht zwingend ein Maßstab, doch sind erstmal genügend Bewertungen eingegangen, kann man sich schon ein sehr genaues Bild auf die Lage machen – in Echtzeit.
Dieser Beitrag spricht mir aus der Seele. Ich möchte nur Google als Bewertungsmaßtab einschränken wollen.
Google mag als Plattform vielleicht nicht jedem gefallen. Doch je mehr Leute bewerten, umso besser das finale Resultat und aussagekräftig die Bewertung. Denn die Masse kann einzelne Ausreisser egalisieren und final steht dann ein sehr schlüssiges Ergebnis da, wenn 2450 Leute Bewertungen abgegeben haben. Da kann man sich in der Regel schon drauf verlassen.
Auch die Vergabe des Grünen Sterns ist nicht nachvollziehbar…
Jap grüner Stern sponsored by Nestle… der größte Witz aller Zeiten
Nestlé kann sicherlich machen, was sie wollen. Da wird es immer Ärger geben, was ich fragwürdig finde. Wenn ein Unternehmen sich für die Umwelt stark macht, kann es per se nicht schlecht sein. Wenn es beiträgt, die Lage zu verbessern, ist mir die Company gleich.
Das sehe ich auch so. Da muss man mal nachhaken.
Hello Steffen, I would like to say I do agree with you. It is very hard for me to see how the green star and how a new open restaurant, just been open for 1 month can be awarded a star.
One of the Michelin’s core values, which is found in their homepage is:
“Reliability – the different categories awarded by the guide are never just the result of one person’s judgment, they are formed by a collective decision which is the result of a long process”
Source: Guide Michelin’s homepage
This make me very doubtful about the star awarded to faelt that was just open 1 month. For me a star is something you need to earn, when in this case it seems like it was a 100% PR stunt from the Michelin guide.
Another act of misusing the guides power and influence was to send out pretty personalized emails directly to the Headchef’s apologizing that no real gala could be arranged, instead the Headchef in question was invited personally to the digital gala online. This even if no rewards was given.
Another very mean PR trick to get clicks and attention.
The Michelin Guide is doing what they want, they play with their own rules and these stars and it’s getting more clear for each year. It’s pure business with manipulating business strategies to get followers, clicks and influence.
I’m a Headchef and have a long experience in Michelin restaurants, I’ve seen a lot weird things the guide have done. But this is the most extreme I’ve experienced.
Thank you for writing
Hello mysterious headchef 🙂
Thank you for your very good comment. There is no need to put one more word. Those examples are just showing what you mentioned here and in my opinion this is the reason why I don’t have trust in the guide anymore.