Berliner Speisemeisterei • Life as a chef 👨🏻‍🍳

Mein Name ist Steffen Sinzinger (42). Ich betreibe den Blog die Berliner Speisemeisterei seit mehr als 13 Jahren und schreibe hier über alle gastronomischen Themen, welche mich begeistern. Ich bin gelernter Koch und habe den Großteil meiner beruflichen Karriere in der Berliner Gastronomie verbracht. Ich freue mich, dass Du zur Berliner Speisemeisterei gefunden hast.

Sous-Vide goes BBQ

Sous-Vide goes BBQ

Sous-Vide goes BBQ

39,95
3.9

Inhalt & Thema

3.0/10

Funktionalität

5.0/10

Photographie

3.0/10

Design

2.5/10

Haptik

6.0/10

Pros

  • Fehlanzeige

Contras

  • oberflächliche Aufarbeitung
  • Wiederholungen der Rezepte
  • Schrift ist unleserlich
  • teilweise steile nicht nachvollziehbare Thesen
  • preislich viel zu hoch angesetzt gemessen am Inhalt

Normalerweise schreibe ich keine Verrisse. Dafür ist mir einfach meine Zeit zu schade. Des weiteren regelt solche Fehltritte wie diesen hier eigentlich der Markt. Daher komme ich eigentlich recht selten in Versuchung. Doch vor dem „Kochbuch“ Sous-Vide goes BBQ von Guiseppe Messina und Frank Albers muss ich einfach warnen. Hier wird der Leser komplett für dumm verkauft.

Sous-Vide goes BBQ
Sous-Vide goes BBQ

Sous-Vide goes BBQ – Wer winkt so etwas durch?

Vor einem Monat lag bei mir das Buch Sous-Vide goes BBQ unangefordert im Briefkasten. Nach dem Öffnen des Pakets folgt natürlich ein erstes flüchtiges Durchblättern. In der Regel generiert sich bei diesem Sichten durchaus ein recht aussagekräftiger Ersteindruck, welcher sich in seiner Tendenz selten ändert. Bei diesem Rezensionsexemplar hatte ich den Impuls, es direkt wieder weg zu legen. Das lag vor allen Dingen an der Fotografie.

Als ich dann Wochen später eine Mail des Verlags erhielt, mit der Bitte, ihnen mitzuteilen, wie das Buch mir denn gefallen hat, kam mir dieses Kochbuch wieder in den Sinn. Also nahm ich es mir genauer vor. Doch bereits die ersten Rezepte waren deutlich hinter meiner Erwartungshaltung an ein gutes Kochbuch geblieben. So entschloss ich mich, hier keine öffentliche Buchvorstellung vorzunehmen. Mit jeder weiteren Seite wuchs in mir jedoch das Unverständnis, wie man eigentlich solch ein Werk durch die Endkontrolle laufen lassen konnte.

Als ich dann den Verkaufspreis aufrief war ich fast schon empört darüber. Ganze 40 Euro wollte man hierfür haben. Ebenso gab es schon eine Diskussion über das Buch in der Facebookgruppe „Kochbuchecke“, wo wir einander Empfehlungen austauschen. Ein Mitglied wollte wissen, ob man das Buch getrost kaufen kann und es sein Geld wert ist. Ich sprach sofort eine Warnung aus, und das aus mehreren Gründen.

Sous-Vide goes BBQ

Mehr Schein als Sein • Sous-Vide goes BBQ

Das Duo Frank Albers und Giuseppe Messina erklären mit diesem Buch in einer extrem schwer lesbaren Schrift (zu klein, zu große Buchstabenabstände, zu große Zeilenabstände), warum vakuumverpackte und im Wasserbad gegarte Speisen nach eben dieser Vorbereitung auf dem Grill das Finish erhalten. Sie packen fast alles in Plastik, was nicht bei drei auf dem Baum ist.

