Wenn der bequeme Hobbykoch seine Knorr- Tüte nun unter einem anderen Buchstaben suchen muss, weil die Zigeunersauce von Knorr bald anders heißt, dann ist die Empörung derzeit offensichtlich sehr hoch. Gleiches hatten wir zuletzt bei der Umbenennung des Negerkusses a.k.a. Mohrenkopf erleben können. Noch immer kann man hier und dort Stimmen hören, die es einfach nicht begreifen wollen und diese Entscheidung als massiven Einschnitt in ihre Freiheiten begreifen. Warum dieser Alltagsrassismus so gefährlich ist, versuche ich heute in ein zwei Beispielen zu erklären.
Knorr und das Ding mit der Zigeunersauce und dem Rassismus
Kürzlich hatte sich der Konzern Unilever endlich dazu durchringen können, seine Zigeunersauce umzubenennen. Schon seit 2013 schwelt nun diese Diskussion und damals lehnte der Konzern das noch ab. Da in diesen Tagen durch die „Black Lives Matter“ Bewegung wieder Bewegung in die Sache gekommen ist, vollzieht man bei der Marke Knorr und dessen Tütenprodukt Zigeunersauce endlich diesen Marketingstunt, welchen andere Unternehmen längst nachgegangen sind.
Der Begriff „Mohr“ wird ebenfalls diskutiert
In vielen Marketing- Agenturen laufen nun die Drähte heiß. Lange hatte man Zeit, sich dem Thema zu widmen und Änderungen in Gang zu bringen. Erst seit dem Tod von George Floyde scheint der Stein wieder ins Rollen zu kommen. In Österreich wurde heftige Kritik geübt, dass die Vorarlberger Mohrenbrauerei ihr Bier mit einem schwarzen Kopf bewirbt. Der Gegenwind war so heftig, dass Social- Media- Accounts still gelegt wurden und man nun einen Marekenprozess ankündigte.
Sogenannte „Mohrenköpfe“ der Marke Richterich warf die Schweizer Einzelhandelsgruppe Manor komplett aus dem Programm.
Hierzulande ist man immer noch stark am Diskutieren bevor man sich Änderungen hingibt. In Berlin entbrannte ein Streit um die Mohrenstraße. Dessen Haltestelle wird von der BVG kurzerhand umbenannt, jedoch werden die Anrainer der Straße erst noch befragt, inwiefern diese Umbenennung auch für die Straße umgesetzt werden kann.
Das Hotel „Drei Mohren“ in Augsburg war ebenfalls ins Visier geraten. Bereits seit 2018 beschwerten sich Kritiker, dass der Name rassistisch geprägt sei. Die Amnesty Jugendgruppe Augsburg hatte in einer Petition die Umbenennung in Hotel „Drei Möhren“ gefordert. Die Leitung hat nun aufgrund der Black Lives Matter Bewegung reagiert und benennt das Hotel in „Maximilian’s“ um. Die drei Köpfe an der Fassade bleiben erhalten.
Natürlich scharen sich sofort die Trolls und entwickeln wüste Verschwörungstheorien. Das ganze „sei ein Anschlag auf die Demokratie“ oder „ein weiteres Beispiel für die übermoralisierende Gesellschaft“. Autoren solcher Kommentare liefern oft die Erklärung, warum für sie diese Begrifflichkeit nicht herabwürdigend ist frei Haus. Gerade mit Blick auf Umbenennung der Zigeunersauce wird das sehr deutlich.
Für mich ist es einfach ein leckeres Essen
Sicherlich kann ich es verstehen, wenn Konsumenten, welche bisher dieses Gericht unter dem Namen Zigeunerschnitzel genossen haben, nicht per se vorhatten, damit Minderheiten zu degradieren. Da fehlte vielleicht das Bewusstsein dafür. Da sich diese Diskussion nun schon längerem hinzieht, denke ich schon, dass man so langsam mal in die Gänge kommen könnte.
Wer derart stark die Augen vor der tatsächlichen Realität verschließt, hat vermutlich ein paar Tütensuppen zu viel konsumiert oder dem fehlt einfach das Hintergrundwissen. Denn faktisch ist der Alltagsrassismus auch in Bereichen der Gastro nach wie vor auf dem Vormarsch. Ich möchte jetzt nicht nachfragen, wieviel farbige Küchenchefs es in Deutschland gibt. Auch ist mir klar, dass die bloße Umbenennungen von Markennamen überhaupt nichts bringt, wenn in den Köpfen der Knorr-Fans das Verständnis über die Konsequenzen im Alltag nicht ankommt.
Die blanke Wortzensur bewirkt rein gar nichts
Wortzensur beseitigt keine strukturellen Probleme, dennoch kann es nicht schaden, mit einigen überfälligen Nebenschauplätzen aufzuräumen. Was reflexartig wieder angesprochen wird, ist ein sogenannter vorauseilende Gehorsam, den diverse Marketing Abteilungen von Unternehmen nun vollziehen, um mit eigenen Altlasten aufzuräumen, weil der Mainstream sich gerade derart entwickelt.
