Die CODA Bar ist in Berlin so langsam kaum noch wegzudenken. In jedem Fall ist diese Location in Berlin unter den Gastronomen eine stetige Anlauf- als auch Inspirationsquelle. Selbiges konnte man beim letzten Abend der Eventreihe der Betreiber dieser berühmtesten Dessertbar Deutschlands erleben, vorausgesetzt man konnte sich noch einen Sitzplatz ergattern. Unter dem Claim DOUBLE TROUBLE gab es einen Abend mit gleich 2 Spitzenpatissiers zu erleben. Mit Andy Vorbusch lud sich René Frank einen großartigen Patissier in die CODA Bar ein.
Double Trouble – Andy Vorbusch und René Frank mischen groß auf
Der noch ziemlich frisch gebackene Wahlberliner und Chef des Berliner CODA in Neukölln lässt sich zusammen mit seinem Team regelmäßig neue Events einfallen, um die hiesige und nahezu unüberschaubare Foodszene neu zu gestalten. Er hat den sehr vibranten Berliner Markt schnell begriffen und agiert statt zu reagieren. Wer weiß, wie schnelllebig die Hauptstadt diesbezüglich ist, der kann auch abschätzen, dass die Karawane gerne schnell zum nächsten neuen Hotspot weiterzieht. Eine stetige Rundumerneuerung ist da das Maß aller Dinge und gehört hier zum guten Ton.
Erst gestern ist bekannt geworden, dass seine alte langjährige Wirkungsstätte am letzten Sonntag die Pforten dicht gemacht hat. So wird schnell klar, dass man immer wieder das Rad neu erfinden muss, um in dieser Branche die anspruchsvollen Gourmets zu binden.
René beherrscht das derzeit wunderbar, grenzt er sich zudem durch sein sehr individuelles Konzept der reinen Dessertbar bestens ab. So etwas findet man auf diesem Level in Deutschland nicht so schnell. Wer Desserts wie von einer anderen Welt sucht und sich dabei auch gerne von sogenannten „Liquid Food“ (Foodpairing mit Wein oder Cocktails) begeistern lässt, ist hier genau an der richtigen Stelle.
Eine Eventreihe mit sechs Gängen
Die Standardkarte erweitert René seit längerem mit einer Eventreihe, welche in regelmäßigen Abständen Gäste in sein Lokal einkehren lässt. Ein solches Beispiel konntet Ihr hier bereits mit dem Sake-Menü nachlesen. Noch am gleichen Abend lud mich René für ein späteres Event ein, welches einen Altbekannten aus der deutschen Patisserie-Szene als Gastkoch vorsah.
Es ist kein Geringerer als Andy Vorbusch, welcher ebenso wie René Frank, Patissier des Jahres geworden ist. Die zwei können mit Fug und Recht behaupten, die Besten der Besten zu sein. Andy war einst der Chef-Patissier im legendären 3-Sterne-Restaurant „Vendôme“ in Bergisch Gladbach und leitete die Geschicke der süßen Abteilung unter Joachim Wissler.
2 Spitzenpatissiers – 1 Menü
In dieser Reihe der Four-Hands- Dinner schufen die beiden das hier aufgeführte 6-Gang-Menü nebst alkoholischer Begleitung. Das Menü lies sich wie folgt.
„Möhre:Heumilch:Grapefruite“ & Edelkorn, Waldmeister, Molke, Safran
„Birne:Edamame:Bohnenkraut“ & Ginger Beer, Gala Melone, Gurke
„Erdbeere : Gurke : Reis : Meringue“ & Rosato nas del Gegant, Ananas
„Hornkuh-Käse:ShiTake:Kartoffel“ & Madeira Rainwater, Kombucha, Zwiebelhonig
„Himbeere:Rote Grütze:Tofu:Lakritz“ & Weißer Portwein, Zwetschke, Schattenmorelle, Limette
„Piura:Kakao:Mangoessig:Kardamom“ & „Luli“ Chinato, Cremant
Vorab wurden wie immer noch Snacks für den Einstieg gereicht. So konnte man entspannt einkehren und sich auf das Dinner einstellen. Ein grüner Weizengrasbaiser mit Birkencreme und Süßdolde und das bekannte karamellisierte Schweinepopcorn, welches aus Schweinehaut produziert worden ist, gaben schon einen besonders guten Vorgeschmack auf die Bandbreite und den Ideenreichtum, welcher uns erwarten würde.