Der Grund dafür ist laut deren Erkenntnis vor allen Dingen die mangelnde Zeit, wenn es beim Schicken zur Sache geht, die Einfachheit beim Sous-Vide-Garen und die Reproduzierbarkeit. Was man mit dieser ersparten Zeit als Herdkünstler anfangen kann, wissen sie ebenso mitzuteilen. Man könne sich mehr auf das Anrichten und Schickmachen konzentrieren.

Für sie liegt der Schlüssel der sogenannten Grillmenüs im Sous-Vide-Garen, da die Produkte perfekt vorgegart werden können und man sich beim späteren Grillen um weniger Dinge kümmern muss. Des Weiteren wird die These aufgestellt, dass derart gegarte Lebensmittel länger haltbar sind und dies größere Freiräume ermöglicht.

Derart pauschalisierend sollte man das meiner Meinung nach nicht behaupten. Insbesondere die Fleisch- & Fischprodukte haben durch das Garen bei Temperaturen um die 30 bis 60 Grad Celsius keine nennenswerte Haltbarmachung vollzogen.

Eher verkürzt man sogar die Haltbarkeit, da der Fisch zum Beispiel auf kritische Temperarturbereiche, bei denen sich Mikroorganismen sehr wohl fühlen, erwärmt worden ist. Dann einen pauschalen Hinweis für alle Lebensmittel aufzustellen, dass so gekochte Lebensmittel für eine Woche haltbar sind, halte ich für mehr als fahrlässig.

Sous-Vide goes BBQ

Herkunft – bitte nur aus Japan!?

Den nächsten Stirnrunzler habe ich auf der nächsten Seite. Dort erklärt man, dass deutsches Fleisch nicht zwingend als Quelle für Fleischprodukte mit Spitzenqualität in Betracht gezogen werden kann. Der Markt sei überfüllt und ist mit Ware aus der Massentierhaltung überschwemmt. Hierzulande gäbe es nur sehr wenige Bauern, die in der Lage seien, gute Tiere zu züchten.

Besser sei es also, dorthin zu gehen, wo Kultur für eine hochwertige Tierzucht noch besteht. Das sind für sie Japan oder eben die USA.

Ganz sicher haben diese Regionen Rassen und auch Lebensmittel, welche in der Fleischindustrie seinesgleichen suchen. Wer Fleisch in guter Qualität liebt, wird das aber auch hierzulande, und wenn nicht in jedem Fall europaweit, problemlos finden. Die Behauptung, es existiere nur gutes Fleisch auf weit entfernten Kontinenten, diaqualifiziert meiner Meinung nach das Autorenduo ein wenig. Es gibt alleine in Brandenburg zig Konzepte, welche greifen und Spitzenware zu bezahlbaren Preisen anbieten. Bobalis (Wasserbüffel), Sauenhain (Schwein) und Das Gute Fleisch (Galloway Rind) sind nur drei.

Es ist mir unbegreiflich, warum man hier derartig steile Thesen aufstellt. Gerade dann, wenn ich sehe, was in dem Buch aus den Produkten später zubereitet wird.

Sous-Vide goes BBQ

Iberico vs. regionales Duroc Schwein

Zum Beispiel glorifiziert er das Iberico aus Spanien. In Deutschland gibt es ebenfalls eine sehr edle Schweinerasse. Sie heißt Duroc Schwein und kann da meiner Meinung nach locker mithalten. Klar kommt diese Rasse aus den Staaten, aufgezüchtet wird sie zum Beispiel ebenfalls in Thüringen.

Wenn der Kollege dann davon spricht, wie sehr er Fan davon ist, Fleisch einzufrieren, dann bin ich wieder dabei, noch weniger vom Content zu halten. Natürlich ist Frieren ein Konzept, um Abfälle zu vermeiden und Teile einzulagern, die man bei großen Mengen nicht imstande ist, zu verarbeiten. Dennoch kann es doch nicht Sinn sein, eingefrorene Produkte den frischen vorzuziehen. Was soll der Endverbraucher davon halten, für den das Buch ja geschrieben ist? Der wird ganz sicher nicht 20 kg Fleisch auf einmal abnehmen, sondern nur das, was er auch bereit oder in der Lage ist, zu garen. Soll er gefrorenes Fleisch vorziehen?
Mir erklärt sich auch der Fakt nicht, warum der Autor so derart penibel den Einfrierprozess umschreibt. Der normale Leser wird ganz sicher keinen regelmäßigen Umgang mit derartigen Prozessen haben, so dass er mit diesem Wissen auch nur im Ansatz etwas anfangen könnte.

