Wer heute als Koch seine Speisen kreiert steht, im Gegensatz zum gleichen Prozess vor 20 Jahren vor der Aufgabe nicht nur allerfeinste Geschmackskompositionen zu schaffen, sondern ebenfalls eine Geschichte zu erzählen. Es ist bei Gastronomen ein Werkzeug, um sich in Erinnerung zu halten. Das Buch aus dem gestalten Verlag greift mit „Story on a Plate“ genau dieses Tool auf und nähert sich dem Thema mit sehr unterschiedlichen Ansätzen.
Story on a Plate – Storytelling in der Gastronomie
Der Koch des letzten Jahrtausends hatte sich noch nicht mit der Aufgabe konfrontiert gesehen, hinter all den Speisen, die er so auf die Karte setzte, dem Gast immer auch mit einem gewissen Background zu begegnen. Das Internet hat auch hier eine Art Renaissance eingeleitet, welche viele Gesetze im Restaurantbetrieb neu geschrieben hat. In Communities wie Instagram, Facebook und schließlich auch auf der eigenen Webseite möchte der Kunde mehr als nur die reinen Speisekarten vermittelt wissen. Heute geht es viel mehr auch darum, ein Erlebnis zu schaffen, welches sich ganz individuell von den Mitbewerbern abhebt und durch Alleinstellungsmerkmale auffallen kann.
The Delicate Art of Plating Dishes
Somit ist es unumgänglich sich mehr und mehr auch mit dem Aufbau einer Geschichte hinter dem eigentlichen Produkt zu befassen.
Schaut man sich heute die Informationen der Gastronomiebetriebe in den Online- Portalen oder Speisekarten an, so sind das letztendlich oft nur kühle Fakten, welche zwar wichtig sind, jedoch längst nicht mehr ausreichen, um sich abzuheben. Die emotionale Komponente wird zumeist ausgelassen.
Doch ist sie beim klassischen Storytelling so wichtig. Sie baut auf bekannte Formen auf. Da wäre zum Beispiel das Drama, Liebesgeschichten, Abenteuerreisen oder etwa auch Heldenerzählungen, welcher stets mit gewissen Stilelementen ausgestattet sind.
Gute Geschichten über das eigene Konzept oder Produkt zu erzählen sind ein probates Mittel, um als Gastgeber Informationen zu vermitteln, welche auch nachhaltig im Kopf bleiben.
Fachlektüre mit dem Schwerpunkt Storytelling
In dem Buch „Stories on a Plate“ wird genau dies gezeigt. Rebecca Flint Marx, einst eine Redakteurin des San Francisco Magazine und diverser anderer Print- & Onlinemedien, hat sich dem Thema gewidmet und versucht über die Zusammenstellung unterschiedlichster Teller von grundverschiedenen Köchen, die Beschreibungen und den Aufbau derer Signature Dishes samt Storytelling zusammenzutragen und zu ergründen. Sie beginnt dabei mit den angewandten Tools, welche der Koch alleine schon für das „Plating“, das Anrichten also, einsetzt.
Farben, Texturen, Keramiken, Aromen und Formen
Wie die Geschichte mit Leben gefüllt werden kann, offenbart sich dem Leser in „Story on a Plate“ auf mannigfaltige Art und Weise. Rebecca veranschaulicht über die Themenkomplexe „Farben, Texturen, Keramiken, Aromen und Formen“ die Herangehensweisen, die Küchenchefs vermutlich auch zum Teil unterbewusst anwenden. Wenn zum Beispiel ganz bestimmte Farben in einem Gericht zum Einsatz kommen.
Die wenigsten Köche werden dabei einen Farbkreis studieren, bevor sie die Speisen zusammenstellen. Dennoch hat ein gekonntes Gericht mitunter etwas mit diesem Thema gemein.
