Die Ausbildung ist der wesentliche Punkt bei dem sich der Hobbykoch vom professionellen Koch unterscheidet. Wenn viele ungelernte Gastronomen meinen, weil man sich ja schon immer gerne in der heimischen Küche aufgehalten hat und die Bekannten und Verwandten sich seit eh und je über die Kochkünste nur positiv geäußert haben, sei man schon ein guter Koch, der täuscht. Gerade das Handwerk eines Kochs will ordentlich gelernt sein. Bereits die Tatsache, dass es kaum einen zweiten Berufsstand gibt, welcher mit so vielen diversen Rohstoffen zu den unterschiedlichsten Temperaturen und Garvorgängen auskommen muss, schafft sehr schnell das Verständnis für dieses Argument. Eine gute Ausbildung bedingt selbstverständlich fundiertes Fachwissen in gedruckter Version. Dieses liegt mir heute in der 14. Edition von 2016 vor und kommt von der Pauli Fachbuchverlag AG. Was dieses Standardwerk taugt verrate ich Euch in dieser Besprechung.
Der Junge Koch vs. der Pauli
Schon in meiner Ausbildung zum Koch vor mehr als zwanzig Jahren gab es vom Prinzip her nur zwei Standardwerke, welche als Referenz für gute Fachliteratur herangezogen worden sind. Das ist zum einen „Der Junge Koch“ und zum anderen der „Pauli“. Erstes Werk habe ich bereits ausführlich besprochen. Den „Pauli“ hole ich heute nach.
Ich habe in meiner Ausbildung stets den „Jungen Koch“ bevorzugt, da er praktisch und transportabel war. Denn schon damals war der Pauli ein sehr großes Werk, welches in der Kommunikation andere Akzente setzte. Doch dazu später mehr.
Der Pauli ist ein Lehrbuch für die Küche und den angehenden Koch/Köchin eine große Hilfestellung beim Erlernen der Standards und der Regeln wenn es um behördliche Vorgaben oder Richtlinien in Dingen wie Hygiene geht. Das Konzept existiert über viele Jahre und der Anfang wurde bereits 1930 gelegt. Das erfährt man aus dem Vorwort von Philip Pauli, welcher auf diese Zeit zurückblickt. Sein Großvater war ein Kenner und Förderer der Kochkunst und schuf mit der ersten Veröffentlichung das Fundament für diese Serie des Paulis.
Sein Vater übernahm danach das kulinarische Erbe und veröffentlichte insgesamt sechs eigene Editionen. Nach dem Tod im Jahr 1981 übernahm nun P. Pauli die Geschicke und führt diese sehr verantwortungsvolle Aufgabe fort. Was man beim Pauli in allen Ausgaben erkennen kann, ist der stetige Wandel, welcher den sich ändernden Anforderungen geschuldet ist. Das lässt ihn im Gegensatz zu anderen Fachbüchern sehr modern erscheinen.
Von Profis für angehende Profis
Das hier geteilte Wissen geht auf die Zusammenarbeit von 25 eidg. dipl. Küchenchefs zurück und offeriert schlussendlich ein Lehrbuch mit insgesamt 720 Seiten und 680 Abbildungen. Neben dem Lehrbuch gibt es zudem noch das Rezeptbuch mit insgesamt 723 Rezepten. Diese wurden mit der Hilfe von mehr als 30 Fachleuten getestet. Somit kann man sich sicher sein, keinen Fehlgriff zu leisten, die Referenzen sind schon ziemlich überzeugend.
Der Aufbau des Lehrbuchs
Gemäß der Ausbildung gliedert sich das Lehrbuch im Aufbau. Will heißen, man sieht zuerst das große Bild und geht dann Stück für Stück in kleinerem spezifischere Themenkomplexe hinein. So erfährt man zu Beginn alles über die Betriebsaufbau- und -organisation, Kalkulation bis hin zum Aufbau in einer Küche mit all ihren Fertigungsbereichen. Dabei helfen sehr gut die stets sehr übersichtlich dargestellten Raumpläne und Darstellungen von standardisierten Siegeln oder Labels, welche einem Tag für Tag in der Küche begegnen. Man bietet ebenfalls die Sicht auf moderne Gerätschaften wie Kessel, Kombidämpfern, Holdomaten, Pastakochern, Salamandern oder unter anderem auch Steamern an.