„Möhre:Heumilch:Grapefruite“ & Edelkorn, Waldmeister, Molke, Safran
Als der erste Gang des Menüs von der zauberhaften Julia, Renés zweite Hand und ebenso wesentlicher Bestandteil der Kreativfabrik des CODAs, eingesetzt wurde, dachte ich zuerst an einen Langoustinoschwanz. Doch schnell entpuppte sich dieses Gebilde als etwas gänzlich Anderes. Sie erklärte uns, dass sich auf dem Teller eine grüne Karottengrüncreme, im eigenen Saft gegarte Karottenkügelchen und ein Vollmilcheis mit Grapfruite befanden. Dazu gab es im Glas Waldmeister mit Noten von Safran. Es ging also gleich in die Vollen, daran ließ man keinen Zweifel aufkommen.
„Birne:Edamame:Bohnenkraut“ & Ginger Beer, Gala Melone, Gurke
Der nächste Gang erinnerte ein wenig an den klassischen Dreiklang „Birne, Bohne, Speck“ natürlich als vegetarische Variante. Andy himself brachte uns diesen Teller näher. Die gegrillte Birne mit den geschnipsten Edamamenbohnen, einer Kefircreme und Bohnenkraut waren für uns wohl das beste Pairing des Abends. Er finalisiert dieses Dessert mit einer Vanillenote, welche er am Tisch auf den Teller träufelte.
Wenngleich diese Aromen miteinander einen sehr stimmiges Geschmacksbild abgegeben haben, muss ich eingestehen, dass die Birne ein wenig farblos geblieben ist.
Das Glas wurde mit einem sagenhaft leckeren Ginger Beer gefüllt. Geschmäcker von Galia Melone und Gurke sind jetzt vielleicht nicht so unbekannte Begleiter. Doch in dieser nur schwer erreichbaren Qualität ein absolutes MUST HAVE. Gerne mehr! Vermutlich war dies an diesem heißen Sommerabend unser Lieblingsgetränk an diesem Abend.
„Erdbeere : Gurke : Reis : Meringue“ & Rosato nas del Gegant, Ananas
Rein optisch begegnete uns der Spitzenreiter dieses kulinarischen Sextetts beim dritten Gang. Ein an Pavlova erinnerndes Dessert war an der Reihe. Wer Pavlova kennt, der weiß, dass dies eine süße Torte aus Baiser ist. Hier erleben wir sie in einer für meine Begriffe leichten Variante, wenngleich sie offiziell auch nicht den Namen trägt. Vermutlich wären die beiden noch nicht einmal mit dem Vergleich einverstanden.
Was hier gemacht wurde, ist nichts Anderes als die reine Extraktion des Erdbeergschmacks. Im Kern dieser Baiserplatten befindet sich eine marinierte Erdbeere, welche mit Erdbeersaft abgeschmeckt ist. Der Clou ist außerdem, dass die Meringue absolut vegan gehalten ist, man hat sie, und das kennt man vielleicht bereits aus der Barszene, aus Kichererbsensaft hergestellt. Dazu gesellte sich ein Rosato aus Spanien mit Ananas.
„Hornkuh-Käse:ShiTake:Kartoffel“ & Madeira Rainwater, Kombucha, Zwiebelhonig
Wenn eines immer wieder für anfängliche Skepsis und anschließende Begeisterung sorgt, dann sind es die Käsegänge in der CODA Bar.
So etwas hast Du noch nich erlebt!
Dieser wurde wieder von Julia gereicht und charmant erklärt. Sie sollte die Reden am Gast einfach öfter abhalten. Der hier kredenzte Hornkuhkäse aus der Schweiz erinnert von der Konsistenz ursprünglich ein wenig an Gouda ist dabei jedoch um einiges würziger und härter.