Sie gibt beispielhaft Ronny Emborgs Gang mit lila- und gelbfärben Blüten an, die er auf einen Krabbenteller mit Tomaten und arktischen Rosen anrichtet. Was hier wunderbar funktioniert ist das Spiel mit Komplementärfarben, jene dem Teller eine besondere Lebhaftigkeit verleihen. Ebenso ist es möglich, Farben aus einem Farbraum heranzuziehen. Farben, welche alle einen gewissen Braunton haben und nur geringfügig abweichen. Jedoch sind diese Farbspiele sehr schwer einzusetzen, da diese recht schnell langweilen könnten, wenn man keine passenden Akzente einbaut.
Kräftige und satte Farben rufen vom Koch hingegen ein Verständnis für die allgegenwärtige Gefahr von Chaos ab.
Durchnummerierte Bilder werden als Fallbeispiele herangezogen, in denen die Herdkünstler zum besseren Verständnis ebenfalls zitiert werden.
Auf diese Weise nimmt sie die anderen Themenkomplexe in kurzweiligen Texten auseinander und öffnet so dem interessierten Leser den Kosmos, wie Gerichte von professionellen Köchen geschrieben werden. Sie verweist stets auf Signature Dishes von berühmten Küchenchefs wie Emma Bengtsson aus dem Aquavit, die mit dem „Pochierten Ei mit gesammelten Pilzen“ eine Adaption des Waldspaziergangs auf dem Porzellan geschaffen hat.
Und bereits beim Anblick dieses Gerichts kann Namen all die Texturen und knusprigen Schichten der Speise erahnen, man erhält bereits visuell viele Informationen über das später eintretende Mundgefühl, wenn man die Blätter, Sauerteigchips, Schwarzen Trompetenpilze und Trüffelscheiben sieht. Ebenfalls dürften die entstehenden Düfte ihr Übriges beisteuern.
Über das Eintauchen in die Welt der Kreativlinge
Stück für Stück ergibt sich dem Betrachter das ganz große Bild des Kreierens von Speisen, die hängen im Kopf hängen bleiben. Jeder, welcher sich schon immer gefragt hat, wie es sein, kann, dass manchen Herdkünstlern es einfach leicht fällt, Speisekarten zu füllen, wird mit diesem Buch näher an deren Ergebnisse heran ragen. Es ist ganz sicher nicht leicht, das Schaffen von einprägsamen Signature Dishes auf ganz wenige Nenner wie hier runter zu brechen. Doch hat man sich durch dieses Buch einmal durchgelesen, dürfte in der Konsequenz so vieles einleuchtend und nachvollziehbar erscheinen.
Denn Rebecca geht hier viele Punkte an und lässt dabei zu den Dishes individuelle Anmerkungen zur Entstehungsgeschichte da. Das schafft Raum, die eigenen zukünftigen Teller selbst so aufzubauen.
Fazit
Ich bin mir sicher, dass viele Köche die meisten dieser „Regeln“ nicht bewusst anwenden, sondern zumeist ein gutes Gespür für Ästhetik und Stil gehabt oder dies nach und nach entwickelt haben. Ich denke nicht, dass man all das Können sich mit purem Befolgen von diesen Grundprinzipien aneignen kann. Man benötigt schon eine gute Nase dafür, was passt und was eben nicht funktioniert. Gerade dann, wenn man sich auf neue Pfade begibt und nicht direkt weiß, wie man das umsetzen kann.
Dieses Buch eignet sich für professionelle und gerade auch Heimanwender, die immer schon das Bedürfnis hatten, hinter die Gerichte zu steigen, mehr über die Techniken und vor allen Dingen Ursprünge der Speisen zu erfahren. Mit diesem Wissen wird der nächste Restaurantbesuch zu einem Erlebnis, denn man kann direkt erkennen, wie die großartigen Köche ihre Teller wie in diesem Buch beschrieben, aufbauen.
Ich habe schon viele Bücher über das Plating gesehen. Story on a Plate ist mit Abstand das beste auf dem Markt.