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ag für Tag lesen wir, dass ein neuer je gemessener Höchststand der Coronainfektionen gemessen wurde. Das ist bedauerlich und dem Einhalt zu gebieten ist auch unter uns Gastronomen oberstes Prinzip, um zu gewährleisten, dass wir auch morgen noch den Laden aufsperren können. Marie- Anne Raue fordert eine Zertifizierung für hygienisch sichere Restaurants. Konzepte, die sich daran halten und obendrein mehr tun, sollen länger als andere Restaurants geöffnet haben dürfen. Ich bin stattdessen eher für eine alternative Methode, denn solch ein Corona Zertifikat gibt es bereits.
Marie- Anne Raue, Gastgeberin im Restaurant Tim Raue, wünscht sich ein Zertifizierungssystem, welches Hygiene- Standards und Sicherheitsmaßnahmen in der Gastronomie prüft und solche dann entsprechend ausweist. Ziel soll sein, dass Konzepte, wie ihr Zwei- Sterne Restaurant „Tim Raue„, welches alle geforderten Maßnahmen umsetzt und darüber hinaus noch weitere trifft, länger geöffnet bleiben sollen. Sie ist von diesem Ansatz überzeugt, denn:
Mehr Durchblick
für die Gäste
Das publizierte sie in einem Instagram- Beitrag. „Sie sind fester Bestandteil unseres Alltags. Gerade deshalb haben wir in den letzten Monaten auch noch einmal aufgerüstet – inzwischen setzen viele von uns sogar deutlich höhere Standards um, als eigentlich von uns gefordert wird.“
Credit: Nils Hasenau
Mehr Durchblick für den Kunden
Sie ist der festen Überzeugung, dass durch solch ein Corona Zertifikat auch die Infektionsgefahr minimiert werden kann, da die Menschen kontrolliert in Gesellschaft sind und so private Zusammenkünfte mit mangelndem Hygienekonzept vermieden werden können.
Warum das vielleicht nicht umsetzbar sein dürfte
Sicherlich geht der Ansatz der transparenten Kommunikation, wie es um die Hygiene in den Restaurants bestellt ist, in die richtige Richtung.
Denn diese Regeln müssen zwingend eingehalten werden, ohne sie würden wir die Gesundheit unserer Mitarbeiter als auch unsere eigene gefährden.
Dennoch halte ich solch ein Zertifizierungssystem, welches als Basis recht dynamisch verhängte Verordnungen vorsieht, für schwer bis nicht umsetzbar, da die Regeln zu häufig geändert werden. Da den Überblick zu behalten ist schwer möglich, weil zum Beispiel gerade in dieser Woche Verordnungen der Reihe nach aufgestellt und von Gerichten gekippt worden sind.
Wer soll dann darüber entscheiden, welches Restaurant nach welchen Maßnahmen länger geöffnet haben darf oder nicht? Welche zusätzlichen Maßnahmen sind ausreichend?
Ist das nicht wettbewerbsverzerrend, wenn man dann 23 Uhr schließen muss, wenn andere Lokale nicht dicht machen? Bekommen demzufolge Restaurants, welche nicht gegen die Auflagen verstoßen, mit einem schlechteren Image benachteiligt werden, weil sie freiwillig aber ohne Not nicht mehr tun? Ich halte das gerechte Abwägen hier für nur schwer möglich, ohne dabei gegen die Grundsätze der freien Marktwirtschaft zu verstoßen, wenn ein Betreiber sich nicht in der Lage sieht, mehr Leistungen als für ein Corona Zertifikat notwendig sind zu erfüllen.
Wie soll diese Evaluation umgesetzt werden? In welchem Zeitraum wäre das dann noch sinnvoll?