Das Team erhitzt diesen Käse um ein Mehr an Geschmacksintensivität zu erzeugen. On Top wird ein Kartoffelpüree mit ShiTake Consommé angerichtet. Neben dem fermentierten Blatt von Radicchio und dem Kombucha-Esspapier hatte man das Gefühl, die Bandbreite an verschiedenen Aromen sei nun ausgereizt, aber weit gefehlt. Im Glas tummelte sich zudem ein Madeira mit Zwiebelhonig(!). Ein Pairing mit dem Potential recht ambivalent auf den Gast zu wirken.
So auch an unserem Tisch. Die Begleitung konnte sich abschließend nicht so recht mit dem Foodpairing begeistern, empfand den Käsegang an sich aber als sehr lecker. Wohingegen bei meiner Wenigkeit das komplette Ensemble sehr gut ankam.
Aber auch solche Speisen samt Getränk gehören gewiss zum Konzept. Hier geht man lieber ein Risiko ein und probiert auch gerne einmal sehr ungewöhnliche Kombinationen, welche allesamt immer ihrer Zeit voraus sind, wie zum Beispiel zuletzt die Creme vom fermentierten Knoblauch im Sakemenü, als Bestandteil einer Nachspeisen einzusetzen. Insofern empfinde ich es als absolute Bereicherung. Weiter so!
„Himbeere:Rote Grütze:Tofu:Lakritz“ & Weißer Portwein, Zwetschke, Schattenmorelle, Limette
Sehr treffsicher folgte der fünfte und vorletzte Gang, welchen man auch „50 Shades of beetroot & raspberry“ nennen könnte. Ein gang Ton in Ton. Solche Spiele mit verschiedenen Nuancen einer Farbe finde ich bei Speisen sehr ansprechend.
Es erwartet uns ein Rote Bete Eis, welches mit einem Schaum von fermentierten Tofu, Himbeeren und Honigbrot gefüllt war und mit Tapioka von Roter Bete, Süßholz und Himbeeren abgedeckt wurde. Der Einsatz der unterschiedlichen Texturen ist ein Genuss, auch wenn der Hype um den Bubble Tea sich nie so richtig hier festsetzen konnte, begegnen einem die Tapiokaperlen doch immer wieder. Mir gefällt die geschmackliche Balance zwischen der Himbeere und der Roten Bete sehr gut.
Im Glas befindet sich für uns ein Drink aus weißem Portwein, Schattenmorellen und einem Zwetschgenbrand aus dem Holzfass.
„Piura:Kakao:Mangoessig:Kardamom“ & „Luli“ Chinato, Cremant
Das abschließende Dessert war ein Schwank in die eher klassische Richtung. Auf dem Teller befindet sich Piura Kakao als Ganache sowie ein Mousse des weißen Albino Kakaos. Zusammen mit Mangoessig, Kardamom Crumble und einer Prise getrockneter und gemahlener Papayakerne bildet dies einen mehr als würdigen Abschluss. Das mit einem Cremant gefüllte Glas wurde auf einen sehr schönen Abend gehoben. Das Menü hatte sehr viel Freude bereitet.
Ein Fazit und das Ding mit der Currywurst
Was bleibt ist am Ende die Erkenntnis, dass man rein desserttechnisch an das hochbegabte Team um René Frank nicht vorbeikommt. Der Preis von 114 Euro für dieses Spitzenmenü samt Pairing ist absolut in Ordnung. Jeder Gang birgt ein Erlebnis sondergleichen.
Bisher bin ich nun schon dreimal hier gewesen und jedes Mal stellt sich am Schluss die Frage, ob es denn auch etwas Pikantes nach dem delikaten Dessertmenü zu essen gibt. Zuletzt konnte ich auch eine Ladung Wienerwürstchen für das Personal ausmachen. Der Appetit auf eine solche Wiener oder auch Currywurst stellte sich abrupt nach den vielen Desserts ein. Ich bin mir sicher, dass ein derartiges Angebot nicht nur witzig sondern ebenfalls sehr beliebt sein könnte. Ich würde es auf einen Versuch ankommen lassen. Natürlich müsste es dann auch eine besondere Currywurst sein aber das fiele René samt Team gewiss nicht schwer.