Das Reisen wird wohl eine der Freiheiten sein, die wir für einige Zeit besser noch vorsichtig genießen sollten. Zu hoch ist derzeit das Risiko, sich einer unangemessenen Gefahr auszuliefern. Wie gut passt es doch da ins Konzept, wenn man von zu Hause aus einen kleinen Urlaub vollziehen kann, sei es auch nur im Kopf. Das Buch Zu Gast auf Mallorca hilft genau dabei. Es ist nicht nur ein Kochbuch über die dort feilgebotene Art des Kochens sondern ebenfalls eine kleine Zuflucht aus dem Corona Alltag hierzulande.
Back to the roots • Zu Gast auf Mallorca
Mallorca hat viele Gesichter. Es gibt die hoch frequentierten touristischen Gebiete, die man sicherlich nicht besucht, wenn man entspannen mag. Mallorca hat zum Glück genügend ruhige Naturschönheiten. Zum Beispiel hochalpine Gebirgszüge im Süden, welche ganz in der Nähe vom weiten Flachland liegen und so auf kleiner Fläche die höchst diverse Formen Mallorcas offenbaren. Genauso wie die Natur zeigt sich seit ein paar Jahren eine wechselhafte Foodszene auf der Insel. Immer mehr hat sich auf diesem kleinen Fleckchen Erde eine kreative, mediterrane Küche entwickelt, die auf hohem Niveau aufkocht. Dabei spielen die tief verwurzelten Traditionen eine große Rolle.
Thomas Niederste-Werbeck führt den Leser über die Insel
Thomas Niederste-Werbeck ist ein Kenner der Insel. Er lebt auf Mallorca, war zudem Kreativdirektor und zeigt seine favorisierten Locations der Insel. In Zu Gast auf Mallorca zeigt er neben den felsigen Regionen, schorfigen Gipfeln und kurvigen Serpentinen ebenfalls die kulinarische Seite Mallorcas auf.
Zusammen mit Thomas vollzieht der Leser quasi eine Rundreise entlang der West-, Süd-, Ost- und Nordküste sowie der Inselmitte. Auf mehreren Doppelseiten bekommen ausgesuchte Restaurants ein Podium, um ihre Philosophie und einige Gerichte mitzuteilen. Mehrere Doppelseiten füllen die Inhalte der jeweiligen Locations. Den Start macht zum Beispiel das „El Olivio und Café Miró“ im Belmondo La Residencia ind Deià.
Dessen vielfach prämierter Küchenchef Guillermo Méndez vereint mallorquinische, mediterrane und internationale Küche. Das El Olivo hat bereits mehrere Besitzer kommen und gehen sehen, doch er ist seit Beginn geblieben und er gilt als einer der besten Köche Spaniens. Zutaten wie Aprikosen, Zitrusfrüchte, Granatäpfel oder Feigen kommen aus seinem Garten. Seine Klassiker sind ein Lammkarree oder die auf Salz gegarten Garnelen aus Port de Sôller.
Entlang der Südküste
Ziemlich modern und ein wenig mehr fancy geht es im La Fortaleza im Hotel Cap Rockt zu. Dieses Luxushotel findet sich in historischen Gemäuern wieder. 20 km südöstlich von Palma findet man hier ein 5- Sterne Hotel mit 24 Suiten, einem Salzwasser Pool und einem Gourmettempel, welcher unter dem Zepter von Küchenchef Victor Garcia geführt wird. Authentisch, mallorcinische Küche soll auch hier Programm sein.
Natürlich ist alles ein wenig filigraner und präziser als man es vielleicht woanders auf der Insel erwarten würde. So gibt es hier Rezepte und Bilder vom klassischen Geschmacksakkord Garnele, Erbse und Minze. Aber auch eine Nachspeise wird feilgeboten. Es ist ein Johannisbrot mit Schokolade. Alles ist sehr modern angerichtet und gekonnt in Szene gesetzt.
Entlang der Ostküste
Familiärer geht es an der Ostküste Mallorcas zu. Dort findet sich im Hotel Son Gener das Restaurant der Köchin Josefa, welche alle Zutaten, die ihr dorthin gebracht werden, in wundervolle Speisen verwandelt. Sehr beliebt ist dabei ihr berühmter Fischeintopf, welcher auf den weiß eingedeckten Tischen unter den prächtigen Bougainvilleen eingesetzt werden. Wie an einer langen Familientafel bedient sich der Gast selbst. Wer hier speisen mag, muss jedoch selbst zu Gast in diesem Hotel sein. Die kleine Residenz mit gerade mal 15 Suiten verteilt sich auf zwei Gebäude. Im Baustil des traditionellen Mallorcas kann sich der Gast hier sehr willkommen fühlen.
Josefa teilt mit dem Leser das Rezept der Erbsencreme mit pochiertem Ei und Sobrasada und den Fischeintopf vom Seeteufel mit Hummer und Garnelen. Ihr Dessert ist ein eigentlich eher italienisches Gericht. Sie offeriert ein Tiramisu mit viel Mascarpone und Kakao.
Aufbau
Der Aufbau des Buches orientiert sich stets an der Region über die berichtet wird. Auf den jeweiligen Seiten erfährt der Leser ein wenig Informationen über das Haus und die Besitzer sowie optische Eindrücke der Räumlichkeiten. Zu Gast auf Mallorca könnte letztlich ebenso als Inspirationsquelle für den nächsten Urlaub auf der Insel dienen, würde es im eigentlichen Sinne nicht doch ein Kochbuch sein. Und solch ein Buch besteht freilich auch aus Rezepten.
Diese sind ordentlich strukturiert und aufgemacht. Das spanische Küche eine Herzensangelegenheit ist und viel aus dem Bauch heraus geschieht, kann man hier und da an den Rezepten erkennen. Dort fehlen teilweise die Mengenangaben, wenn zum Beispiel ein Dressing aus Limettensaft und Olivenöl zubereitet werden soll oder man „1 Paket Fetakäse“ in den Zutaten findet. Ebenfalls haben sich hier und da kleine Flüchtigkeitsfehler eingeschlichen.
Das findet in jedem Kochbuch statt, hier jedoch ein wenig mehr. So wird bei Flüssigkeiten ständig zwischen g und ml hin- und hergewechselt, teilweise in einem Rezept. Auch finden sich viele Tippfehler, was ich normalerweise nicht von Callwey gewohnt bin. Aber ganz sicher ändert das nichts an den sehr sehenswerten Gerichten.
Fotografie
Die Fotografie kann man leicht mit der mallorquinischen Küche und auch der Region verbinden. Helle, kontrastreiche, farbenfrohe Fotografie geben die Gerichte in diesem für die Insel typischen Flair wieder. Das Blättern durch das Buch bereitet Spaß und macht Laune, die Rezepte auszuprobieren.
Fazit über Zu Gast auf Mallorca
Das Buch „Zu Gast auf Mallorca“ bietet einen schönen Eindruck davon, was mallorquinischen Küche derzeit ist. Diese Momentaufnahme zeigt neben den Gerichten ebenso die vielen Gastgeber dieser Mittelmeerinsel und deren ganz eigene Vorstellung davon, was authentische Küche bedeutet. Das ist selbst auf so einer überschaubaren Insel, wie Mallorca eine ist, höchst divers. Ich kann dieses Buch nur empfehlen, erlaubt es dem Leser nämlich, ein wenig aus dem Alltag abzutauchen und sich den wirklich schönen Dingen des Lebens zu widmen: Reisen, gutes Essen und das Meer.