Sous-Vide goes BBQ

less is less

Neben der Herkunft liefert man hier, wenn auch nur sehr eingeschränkt, Fleischwissen in der Theorie. Dabei werden wieder Behauptungen aufgestellt, welche mir in der Praxis noch nie begegnet sind. So wird beschrieben, dass hochwertig aufgezogenes Geflügel einen „wesentlich breiteren“ Garpunkt hat. Was immer das auch heißen mag, es wird hier nicht belegt oder begründet. Derart floskelhafte Aufstellung finden sich ohne Ende. Ich habe das Gefühl, dass ich eigentlich überhaupt nichts über Fleisch und deren Einsatz weiß, wenn ich mich mit diesem Buch auseinandersetze.

Dreizeiler über das Kalb, Lamm, Rind, Schwein und Fisch und Meeresfrüchte geben nur sehr oberflächlich wieder, worauf es ankommt.
Die Fotografie insbesondere in diesem Teil ist in meinen Augen mehr als bescheiden. Endsättigte und gräulich wirkende Bilder lassen alle Produkte hier werkwürdig ausschauen. Bei den Fisch und Meeresfrüchten beschränkt man sich auf Portionsware, welche dem Leser noch nicht einmal die Möglichkeit geben, eine Ahnung davon zu bekommen, wie das Produkt im Ganzen ausschaut.

Unsauber vorfiletierter Bachsaibling wird hier mit vorgeputzter Ware (ich vermute mal, die wurde so schon gekauft) in Form von Garnelenschwänzen ohne Kopf und Jakobsmuschelfleisch ohne Schale gezeigt. Der Nutzten für Wissbegierige hält sich in Grenzen. Stattdessen inszeniert man lieber, wie die Haut einer Kalbsleber von einem tätowierten und stark behaarten Arm abgezogen wird. Für Trash ist immer Platz.

Die aufgeführten Sous-Vide-Listen, welche im Umfang verschiedenste Fleisch-, Fisch und Gemüsesorten beinhalten, geben an, wie lange welches Stück zu garen ist. Dabei wechselt man bei der Angabe der Zeit in Minuten und Stunden hin und her. Das irritiert ein wenig.

Sous-Vide goes BBQ

Zu den Rezepten

Der Kern jedes Kochbuchs sind ja die Rezepte. Und hier enttäuscht das Buch auf ganzer Linie. Beginnen wir beim Aufbau. Der Text ist auch in diesem Bereich von der Schriftart und ihrem Aufbau schwer zu lesen. Wer mit dem Buch in der Küche steht und vor sich liegen hat, hat normalerweise eine mittlere Entfernung zum Text. Mit dieser Distanz verwandelt sich die viel zu kleine, serifenlosen Schrift mit viel zu großem Abstand zwischen den Zeichen und den Zeilen in einen unlesbaren Teppich, der mehr und mehr die Augen beim Lesen anstrengt. Die Funktionalität, mal eben schnell in den Text reinzulesen, ist kaum gegeben.

Sous-Vide goes BBQ

Wiederholungen von Rezepten

Kommen wir zum Inhalt. Und das grenzt fast schon an Rechtmäßigkeit. Wenn man ein Kochbuch veröffentlicht und im Index mehr als 50 Rezepte erkennt, erwartet man ja kaum, dass diese sich durch die immer wieder gleichen Rezepte aufbaut. Aber genau das ist hier der Fall.
Es wird immer und immer wieder das gleiche Rezept bemüht.