Sehr gute Aufmachung, viel Übersicht und dem Sinn für’s Detail
Weiterführende Komplexe wie Ernährungslehre, Gartechniken (moderne als auch konventionelle), Grundlagen der Produktion, Gemüsesorten, Suppen, Saucen, Getreideprodukte, Teiggerichte, Obst, Kräuter & Gewürze, Milch, Käsegerichte, Eiergerichte, Fisch und Fleisch, etc. sind in aller Ausführlichkeit wiedergegeben. Beachtenswert ist hier eine sehr gut strukturierte Art der Aufbereitung. Man gibt sich redlichste Mühe, das Wissen kurzweilig und ansprechend wiederzugeben. Dabei helfen Diagramme, farbige Tabellen, Illustrationen, Produktfotos, Fotografien der Speisen, und und und.
Ich komme aus dem Loben kaum heraus. Ebenso gefällt mir sehr, dass sämtliche Techniken Berücksichtigung finden, unabhängig davon, inwiefern die Ausbildung zum Koch in Deutschland dafür schon eine Prüfung vorsieht oder das überhaupt zulässt. Die Rede ist hier zum Beispiel von Sous Vide. Man ist heute immer noch nicht gewillt, das bei der Prüfung zum Koch als Methode der Gärung zuzulassen und daher kommt es auch nur bedingt bei der Ausbildung zum Einsatz.
In diesem Buch kann man ebenfalls zu diesem Konzept wie auch andere sehr moderne Methoden wichtige Eckpunkte erfahren und sich zum Beispiel über das Garen mit flüssigen Stickstoff oder die Zubereitung unter Verwendung von Texturas wie Xantana oder Lecithin informieren.
Alle Kapitel lassen für meine Begriffe keine Wünsche offen und zeigen vorbildlich, wie Bildung auch funktionieren kann.
Bilder, Illustrationen und Tabellen
Wie oben schon angesprochen ist der Pauli im Bereich der Abbildungen und Illustrationen eine Bank. Es bleiben absolut keine Wünsche offen und kaum ein Aspekt oder Themenbereich wird im Pauli ohne Darstellungen vermittelt. Die abgebildeten Speisen sind stets farbneutral und ohne künstliche Filter eingefügt und geben somit ein sehr realistisches Endergebnis wieder, mit dem der spätere Koch auch etwas anfangen kann.
Fleischteile werden nachvollziehbar in all ihren Facetten gezeigt. Das gilt natürlich auch bei anderen Produktkomplexen wie den Fischen oder ähnlichem. Exemplarische Gerichte tauchen immer wieder auf und geben einen Ausblick auf die mögliche Verwertbarkeit der Produkte.
Bei den Informationen wird ebenso viel wert auf aussagekräftige Tabellen gelegt. Diese verfügen in aller Regel über den Termini in deutsch, französisch und englisch.
Das Lehr- & Rezeptbuch des Pauli gehen Hand in Hand
Bei den Angaben von Mengen verzichtet man grundsätzlich auf das sich längst überholte Litermaß, da diese in der Konsequenz oft zu ungenau ist und man Flüssigkeiten in der Küche sowieso eher abwiegt. Zubereitungen werden bei schwer nachvollziehbaren Vorgängen idealerweise im Step-by-Step Verfahren gezeigt. Alleine im Rezeptbuch gibt es 300 davon. Es ist nur schwer vorstellbar, wie umfangreich und kostspielig bereits schon die Produktion dessen gewesen sein muss.
Die Darstellung der Rezepte und Zubereitungsanleitungen im Pauli sind allesamt auf höchste Funktionalität ausgelegt. Zusätzlich erhält der Leser noch zu den meisten Rezepten Praxistipps. Schaut man sich die eingefügten Bilder der fertigen Speisen an, so hat man sich für einen Mittelweg zwischen modernem Anrichten und konventioneller Küche entschieden. Ich gebe zu, es ist mitunter ein schwieriges Unterfangen hier wirklich alle Ansprüche berücksichtigen zu können. Das wurde hier sehr gut gelöst, wenngleich ich natürlich mehr Mut zur Lücke einfordere. Die Qualität der Bilder ist überdurchschnittlich für ein Fachbuch.
Das Online Angebot des Lehrbuchs
Geliefert wird neben dem gedruckten Material ebenso die Möglichkeit, sämtlichen Content online abzurufen. Man benötigt dafür die entsprechende App auf seinem Endgerät und den Zugangscode im Buch. Nach Eingabe dessen offenbart sich der Inhalt des Lehrbuchs in sehr gut aufgemachte Art und Weise. Um großumfängliche Inhalte, wie sie im Pauli angeboten werden, darstellen zu können, bedarf es eines guten Index‘.