Für mich ist es schon lange nicht mehr verwunderlich, dass viele privilegierte Weiße es nicht nachvollziehen können, ich möchte fast schon sagen wollen, dass Betroffene sich bei der Bezeichnung „Zigeuner“ diskriminiert fühlen. Denn Ignoranz und der vorherrschende Alltags- Rassismus wird mehr und mehr salonfähig und unter dem Deckmantel „Das wird man ja wohl noch mal sagen dürfen“ oder „Alle Roma, die ich kenne, empfinden das nicht als Beleidigung“ verteidigt.
Ich bin mir sicher, keiner der weißen Mitbürger kann sich auch nur im Ansatz vorstellen, wie das ist, wenn man als Minderheit in Deutschland nur verächtlich wahrgenommen wird – stets und ständig.
Struktureller Rassismus
Keiner kann sich ausmalen, wie schwer es ist, als Ausländer einen Job bzw. eine Wohnung zu bekommen. Welcher Aufwand betrieben werden muss, damit man überhaupt bei einem Unternehmen vorstellig werden kann, wenn der Name nicht eindeutig deutsch zugeordnet werden kann. Bestimmte Berufsfelder scheinen prinzipiell für farbige oder ausländische Mitbürger nicht erreichbar zu sein. Und natürlich verdient der Weiße deutlich mehr als der farbige Mitbürger für die genau gleiche Arbeit. Dieser Missstand existiert nach wie vor. Apropos, kennt Ihr mehr als einen farbigen Wissenschaftler?
Doch es gibt auch noch andere Felder, bei denen der Rassismus derart verwoben und selbstverständlich ist, dass man das selbst als aufgeklärter Mitbürger kaum wahrnimmt.
White Saviorism
Wenn man Fair Trade Produkte kauft und dort Abbildungen von hart arbeitenden Südamerikanern sieht, dann wird damit das Bild suggeriert, dass man als Konsument eben diesen Menschen mit dem Kauf dieser oder jener Produkte das Leben verbessert. Der generöse, wohlhabende Bürger der westlichen Welt verhilft diesen Menschen zu einem besseren Leben. Gerade der Fair Trade Sektor ist durchzogen mit jener Kausalität. Der Gedanke, schwarze Menschen und People of Color bräuchten dringend unsere Hilfe, verfestigt das rassistische Bild vermeintlich hilfsbedürftiger Südamerikaner oder Afrikaner.
Bereits der Begriff „Dritte Welt“ wäre in diesem Kontext durch das Wort „Entwicklungsland“ zu tauschen. Natürlich ist es nicht so, dass schwarze Menschen auf dem afrikanischen Kontinent nur auf dem Feld arbeiten.
Individueller Rassismus
Wenn farbige Mitbürger mit Blick auf ihre Hautfarbe unzählige Male im Jahr von der Polizei kontrolliert werden, während Weiße vermutlich ihr Leben lang kein einzigen Check dieser Art sich unterziehen müssen, dann wird das für uns privilegierte Bürger einfach extrem schwer vorstellbar sein. Würde uns das auf offener Straße passieren, würden wir zuerst auf unsere Rechte pochen und uns auf die Hinterbeine stellen, bevor wir uns vor Polizisten nackig machen ließen. Für Farbige ist das vermutlich eher der Normalfall und selbige sind es müde geworden, sich jedes Mal aufzuregen geschweige denn zu erheben.
Was kann man selbst tun?
Man kann aufmerksam und viel empfindlicher sein, wenn man solchem alltäglichen Rassismus begegnet. Sieht man Rassismus, sollte man seine bisherige Reaktion hinterfragen und eventuell neu ausrichten. Die Mehrzahl sind gegenüber dieser total subtilen Art der Fremdenfeindlichkeit nur noch schwer empfänglich, weil man aufgrund der Tatsache, dass das meiste als total normal empfunden wird, der Nerv total abgestumpft ist.
Es sollte jedoch klar sein, dass man sich in einer aufgeschlossenen, freien Gesellschaft immer mehr öffentlich gegen Rassismus aufstellen muss. Denn ohne Gegenwehr ist er weiterhin auf dem Vormarsch und sorgt für die moralische Basis, Minderheiten zu benachteiligen und das in aller Öffentlichkeit. So wird sich an deren Situation nichts ändern.
Klar ist auch, dass Nahrungsmittel wie Zigeunersaucen keine richtige Grundlage für eine offene Diskussion sein kann, zu banal scheint vielen hier die Problematik und vor allen Dingen zu wichtig der Genuss zu sein. Das ist in meinen Augen gelinde gesagt verachtenswert.