Ich habe mir mal die Mühe gemacht und die exakten Rezeptwiederholungen aufgezählt.

  • Pulpo 2x
  • Garnelen 2x
  • Erbsenpüree 5x!
  • Thunfisch 2x
  • Entenbrust 2x
  • Grüner Spargel 2x
  • Perlhuhnbrust 2x
  • Kartoffelpüree 6x!
  • Morcheln 2x
  • Rote Zwiebel 2x
  • Polenta 2x
  • Lammhaxe 2x (auf zwei gegenüber liegenden Seiten! Dreist!)
  • Lammkarree 2x
  • Kirschtomaten 2x
  • Kabeljau 2x
  • Selleriepüree 6x! (auch hier einmal direkt auf zwei gegenüberliegenden Seiten!)

Diese Rezepte wiederholen sich allesamt. Es gibt noch weitere Beispiele, der Umfang sollte aber schon genug Einblick geben, wie hier gearbeitet wurde. Wenn ein und das selbe Rezept in einer 1:1 Kopie auf gegenüberliegenden Seiten gedruckt wird, muss nach meinem Befinden das Autorenteam davon ausgegangen sein, dass der Leser komplett bescheuert sei. Sowas Dreistes ist mir noch nicht untergekommen.

Sous-Vide goes BBQ

Optik

Zur Bildsprache sei auch nur gesagt, dass Fans der floralen Teller voll auf ihre Kosten kommen. Kein Dish kommt ohne dekorative Elemente wie Blüten oder Blattwerk, welches ich jetzt aufgrund des kulinarischen Inhaltes mal in Frage stellen möchte, aus. Ansonsten arbeitet man hier mit viel Unschärfe. Ich möchte schätzen, dass kaum mehr als 30 Prozent eines jeden Gerichts scharf sind.

Das kann sein, dass man das schön findet, ich denke aber eher, dass man diese Stilistik bemüht hat, weil der Teller in der Totalen nach nichts ausschaut und die Gerichte nicht überzeugen können, wenn man lediglich ein wenig gestrichenes Püree, ein ziemlich braunes Stück Fisch oder Fleisch und ein paar essbare Blüten sieht. Denn mehr ist kaum auf jedem dieser Teller auszumachen.

Fachliche Zubereitungsfehler, wie auf Seite 76, wo man noch den ungenießbaren Schließmuskel an der Jakobsmuschel erkennen kann, sind da eigentlich nur noch belustigendes Beiwerk. Auch hier wieder der Hinweis, im Buch wird absolut null darauf eingegangen, wie das Fleisch oder der Fisch vorab pariert, geputzt oder sonst wie vorbereitet werden muss. Das ist gelinde gesagt, eine Katastrophe, wenn man auf den letzten Seiten anmerkt, dass es sich hier ja um Pioniere in Sachen Fleischkultur handelt.

Sous-Vide goes BBQ

Fazit

Das ist mit Abstand das teuerste und schlechteste Buch, welches mir je untergekommen ist. Selbst das Schreiben dieser Besprechung weckt in mir größtmöglichen Frust darüber, wie man sowas überhaupt jemanden andrehen kann. Würde man alle doppelten Rezepte und deren Texte streichen, die krass großen Abstände bei der Schrift reduzieren, man käme auf ein extrem belangloses und dünnes Kochbuch, was wirklich keiner braucht. Stattdessen ist es das aufgeblasene Aushängeschild in der Kochbuchabteilung des Heel Verlags. Sorry but not! Hier kann man leider nur eine absolute Kaufwarnung aussprechen. Finger weg!

Sous-Vide goes BBQ
Steffen Sinzinger

Steffen Sinzinger, Jahrgang 1980, ist ein in Berlin lebender Küchenchef und seit nun mehr als 14 Jahren ein passionierter Foodblogger. In der deutschsprachigen Bloggerszene ist er ein fester Bestandteil und spricht mit seinen breitgefächerten Themen sowohl die professionellen Köche als auch die am heimischen Herd kochende Fraktion an.

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