Der ist beim Lehrbuch absolut gegeben. Auch die Möglichkeit, sich die Inhalte in Thumbnailübersichten anzeigen zu lassen, ist sehr gut gelungen. Die App ist dabei stets flüssig und läßt in der Perfomance keine Wünsche offen, obwohl die 721 Seiten schon einen gehörigen Datenströmen verursachen dürften. Dass ist hier alles gut gelöst.
Einzig und alleine die Möglichkeit, ausgewählte Inhalte aus dem Pauli drucken zu können, ist nicht gegeben. Vermutlich möchte man hier einem unkontrollierten Vervielfältigen entgegenwirken. Ich empfinde die Option aber dennoch als wichtig, gerade für Betriebe, die sich vielleicht dieses Werk angelegt haben, um auszugsweise den Auszubildenden Einzelseiten an die Hand zu geben. So ist der Weg zum Kopierer wieder notwendig.
Das Online Angebot des Rezeptbuchs
Ebenfalls gibt es beim Erwerb des Rezeptbuchs die Möglichkeit, sämtliche Inhalte auf dem Rechner mit Internetanschluss abzurufen. Hierfür wird über den Code im Buch ein Login erstellt bei dem man dann später im Browser die Rezepte betrachten und für seine eigenen Bedürfnisse in der entsprechend gewünschten Menge hochskalieren und drucken kann. Das ist praktisch, wenn auch die Benutzeroberfläche nicht wirklich zeitgemäß wirkt. Vor allen Dingen auf mobilen Endgeräten wirkt die Darstellung nicht ausgereift. Es ist fast schon ein Krampf, da man ständig rein und rauszoomen muss, um die kleinen Buttons zu treffen. Responsive Design sieht anders aus.
Diese Webapplikation ist vermutlich ausschließlich für Desktop Rechner konzipiert. Als weitere Funktion kann man bei jedem Rezept eigene individuelle Notizen hinterlassen, wenn man zum Beispiel bei diesem oder jenem Rezept auf spezielle Dinge achten sollte oder meinetwegen passende Gerichte platzieren möchte. Anwendungsbeispiele gibt es da genügend.
Ein weiterer Wermutstropfen hier ist die fehlende Datensicherheit wenn es um die Verschlüsselung, welche eigentlich im Netz überall Standard sein sollte, geht. Die Rezeptseite wird ohne jegliche Verschlüsselung ausgerollt.
Fazit
Im Großen und Ganzen hat man mit dem Pauli wohl eines der besten Fachbücher überhaupt, wenn es denn um die Kochausbildung geht. Sie ist nicht nur umfassend und vollständig sondern obendrein sehr gut aufgemacht. Viele Farbbilder in ansprechender und vor allen Dingen zeitgemäßer Optik zeigen das facettenreiche Arbeiten in der Küche und geben Inhalte mit Hilfe von Grundwissen höchst beeindruckend wieder. Die Illustrationen, Grafiken, Tabellen und Diagramme sind höchst funktional und bereiten sämtliche Inhalte des Kochs superb auf.
Dass diese Hülle und Fülle natürlich nicht zum Nulltarif zur Verfügung steht, dürfte auch klar sein. Den Band „Lehrbuch der Küche“ in der 14. Auflage gibt es für 199 € und den Pauli „Rezeptbuch der Küche“ für 99 € im Handel. Sicherlich kann man darüber streiten, inwiefern dieser Preis gerade für Auszubildende, welche wohl primär dieses Buch kaufen werden, noch erschwinglich ist. Dennoch wird das Buch auch nach der Ausbildung bei den meisten Käufern einen festen Platz im Regal haben und des Öfteren im beruflichen Werdegang den Weg auf den Schreibtisch finden. Spätestens dann, wenn man selbst Wissen weitergeben und den nachfolgenden Kochgenerationen den zukünftigen Weg in der Gastronomie optimal darstellen möchte. Investiert man in den Pauli, ist das für mein Empfinden eine sehr gute Investition.
Anmerkung
Zusätzlich erhält man in beiden Büchern die Inhalte auf einem physischen Datenträger (DVD). Ich habe leider kein physisches Laufwerk, so dass ich darüber leider keine Meinung abgeben kann.