In Berlin gibt es über 5.000 Restaurants, Bars, Kneipen und Cafés. In welchem geeigneten Zeitrahmen sollen jetzt all diese Konzepte im Idealfall gleich zweimal getestet und dessen Hygieneumsetzung bewertet werden? Mit welchem Personal, wenn schon jetzt Berlin komplett überlastet ist? Solch eine Beurteilung müsste ja für alle gleichzeitig und zeitnah erfolgen.
Es gibt bereits solche Zertifizierungen
Außerdem gibt es bereits solche Zertifikate, man muss diese nur selbst bezahlen. Das Fresenius Institut beispielsweise prüft die Maßnahmen vor Ort und stellt dann solch eine Zertifikat aus. Das konnte man bereits seit Juni durchführen. Die Kosten dafür trägt das Restaurant selbst. Die Kommunikation nach außen wird dann ebenfalls vom Betreiber durchgeführt werden müssen.
Konsequente Verfolgung
Wohingegen ich sehr stark dafür bin, ist die viel konsequentere Verfolgung von den schwarzen Schafen in der Gastronomie. Bereits heute kann jeder beim Ordnungsamt Versäumnisse anmelden. Diese Versäumnisse sollten dann aber auch in Strafzahlungen übergehen, sollte sich der Verdacht nachweisen lassen. Denn wie kürzlich berichtet wurde, hat Berlin Mitte in den Monaten Juni, Juli und August keinen einzigen Euro an Strafzahlungen an Restaurants verhängt, die gegen die Maßnahmen verstoßen haben.
Man sieht, der Bezirk kommt ohnehin schon nicht hinterher, die Maßnahmen zu ahnden. Ein zusätzliches Zertifizierungssystem wurde Kapazitäten an Kontrolleuren und Beamten nach sich ziehen, die wir schon jetzt nicht haben. Normale Hygienekontrollen finden schon jetzt nicht bzw. unzureichend statt. Insofern würde das System noch mehr künstlich aufgeblasen werden, wohingegen ein Mehrwert durch noch mehr Hygiene einfach nicht stattfindet, da es keinen Beamten gibt, der Strafen verhängt bzw. vollstreckt.
Schwarmintelligienz rules
Ich hingegen tendiere eher für den Einsatz der Schwarmintelligenz. Wie man zum Beispiel anhand von Google- Bewertungen sehen kann, sind gute Lokale auch ab einer bestimmten Anzahl von Bewertungen mit eben diesem Rating ausgezeichnet. Starke Schwankungen gibt es zumeist nur bei Betrieben mit 100 oder weniger Einträgen. Ich bin längst dazu übergegangen, Restaurants, die ich besuche auch unter dem Hygienegesichtspunkt zu beurteilen und Verfehlungen bei der Hygiene mit einer Abwertung zu versehen.
Das ist ein „Zertifikat“ durch den Kunden in Echtzeit. Denn solch eine transparenten Darstellung kann als Belohnung oder auch Bestrafung für den Betrieb bedeuten, der die Situation entweder ernst oder nicht allzu ernst nimmt. Für mich ist dadurch eine stets und ständige Hygieneprüfung durch den Gast, der sehr wohl erkennen kann, ob Abstände eingehalten, Masken getragen oder die Kontaktdaten zur Nachverfolgung aufgenommen worden sind.
Fazit
Die Vorschläge von Marie- Anne Raue mit solch einem Corona Zertifikat aufzuwarten gehen für mich ganz klar in die richtige Richtung, wenngleich Konzepte dafür bereits angeboten werden. Sie müssen nur selbst finanziert werden. Ein Belohnungssystem für übererfüllende Betreiber sehe ich als problematisch an, da nicht jeder aus den gleichen Mitteln schöpft und die Chancengleichheit irgendwo auch gewahrt werden muss. Ganz klar ist, Übeltäter müssen bestraft und im Zweifel vom Markt genommen werden. Denn hier spielen sie nicht nur mit ihrer eigenen Existenz. Da sollte man nun wirklich langsam mal die Strafenkataloge umsetzen.